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Diätetik ist keine Diät

27.05.2009 | Ayurvedische Lebensführung ist weder kompliziert noch eintönig. Eine Beratung hilft. Mit Beratungs-Beispiel. von Margrit Witt-Horchler Unzählige Kochbücher erläutern ayurvedische Gerichte: in der Regel sind sie einfach und schnell zubereitet, köstlich und würzig im Geschmack und vor allem bekömmlich und leicht verdaulich. Trotzdem hält sich hartnäckig das Gerücht von der Kompliziertheit des ayurvedischen Lebensstils. „Leben Sie denn ayurvedisch?“ werde ich oft gefragt mit unübersehbarer Skepsis im Blick. Meine Antwort lautet: „Lassen Sie uns erst einmal klären, was Sie darunter verstehen.“ Erneut ein fragender Blick.

Regelmäßig versuche ich, ayurvedische Grundprinzipien eines harmonischen Lebensstils zu vermitteln. Man könnte diese Bemühungen Ernährungsberatung oder zeitgenössisch LifestyleCoaching nennen, denn das Wort Diätetik kommt aus dem Griechischen und bedeutet Lebensführung.

In einer Diätetik-Beratung geht es nicht um langweilige und mühsame Diäten, denn jeder weiß, dass die nichts bringen, sondern nur den bekannten Jo-Jo-Effekt fördern. Mit Verzicht und Askese hat Ayurveda ebenfalls wenig zu tun, schon eher mit dem Ausschleichen falscher Ernährungsgewohnheiten und zunehmender Selbstverantwortung für den eigenen Lebensstil, wenn der zu Unwohlsein oder Befindlichkeitsstörungen geführt hat.

Frau F. hat nun einen Beratungstermin bei mir vereinbart, weil sie seit langer Zeit unter Heuschnupfen leidet und die Hoffnung hat, dass ein ganzheitlicher Therapieansatz ihr Erleichterung und mehr Lebensfreude bringen wird. Sie hat meinen Fragebogen ausgefüllt, der einen Teil ihrer täglichen Selbstversorgung und Lebensgewohnheiten auflistet. Ich benötige nur wenige Minuten für eine erste Interpretation und frage gezielt nach ohne zu bewerten.

Wäre es möglich, zuhause zubereitetes Essen in der Mittagspause zu erhitzen? Gibt es einen ruhigen Platz, an dem die warme Mahlzeit gegessen werden kann? Frau F. ist Physiotherapeutin in einer quirligen Praxis in Hamburg, die über eine kleine Küche mit Herd verfügt. Das klingt viel versprechend, denn so kann Frau F. die bisherige Gewohnheit, morgens zum Frühstück (Kapha-Zeit/Agni schwach) schon möglichst viel und sättigend zu essen, um mit einer großen Mahlzeit möglichst lange auszukommen, sofort ablegen.

Viel gesünder ist es für die Kapha-dominierte Therapeutin mit einem starken Vata-Ungleichgewicht mittags (Pitta-Zeit/Agni stärker) ein warmes und leicht verdauliches Essen zu verzehren und danach einen kleinen Spaziergang zu machen, bevor sie die nächsten Patienten behandeln muss. Sie fühlt sich so nach dem Essen nicht schwer und müde. Gesunde Snacks, wie eine reife Frucht oder einige Mandeln sollen ihr über mögliche Energietiefs am Nachmittag helfen, denn ihre Arbeit ist Kräfte zehrend.

