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Ayurveda: Die drei Säulen des Lebens

31.03.2003 | von Kerstin Rosenberg Ayurveda, die Wissenschaft vom langen Leben, ist die älteste uns überlieferte Medizin. Mit seinem ganzheitlichen Wissen um die Zusammenhänge von Körper, Geist und Seele ist diese in Indien beheimatete Weisheitslehre auch im Westen längst kein Geheimtipp mehr, sondern ein vielfach angewandetes Gesundheitssystem, welches über hochwirksame Behandlungs- und Reinigungsmethoden, eine ausgereifte Pflanzenheilkunde und eine umfassende Ernährungslehre verfügt.

Innere Harmonie und das Gleichgewicht aller im Körper wohnenden Kräfte sind die Grundlage für ein erfülltes und gesundes Leben im Ayurveda. So ist Gesundheit aus ayurvedischer Sicht nicht nur ein statischer Durchschnittwert oder ein allgemeines Wohlbefinden, sondern ein Zustand voller Lebensfreude, Widerstandskraft und innerem Glück.

Im Ayurveda werden drei Säulen des Lebens beschrieben, auf denen die Gesundheit und Ausgeglichenheit des Menschen steht: Essen, Schlaf und Sexualität.
Mit Essen, Schlaf und Sexualität erfüllen wir die Grundbedürfnisse der menschlichen Natur und lassen Körper, Geist und Seele miteinander verschmelzen und auftanken. Der ganzheitliche Aspekt und die konstitutionelle Ausrichtung der grundlegenden Verhaltensformen ist einer der wichtigsten Bausteine der ayurvedischen Lebenskunde und Medizin.

Die erste Lebenssäule: Ein gesunder und vitalisierender Schlaf

Schenken wir unserem Körper die notwendige Ruhe, die er zur Regeneration und Erholung benötigt, so haben wir einen ständigen Zugang zu unserem eigenen Jungbrunnen. In der Nacht tanken wir uns mit neuen Lebensenergien auf, unsere Sinne beruhigen sich und unsere Sinnesorgane werden beruhigt und gereinigt.
Im Ayurveda wird dem Schlaf mit seiner vitalisierenden Wirkung eine große Bedeutung für die regelmäßige Zellerneuerung, Gewebsbildung und Entgiftung zugeschrieben. Betrachten wir die verschiedenen Funktionen unserer Organe, des Nervensystems und des Stoffwechsels in der Nacht, so erkennen wir sehr schnell, daß der Schlüssel für unsere Gesundheit und Verjüngung unter anderem im richtigen Verhalten in der Nacht liegt.
Viele Menschen leiden an Schlafstörungen, welche sich durch Nicht-Einschlafen oder häufiges Aufwachen äußern. Hier ist es sehr wichtig, früh genug schlafen zu gehen, um die nötige Schwere-Energie Kapha die dem Erd-Elemet entspringt zum Einschlafen zu nutzen.
Eine heiße Milch mit Muskatnuß und Honig oder ein beruhigender Kräutertee mit Melisse, Baldrian und Fenchel vor dem Schlafengehen können eine wertvolle Unterstützung sein.
Ein bewährtes ayurvedisches Hausmittel ist es, am Abend einen kleinen Einlauf mit warmen Sesamöl zu machen. Dies beruhigt das Bewegungsprinzip Vata im Organismus, wärmt den ganzen Körper und entspannt Darm und Nervensystem.
Für diesen Nähr-Einlauf Basti werden 20 ml Sesamöl erwärmt und mit einer Einlaufspritze in den Anus eingeführt. Der Körper behält das Öl inne und scheidet den nicht resorbierten Rest erst am Morgen mit dem Stuhlgang aus.

