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Unterdrückung körperlicher und geistiger Dränge

18.03.2003 | von Srikanta Sena Atreya Muni beschreibt nun (im ersten Hauptteil *Sutrasthanam* der Caraka-Samhita, Anm. d. Red.) die körperlichen Dränge, die man nicht unterdrücken sollte, welche Störungen ihre Unterdrückung hervorrufen und wie diese Störungen beseitigt werden können.

Niesen, Gähnen, Durst, Tränen, Samen, Schlaf und heftiges Atmen nach einer Anstrengung, Harndrang, Stuhldrang, Brechreiz, Aufstoßen und der Drang, Luft zu lassen, sollten nicht unterdrückt werden.
Wenn man Tränen des Kummers unterdrückt, können Augenkrankheiten, Herzkrankheiten, Schwindel, Koryza, Anorexie entstehen. In diesem Fall werden Schlaf, Wein und angenehme Gespräche empfohlen.
Das Unterdrücken von Niesreiz kann zu Steifheit des Nackens, Kopfschmerzen, Gesichtsparalyse, Migräne und Schwäche der Sinnesorgane führen. In einem solchen Fall sind Nackenmassage, Dampfbäder, medizinisches Rauchen, Nasentropfen und vata-besänftigende Diät empfohlen.
Die Unterdrückung von Brechreiz verursacht Schwellungen, Fieber, Anämie, Hautkrankheiten, Juckreiz, Nausea. Empfohlen werden in diesem Fall das Herbeiführen von Erbrechen nach dem Essen, medizinisches Rauchen, Fasten oder leichte Diät, Aderlass, raue Diät, Körperübungen und Purgation.
Die Symptome der Unterdrückung des Harndrangs sind Dysurie, Kopfschmerzen, Steifheit in den Leisten, Schmerzen in der Blase etc. Im Falle einer Retention sollten svedana (Fomentation ), Bäder, abhyanga und Enema angewendet oder ein Katheter eingeführt werden.
Die Unterdrückung des Stuhldrangs verursacht Kolik, Kopfschmerzen, Retention von Kot und Flatus, Wadenkrämpfe und Flatulenz. Retention von Kot und Flatus kann durch Dampfbäder (svedana), Bäder, Enema und Nahrungsmittel und Getränke mit abführender Wirkung beseitigt werden.
Die Zurückhaltung von Samen verursacht Schmerzen in Penis und Skrotum, Körperschmerzen, Herzschmerzen und Behinderung des Urins. In diesem Fall werden abhyanga, Bäder, Wein, Reis, Milch, asthapana-Enema und Geschlechtsverkehr verordnet.
Das Unterdrücken von Flatus verursacht Retention von Kot, Urin und Flatus, Flatulenz, Schmerzen, Erschöpfung und andere Störungen im Bauch aufgrund von vata. Zur Beseitigung der Störungen werden snehana (Ölung), svedana und Nahrung, Getränke und Enema mit karminativer Wirkung empfohlen.
Unterdrückung der Eruktation führt zu Schluckauf, Dyspnoe, Anorexie, Tremor, Blockierung in Brust und Herzregion. (1)
Unterdrückung des Gähnens verursacht Tremor, Kontraktion, Konvulsion, Taubheitsgefühle und wird mit vata-beseitigenden Maßnahmen behandelt.
Die Unterdrückung von Hunger führt zu Schwäche, Abmagerung, Körperschmerzen, Anorexie, Schwindel und Verlust von Ausstrahlung und Farbe. Empfohlen wird fettige, warme und leichte Diät.
Die Unterdrückung von Durst verursacht Trockenheit der Kehle und des Mundes, Taubheit, Müdigkeit, Depression, Herzschmerzen. Empfohlen werden kalte und sättigende Getränke. Die Unterdrückung von Schlaf erzeugt, Gähnen, Schwindel, Körperschmerzen, Störungen im Kopf und Schwere der Augen.
Durch Unterdrückung des Atems aufgrund von Körperübungen kommt es zu Ohnmacht, Herzkrankheiten und gulma. Ruhe und vata-besänftigende Mittel beseitigen diese Zustände.

Soviel zu den körperlichen Drängen. Jemand, der an seinem Wohlbefinden interessiert ist, sollte diese Dränge nicht zurückhalten.

Was man aber unbedingt zurückhalten sollte, sind Dränge übler Absichten in Gedanken, Worten und Taten. Gier, Kummer, Furcht, Zorn, Eitelkeit, Neid, Schamlosigkeit, übermäßige Anhaftung und das Verlangen nach dem Besitz eines anderen – diesen Drängen sollte man nicht nachgeben. Man sollte den unbändigen Drang der Sprache beherrschen, nicht lügen und niemanden mit Worten verletzen. Handlungen, die einem anderen Leid zufügen, wie Gewalt, Diebstahl, Ehebruch etc. sollte man nicht ausführen. Ein tugendhafter Mensch, dessen Gedanken, Sprache und Handlungen frei sind von Lastern, ist wahrhaft glücklich und genießt und erntet Wohlstand, Freude und Erfüllung seiner Wünsche.

In seinem Buch Upadesamrita-sindhu („Der Nektar der Unterweisung“) nennt Rupa Gosvami sechs Dränge, deren Beherrschung einen Lehrer des spirituellen Wissens auszeichnet: den Drang der Zunge, der Sprache, des Magens, des Genitals, des Zorns und des Geistes. Der Drang der Zunge bedeutet, ganz einfach ausgedrückt, die Lust der Zunge am Schmecken. Wehe, wenn die Gier der Zunge stärker ist, als die Macht und der Wille sie zu beherrschen! Der Drang der Sprache bezieht sich bei Rupa Gosvami auf alle weltlichen Gespräche. Der Drang des Magens ist, möglichst voll zu sein mit Speis und Trank. Der Drang des Genitals nach sexueller Betätigung, ist schwer zu bändigen. Genital, Magen und Zunge liegen in einer Linie. Wenn man die Zunge beherrscht, beherrscht man auch den Magen und das Genital, da Reizung der Zunge auch Reizung des Magens und des Genitals bedeutet. Der von tamas und rajas beherrschte Geist drängt zu Sinnengenuss und zur Ausführung so vieler Dinge, unter deren Folgen man anschließend leiden muß. Wie leicht läßt man sich von Zorn hinreißen und begeht Handlungen, die man später bitter bereut; wieviel Leid in der Welt ist schon hervorgegangen aus dem Drang des Zorns und wieviel Zerstörung?
Die sechs Dränge zu beherrschen ist also nicht nur die Aufgabe von Transzendentalisten, die spirituelle Führer sein wollen, sondern eines jeden Menschen, der beständiges Glück, Frieden des Herzens und Freiheit von Leiden genießen möchte.

(1) Die Behandlung dieser Störungen wird ausführlich in Cikitsasthanam beschrieben.

Aus „Ayurveda-Lehrbuch – Kompendium des Ayurveda-Klassikers Caraka-Samhita“, von Srikanta Sena, CD-Rom. Copyright by Srikanta Sena, Bebra 2002.
Diese CD-Rom können Sie hier direkt bestellen oder Auszüge zu Ihrer Ansicht herunterladen.

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