Abends wird sie ab sofort nicht mehr völlig hungrig und gierig und viel zu spät die schweren Fleischgerichte oder die obligate Tiefkühl-Pizza auf den Tisch bringen, sondern einfache Gemüsegerichte, Amaranth- oder Quinoa-Aufläufe (bekömmliche alte Getreidesorten) oder eine Gemüsesuppe mit Reis genießen. Die schnellen abendlichen Käsebrote, Schokoladen-Orgien und Speiseeis-Gelage gehören der Vergangenheit an, denn sie sind schwer verdaulich (von 18-22 Uhr Kapha-Zeit - schwache Verdauungskraft) und belasten den Stoffwechsel. Bisher nickt Frau F. alle Vorschläge ab und stimmt allen Veränderungen zu. Sie kann sich durchaus vorstellen, künftig regelmäßig heißes Wasser und ab und zu Ingwer-Tee zu trinken statt der bisherigen kalten Softdrinks oder kohlensäurehaltigen Mineralwässer. Auch die empfohlenen Gewürze wie Kurkuma, Koriander und Kreuzkümmel sowie das Kochen mit Ghee nimmt sie interessiert auf und schlägt vor, sich gleich nach der Beratung damit einzudecken. Sie besitzt schon ein Ayurveda-Kochbuch und wird künftig mehr danach kochen.

Gegen die kribbelnde Nase und die tränenden Augen bei Heuschnupfen-Schüben will sie so oft wie nötig mit einer Nasendusche und 0,9-prozentiger Kochsalzlösung (schmeckt so ähnlich salzig wie Tränen) ihre Nase durchspülen. Sie hat auch schon die Erfahrung gemacht, dass ihr diese Anwendung Erleichterung bringt, berichtet sie. Bei zu häufiger Nasenspülung wird allerdings ihre Nase wund, deshalb hatte sie diese Methode irgendwann abgesetzt. Künftig wird sie nach der Spülung in jedes Nasenloch einen Tropfen Nasenreflexöl (Sesamöl) geben.

Nach drei Wochen kam die erste Rückmeldung von Frau F. Sie schreibt, dass sie sich nach dem Essen nicht mehr schwer und müde fühlt und kaum Heuschnupfen-Schübe hatte. Sie ist erstaunt, wie schnell und mühelos sie vier Kilo abgenommen hat und sich viel frischer und dynamischer fühlt. Ihre Zunge ist nicht mehr belegt. Dabei fällt ihr der Verzicht auf Fertiggerichte und Schlemmereien am Abend gar nicht schwer, weil sie nicht mehr so hungrig ist und keine Heißhungerattacken mehr hat. Sie schläft viel besser und gönnt sich ab und zu ein kleines Stückchen einer sehr teuren Schokolade.

Frau F. ist kein Einzelfall. Fast alle Klienten, die eine Ernährungs- und Gesundheitsberatung erfahren haben, sind bereit, die eine oder andere belastende Gewohnheit einzuschränken oder aufzugeben. Was dabei am schwersten fällt, ist sicher der Verzicht auf Nikotin, aber auch davon loszukommen ist mit professioneller Hilfe (Coaching) möglich.

Die Liste „Vermeiden/Bevorzugen“ wird von meinen Klienten fast immer anfangs sehr misstrauisch beäugt. „Ja was bleibt mir denn da noch?“ fragt die eine oder andere zunächst, die sich kaum vorstellen kann, dass man den Abend ohne eine Dose gesalzener Erdnüsse verbringen kann. Das wieder gewonnene Wohlbefinden tritt aber schnell ein, und es gibt für viele lieb gewordene Gewohnheiten eine gesündere Variante. Darin liegt die Kreativität und das Undogmatische der ayurvedischen Diätetik, die keine „Diät“ ist. Geben Sie sich mit Ayurveda eine Chance.


Margrit Witt-Horchler ist Heilpraktikerin mit den Schwerpunkten Ayurveda, LifestyleCoaching und Aromatherapie in einer Naturheilpraxis in Hamburg-Ottensen Tel. 040 – 2098.1328, www.villaveda.de. Sie führt seit 10 Jahren erfolgreich eine anerkannte Ayurveda-Schule in Hamburg und hat hunderte von Schülern in kleinen Gruppen gewissenhaft und nach den Regeln des VEAT (Verband Europäischer Ayurveda-Mediziner und –Therapeuten) auf ihrem Weg zum Ayurveda-Praktiker oder -Behandler begleitet.


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