Weitere Empfehlungen für eine entspannende Nacht
- Ölen Sie sich am Abend die Wirbelsäule und den Nacken mit etwas Johanniskrautöl ein.
- Massieren Sie sich die Kopfhaut (mit oder ohne Öl) mit den Fingerspitzen wie beim Haarewaschen und geben Sie anschließend ein Tropfen Sandelholz auf die Stirn.
- Machen Sie eine kleine Abendmeditation und lassen Sie die Bilder des vergangenen Tages noch einmal Revue passieren. Finden Sie Frieden mit allen nicht so angenehmen Situationen und geben Sie Liebe, Licht und inneres Verzeihen in ihre inneren Bilder hinein.

Die zweite Lebenssäule: Eine ausgeglichene Sexualität und Sinnlichkeit

Unser körperliches und seelisches Wohlgefühl wird stark von unserer Sexualität bestimmt. Der natürliche Umgang mit Sinnlichkeit, Sexualität und Freude ist bei der ayurvedischen Praxis sehr wichtig, denn viele innere Spannungen, Verkrampfungen und unterdrückte Gefühle haben ihre Ursache in einem disharmonischen Sexualleben.
Ayurveda lehrt uns, daß alle Gefühle immer ihren körperlichen Ausdruck suchen. Egal welche Emotionen in uns sind, sie möchten gesehen und gelebt werden. Werden wir von negativen Gefühlen wie Wut, Haß und Ärger erfüllt, so rötet sich unser Gesicht, wir werden heiß und die Muskeln im Schulterbereich verkrampfen sich. Sind wir verliebt, so spüren wir ein warmes, vibrierendes Ziehen in unserer Brust, unsere Augen strahlen, das Gesicht wird von einem überirdischen Glanz durchdrungen und wir sind voller Energie und Lebenslust.
Durch ständige Überreizung sind unsere Sinnesorgane oft nicht mehr fähig die feinen Gefühle und Energie wahrzunehmen, die uns wie sinnliche Schauer durchfluten. Wir sind durch unsere Alltagsbelastungen abgestumpft, die Augen sind von der Computerarbeit müde, die Nase von Staub verstopft, die Ohren von Straßenlärm abgestumpft. Eine schöne und bereichernde Sexualität beginnt im Ayurveda mit der Reinigung und Sensibilisierung der Sinnesorgane. Hierzu dient die tägliche Morgenroutine in der Sie ihren Körper und Sinne auf ganzheitliche Weise reinigen:

- Trinken Sie jeden Morgen nach dem Aufstehen ein Glas warmes Wasser
- Befreien Sie ihre Zunge mit einem Teelöffel oder speziellen Zungenschaber von dem morgendlichen Belag
- Reinigen und aktivieren Sie die Augen, Ohren und Nase mit jeweils einem Tropfen Sesamöl. Benetzen Sie dazu ihre kleinen Finger mit etwas warmen Öl und streichen Sie damit Naseninnenwände und die Ohrmuschel aus. Die Augen sollten mit einem Tropfen Ghee (ayurvedisches Butterfett) aus der Spritzpipette benetzt werden.

