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Kolumne: Selbstregulierung im Ayurveda unausweichlich

Kolumne: Selbstregulierung im Ayurveda unausweichlich

09.06.2006 |

von Hans Heinrich Rhyner, Naturarzt für Ayurveda, MD & PhD (Alternative Medicines)

Was mir am meisten Sorgen in der Ayurveda Szene bereitet, ist nicht der Fakt, dass wir gegen mächtige Interessengruppen antreten müssen oder uns die behördliche Regulierungsphobie viel Arbeit beschert. Nein, den größeren Schaden richten skrupellose, macht- und profitgeile Vertreter aus den eigenen Reihen an. In einem Artikel des indischen Magazins „Frontline“, das im April dieses Jahres in Madras erschienen ist, prangert die Autorin Meera Nanda die weit verbreiteten Versprechen von Wunderheilungen durch ayurvedische Medikamente an. Mit Recht: schon der bedeutende Ayurveda Arzt der Antike Caraka bezeichnete in seinen Texten Quacksalber als Botschafter des Todes, welche sich gegenüber nicht informierten Kreisen als die besten aller Ärzte ausgeben.
Ins Visier genommen hat die Autorin einen gewissen Fernseh-Swami namens Ramdev, der Millionen von indischen Zuschauern, die sich regelmäßig seine Show ansehen, medizinische Ratschläge erteilt. Es gibt nichts, das er mit Hilfe seines Prozesses, der aus einer Form von Yoga und Ayurveda-Medikamenten besteht, in kürzester Zeit nicht heilen könnte: Von einer gewöhnlichen Erkältung bis Krebs verspricht er sofortige Abhilfe, wenn die Leidenden seine Yoga Camps besuchen und seine Medikamente kaufen. Zudem behauptet er, dass seine Kuren nicht nur wissenschaftlich belegt, sondern die höchste Form der Wissenschaft überhaupt seien. Er ist leider nicht der einzige Ayurveda Wunderheiler, der solch fantastische Versprechungen macht. Yoga und Ayurveda werden an die ständig wachsende indische Mittelklasse und zunehmend auch in Europa massenvermarktet und solches sind die unangenehmen Nebenerscheinungen schonungslosen Marketings.
Die Fakten gegen besagten Swami liegen auf dem Tisch. Hier möchte ich noch kurz anmerken, dass ein Swami eigentlich ein vorbildlicher Asket ist, welcher dem Weltlichen entsagt hat und deshalb ein hohes soziales Ansehen genießt. Im April 2005 haben 115 Arbeiter seiner Fabrik über unzumutbare Arbeitsbedingungen und niedrige Gehälter protestiert. Sie beklagten sich, dass sie menschliche Schädel und Knochen sowie Otterhoden und Antilopenhörner von Hand einsammeln und zermörsern mussten. Darauf sandte eine lokale Parlamentarierin Muster eines Medikaments zur Behandlung von Epilepsie und ein anderes zur Behandlung von sexueller Schwäche, die in seinem Betrieb hergestellt wurden, in das Labor der verantwortlichen Behörden. Das offizielle Ergebnis wurde im Januar 2006 publik: Beide Präparate, die als rein pflanzlich deklariert waren, enthielten sowohl menschliches wie tierisches DNA. Was dann folgte war noch unglaublicher als der Fakt, dass Patienten unwissentlich zermörserte und geröstete menschliche Schädel zu sich genommen haben. Swami Ramdev machte der Parlamentarierin den Prozess. Sie sei eine Puppe in den Händen von westlichen Pharmaunternehmen und sei darauf aus, indische Traditionen und Kultur zu zerstören. Am Ende erhielt der Swami eine Buße, weil er versäumt hatte, nicht-vegetarische Zutaten als solche zu deklarieren.
Wenn wie in diesem Fall wieder einmal publik wird, wie dermaßen unverschämt Kunden hintergangen werden, geht zwar ein Aufschrei durch alle Reihen, aber die Grundsatzfragen, nämlich wie sicher und effektiv Yoga und Ayurveda sind und welche Maßnahmen der Bevölkerung belegbaren Schutz bieten, werden nicht gestellt. Die Autorin zieht leider den falschen Schluss, dass die moderne Wissenschaft die einzige Lösung verschaffe.
Auf diesen Artikel hin, habe ich meine Vorschläge an die IAF (International Ayurveda Foundation, registriert in London und Mumbai) übermittelt. Mein Schreiben wurde leider bis dato nicht beantwortet oder offiziell zu Kenntnis genommen.

Ayurveda und Yoga Organisationen sowie sämtliche Berufsverbände, die mit Ayurveda und Yoga arbeiten, müssen sicherstellen, dass alle Mitglieder sich verpflichten, strenge Sicherheitsauflagen und Qualitätskontrollen zu befolgen. Diese umfassen unter anderen folgende Punkte:

- Alle lokalen gesetzlichen Auflagen müssen erfüllt werden. Dies betrifft die beruflichen Zulassungskriterien, Ausbildung, behördliche Bewilligungen, verwendete Materialien, Geräte, Räume, Medikamente, Nahrungsmittel, Körperpflegemittel, etc.
- Keine Heilversprechungen dürfen gemacht werden. Für indikationsspezifische Behandlungen oder Präparate müssen nachvollziehbare Erfahrungswerte vorliegen. Falls keine im Sinne von EBM (Evidence Based Medicine) gesicherten Daten vorliegen, muss auf alle Fälle die Sicherheit eines Verfahrens oder Präparates für den Anwender belegbar sein.

Wir können eine strikte Selbstregulierung unserer Tätigkeiten in Europa nicht länger hinausschieben. Ein Zusammengehen der Ayurveda und Yoga Gemeinde ist deshalb nicht nur dringend notwendig, sondern unser Überleben hängt direkt davon ab. Der Goodwill des Publikums, den Ayurveda und Yoga bis Heute noch genießen, wird durch schlechte Nachrichten in den Medien ständig geschmälert. Wir empfehlen unseren Klienten proaktiv etwas für ihre Gesundheit zu unternehmen. Dieses Vorgehen gilt auch für die Gesundheit und das Überleben von Ayurveda und Yoga.

Kommentare und Vorschläge an mich sind willkommen unter

dr.rhyner@ayurveda-rhyner.com


Hans Heinrich Rhyner ist Naturarzt für Ayurveda und Doktor der Naturheilkunde, MD, PhD (AM).
Er ist gebürtiger Schweizer und gilt als führender, international anerkannter Ayurveda Experte und Pionier von Ayurveda in Europa. Er lebte über 20 Jahre in Indien und praktizierte dort in seiner eigenen Klinik in Bangalore. Seit 1999 wieder in Europa zurück, steht er in seiner eigenen Praxis im Appenzellerland / Herisau, sowie in Wien im Fachinstitut Anemonya und im allvedya Gesundheitszentrum seinen Kunden und Patienten zur Verfügung.

 

Dr. Rhyner schreibt für das Ayurveda-Portal die Kolumne.
Die Meinung des Autors spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

 

Bisherige Kolumnen:

1-2005 Kolumne zur Flutkatastrophe
2-2005 Kolumne zur Frühjahrsmüdigkeit
3-2005 Kolumne zu Schlankheitswahn, Gesundheit und Genuss
4-2005 Kolumne zum Impfen
5-2005 Kolumne zum Thema *wissenschaftliche Studien*
1-2006 Kolumne Medikamente für Kinder und das Thema Kampfhunde
2-2006 Kolumne zu den Themen *Handeln wider die Natur* und *Profitgier*


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