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Kolumne zur Flutkatastrophe

Kolumne zur Flutkatastrophe

16.01.2005 | von Hans Heinrich Rhyner MD, PhD (Alternative Medicines)

Es war nicht abzusehen, dass meine erste Kolumne im ayurveda-portal.de von einem Ereignis von solcher Tragweite, wie dem Erdbeben und der Flutwelle in Südostasien überschattet wird und alle anderen Themen belanglos erscheinen lässt. Da ein Kolumnist sich mit wichtigen Tagesthemen auseinandersetzen soll, so möchte ich gerne meine Betroffenheit zu diesem Ereignis zu schildern versuchen. In den Vordergrund rückt bei solchen Katastrophen die Auseinandersetzung mit Leben und Tod.

wie jede blüte welkt und jede jugend
dem alter weicht, blüht jede lebensstufe,
blüht jede weisheit auch und jede tugend
zur ihrer zeit und darf nicht ewig dauern.
es muss das herz bei jedem lebensrufe,
bereit zum abschied sein und neubeginne,
um sich in tapferkeit und ohne trauern
in andre, neue bindungen zu geben ...

nach dem Gedicht „Stufen“ von Hermann Hesse.

Die Welt rückt etwas näher zusammen in Zeiten der Not und das ist gut so. Besser noch, sie bleibt zusammen. Die Fragen nach dem Sinn von Leid tauchen aus dem Vergessen auf. Ist die Natur gegen uns? Sicher nicht, eher sind wir gegen die Natur. - Am Südzipfel Shri Lankas liegt ein Naturreservat. Die Flutwelle ist bis zu drei Kilometer darin eingedrungen. Wie die Helfer dort ankamen, entdeckten Sie 200 menschliche aber nicht ein einziges tierisches Kadaver. Die Tiere wussten, woher und wann Gefahr drohte und sind geflüchtet.

Was Tiere wahrnehmen, das können grundsätzlich auch Menschen. Doch wir sind so beschäftigt mit unseren Vorstellungen und Alltagsproblemen, dass diese feinen Signale nicht mehr richtig wahrgenommen und interpretiert werden können. Das Resultat, die Menschheit ist extrem gefährdet. Unsere Technik und Vater Staat sind die Krücken, welche menschliche Defekte wettmachen können. Beide brauchen enorm hohe Mittel, um zu funktionieren und so sind arme Länder unsicherer als wohlhabende und innerhalb eines Landes sind die armen Bevölkerungsschichten stärker gefährdet als die reichen.

In Ländern wie Shri Lanka und Indien konnte ich immer wieder beobachten, wie bei einem Unglück die Ärmsten immer die größte Not erleiden. Sie bauen sich Hütten aus leichten Materialien, denn Zement, Backsteine und Dachziegel sind unerschwinglich. Und sie bauen auf unsicheren Plätzen – am Steilhang, am Runway, nahe Flüssen, Seen und direkt am Meeresstrand. Wo sonst als auf diese meist illegalen Bauplätze sollen sie hin?
Auch die Touristenanlagen wollen direkt am Strand gebaut sein und so werden Politiker bestochen oder es werden Ausnahmen gemacht. Die Regelung, dass Hotelanlagen 300 Meter von der höchsten „normalen“ Fluthöhe weg gebaut werden müssen, besteht in Indien seit Mitte der Achtzigerjahre. Leider nicht in Shri Lanka. Dort führt die berühmte Küstenstrasse von Colombo bis an die Südspitze meist nur wenige hundert Meter vom Strand entfernt. Die allermeisten Hotelanlagen und mit ihnen die bekannten Ayurveda Resorts liegen auf dem schmalen Streifen zwischen Meer und Strasse. Auch die Fischerhütten liegen dort.

In Wathuregama, einem kleinem Ort an der Südwestküste von Shri Lanka, lag das Schul- und Bildungsprojekt der „one world foundation“, einer privaten Entwicklungshilfeinitiative. Sämtliche Schulgebäude wurden am 26. Dezember völlig zerstört. Meine Frau und ich sowie viele unserer Freunde und Bekannten konnten sich von der ausgezeichneten Arbeit dieses Projektes vor Ort überzeugen.

Das ist nur ein kleiner Beitrag in einem von der Flut betroffenen Land. Die Bevölkerung von Shri Lanka hat mit ihrer vorbildlichen Gastfreundschaft und aus seiner immensen Tradition heraus so viel für die Popularisierung von Ayurveda im Westen getan. Nun liegt es an uns, unsere Betroffenheit und Mitgefühl mit Solidarität und aktiven Beiträgen auszudrücken.

Hans Heinrich Rhyner ist Naturarzt für Ayurveda und Doktor der Naturheilkunde, MD, PhD (AM).
Hans Heinrich Rhyner, gebürtiger Schweizer, gilt als führender, international anerkannter Ayurveda Experte und Pionier von Ayurveda in Europa. Er lebte über 20 Jahre in Indien und praktizierte dort in seiner eigenen Klinik in Bangalore. Seit 1999 wieder in Europa zurück, steht er in seiner eigenen Praxis im Appenzellerland / Herisau, sowie in Wien im Fachinstitut Anemonya und im allvedya Gesundheitszentrum seinen Kunden und Patienten zur Verfügung.

Dr. Rhyner schreibt für das Ayurveda-Portal monatlich die Kolumne.
Die Meinung des Autors spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.


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