Die 3. Lebenssäule: Richtig Essen für Körper, Geist und Seele

Durch die richtige Ernährung und eine ausgewogene Lebensweise ist jeder Mensch in der Lage, seine inneren und äußeren Kräfte zusammenzufügen und sein Leben in Gesundheit und Glück zu gestalten. Mit dem was wir essen, entscheiden wir über die gesamte Versorgung des Stoffwechsels und haben einen elementaren Einfluß auf unsere körperliche Gesundheit, innere Zufriedenheit und ganzheitliche Schönheit.
Unsere tägliche Nahrung repräsentiert die körperliche Gesundheit, aber auch den inneren Gemütszustand auf anschauliche Weise. Innerer Stress, Frustration, Langeweile oder Ärger regt unseren Appetit auf die unterschiedlichste Weise an und läßt uns die Merkwürdigsten Dinge zu den merkwürdigsten Zeiten essen.
Nach dem Motto: "Zeige mir was Du ißt, und ich sage Dir was Du fühlst" können wir anhand unserer Gelüste und Heißhunger-Attaken genau ablesen, welchen körperlichen oder seelischen Mangel wir erleiden.
Um seine Ernährung langfristig umzustellen und zu einer wirklich ganzheitlichen und gesunden Ernährungsform zu kommen, bedarf es deshalb mehr als einem Diätplan.
Im Ayurveda wird die Ernährung individuell auf die Konstitution und das Agni des einzelnen abgestimmt. Je nachdem, wie unser Verdauungssystem arbeitet und in welcher Dominanz die Doshas sich befinden, sollten bestimmte Nahrungsmittel mehr oder weniger gegessen werden, spezielle Kräuter eingenommen und ayurvedische Rezepte in unterschiedlicher Weise zubereitet werden. Wie alles im Ayurveda, beruht auch die Ernährung auf dem Ausgleich der im Körper vorherrschenden Eigenschaften. Mit den richtig zubereiteten Mahlzeiten geben wir uns alles, was uns fehlt und kommen so wieder in unser inneres Gleichgewicht. Je nach Konstitutionstyp neigen wir zu bestimmten Beschwerden und haben spezifische Eigenschaften und Neigungen, welche sich in unserem Lebensstil und unseren Ernährungsgewohnheiten widerspiegeln. Diese richtig zu interpretieren und liebevoll in Harmonie zu bringen, ist die Kunst der ganzheitlichen Ernährungslehre.
Ziel der ayurvedischen Ernährung ist es Körper, Geist und Seele jedes Einzelnen zu nähren und mit Leben zu erfüllen. Je nach Konstitution, Stoffwechsel und Lebensweise benötigt jeder Mensch eine individuell auf seine Bedürfnisse abgestimmte Ernähung, die seine Körperkräfte ins Gleichgewicht bringt, die Gewebe aufbaut und den Stoffwechsel gut versorgt.
Alle Arten von Verdauungsstörungen, wie z.B. Blähungen, Verstopfungen oder Völlegefühl zeigen an, daß die Nahrung von dem verdauungsfeuer Agni nicht gut verwertet werden kann und die Doshas ins Ungleichgewicht kommen. Leiden wir unter körperlichen Beschwerden und Krankheiten, so ist dies das Ergebnis langjähriger Fehlernährung, welche sich nun in mangelhaft aufgebauten Körpergeweben und ungenügenden Organfunktionen wiederspiegelt.
Die typgerechte Ayurveda-Küche schafft mit seinen vielseitigen und leicht verdaulichen Speisen ein optimales Verdauungsmilieu, durch das abgelagerte Schlacken und Toxine über den Verdauungstrakt ausgeschieden werden können und gesunde Körpergewebe neu gebildet werden. Um dies zu erreichen bedarf es einer präzisen Analyse des individuellen Stoffwechsel und den Konstitutionsstörungen des Einzelnen, denn nur durch die Harmonisierung dessen, kann der Körper wieder in seine natürliche Harmonie, Kraft und Vitalität geführt werden.
Die Kunst der ayurvedischen Ernährung ist die individuelle Ernährungsabstimmung. Diese erfolgt nach einer ausführlichen Diagnose durch den Ayurveda-Arzt oder - Ernährungsberater. Doch neben all diesen konstitutionsgerechten Empfehlungen, gibt es eine Fülle von Ernährungsregeln, durch die täglichen Speisen für jeden Menschen gleichermaßen gesund, befriedigend und aufbauend wirken. Nahrung sollte aus ayurvedischer Sicht gut bekömmlich, warm, frisch gekocht, nährstoffreich und schmackhaft sein. Warme und gekochte Speisen gelten besonders in den Morgen- und Abendstunden als leichter verdaulich als rohe und kalte Nahrungsmittel, abgesehen von Obst, Nüssen und Salat.
So sollten mindestens die Hälfte, besser noch 3/4 der Nahrung in frisch gekochter Weise eingenommen werden.
Mindestens eine Mahlzeit am Tag enthält in der Ayurveda-Küche die Vielfalt der sechs Geschmacksrichtungen süß, sauer, salzig, scharf, bitter und herb und kann damit alle Körperkräfte ausgleichend nähren. Der Geschmack einer Speisen hat einen elementaren Einfluß auf den emotionalen Zustand desjenigen, der sie gerade einnimmt. So steht z.B. der süße Geschmack für Liebe und Wohlgefühl, der salzige Geschmack wirkt anregend und füllend, und sauer erregend uns und macht den Stoffwechsel und die Reaktionen schneller. Der scharfe Geschmack reizt Gemüt und Schleimhäute und bitter schenkt uns Leichtigkeit und Gelassenheit. Nicht umsonst stellt die individuelle Geschmacksabstimmung eines der wichtigsten Therapeutikas der ayurvedischen Ernährung dar. Der richtige Geschmack kann Heilen und der falsche Geschmack stört das körperliche und geistige Gleichgewicht auf gravierende Weise.

Allgemeine Richtlinien der ayurvedischen Ernährung

- Bereiten Sie ihre Speisen mit Liebe und Sorgfalt zu! Das verstärkt die energiespendende Wirkung unserer Nahrung und harmonisiert Vata.
- Essen Sie vielseitig und abwechslungsreich, um Ihrem Körper alles zuzuführen, was er benötigt, um sich zu erneuern.
- Versuchen Sie, in einem regelmäßigen Rhythmus zu essen, am besten drei Mahlzeiten am Tag, immer zur gleichen Zeit. Das gleicht Vata in Ihrem Körper aus.
- Essen Sie erst wieder etwas, wenn die vorhergehende Mahlzeit vollständig verdaut ist.
- Bevorzugen Sie immer frische Nahrungsmittel, denn in frischem Obst und Gemüse sind die meisten Vitamine und Mineralien. Wenn Sie keine Möglichkeit haben, frisches Obst und Gemüse zu verwenden, weichen Sie auf getrocknete und gefrorene Lebensmittel aus. Die letzte Alternative sind Konserven.
- Achten Sie auf gründliches Kauen und Einspeicheln bei jedem Bissen, das ist Voraussetzung für eine vollständige Verwertung der Nahrung.
- Essen Sie langsam und in Ruhe. Das stärkt Pitta.
- Nehmen Sie täglich 1 Teelöffel Zuckerrohrmelasse zu sich. Am besten morgens in warmem Wasser gelöst, mit etwas frischem Zitronensaft.
- Obst ist der beste "Reiniger" für den Körper und hat einen starken Einfluß auf das Kapha-Prinzip. Deshalb wird für viele Menschen morgens ein Obstfrühstück empfohlen. Hier gibt es allerdings auch eine Alternative, wie z.B. Porridge (Haferbrei mit Wasser).
- Trinken Sie genügend stilles Quellwasser (am besten warm) regelmäßig über den Tag verteilt und achten Sie darauf, daß es nicht zu kalt ist. Die optimale Flüssigkeitsmenge pro Tag ist durch die Aqua-Formel, Gewicht x 0,03 = Menge an Flüssigkeit pro Tag in Liter, zu ermitteln.
- Kombinieren Sie ihre Mahlzeiten auf richtige Weise, so das die Speisen leicht verwertet werden können. Hier ist es besonders wichtig, frische Früchte und Milch nur alleine einzunehmen, Milchprodukte niemals mit anderem tierischem Eiweiß zu mischen und Kohlenhydrate und Eiweiße voneinander zu trennen.

Zur Autorin
Kerstin Rosenberg, international bekannte Ayurveda-Spezialistin, Ausbildungsleiterin und Buchautorin. Sie ist Vorsitzende des VEAT - Verband Europäischer Ayurveda-Therapeuten und leitet gemeinsam mit ihrem Mann das Mahindra-Institut -The European Academy of Ayurveda, eines der rennomiertesten Ayurveda-Ausbildungsschulen außerhalb Indiens.

Mahindra-Institut - The European Academy of Ayurveda, Forsthausstraße 6, 63633 Birstein, Tel: 06054-91310, Fax: 06054-913136, www.mahindra-institut.de, info@mahindra-institut.de


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