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Europäischer Ayurveda und seine 5 Säulen

23.01.2009 | von Ralph Steuernagel Europäischer Ayurveda schlägt Brücken zwischen Orient und Okzident, Tradition und Moderne, empirischer und rationaler Wissenschaft. Ayurveda zählt zu den ältesten Gesundheitslehren der Menschheit und entstand vor Jahrtausenden in Nordindien. Die systematisch beschriebenen Naturgesetze, nach denen Gesundheit und Krankheit sich entwickeln, sind zeitlos und ortsunabhängig. Ayurveda ist somit keine indische Medizin, genauso wenig wie die klassische Homöopathie als deutsche Medizin zu bezeichnen ist – obwohl deren Begründer Samuel Hahnemann 1755 in Meißen geboren wurde.

Homöopathie ist heute in Indien eine der drei großen Medizindisziplinen mit universitärer Ausbildung – Ayurveda wird hingegen von vielen Anwendern in Deutschland und Europa noch immer als indische Tradition verstanden und praktiziert. Europäischer Ayurveda kann diesen Zustand ändern und die in Indien entstandene Ayurveda-Lehre international verkehrsfähiger machen. Durch eine Synthese aus ganzheitlich-asiatischer Denkweise und moderner europäischer Anwendungsmethodik entsteht dadurch eine kraftvolle, praxisnahe Systematik.

Europäischer Ayurveda vereint

1.    klassisches Wissen,
2.    moderne Wissenschaft,
3.    europäische Substanzen,
4.    psychologisches Grundverständnis und
5.    heilsame Kommunikation.

Säule 1 – Klassisch-ayurvedisches Wissen aus der Primärliteratur

Die Wurzeln des Ayurveda liegen in Nordindien. Über die Jahrhunderte wurden nebst den authorisierten Lehrern acht Textsammlungen, die sog. Samhita, als authoritatives Wissen (Aptopadesha) in Form von Kompendien anerkannt. Klassischer Ayurveda definiert sich aus diesen Wissensträgern. Europäischer Ayurveda darf an dieser Realität nichts ändern und bedient sich derselbigen Wissensquellen und der dort beschriebenen Naturgesetzmäßigkeiten.

Säule 2 – Moderne wissenschaftliche Erklärung ayurvedischer Konzepte

Ayurveda entstand aus Erkenntnis und Erfahrung und ist somit eine empirische Wissenschaft. Erkenntnis entsteht aus ayurvedischer Sicht durch eine Verbindung aus theoretischem Wissenserwerb und direkter Unterweisung durch Lehrer (Aptopadesha), sinnliche Wahrnehmung (Pratyaksha), logische Schlußfolgerung (Anumana) und Anwendung des erlangten Wissens mit Beweisführung (Yukti). In sich ist diese Methodik schlüssig und fantastisch anwendbar. Aus Sicht unseres modernen Gesundheitssystems, in dem die hochschulwissenschaftliche Medizin vorherrscht und Systeme wie Ayurveda als Komplementärmedizin gelten, ist die Verifikation ayurvedischer Ansätze nach hiesigen Kriterien für eine verantwortungsvolle Therapietätigkeit ausschlaggebend.

Das heißt im Klartext, wir müssen uns den modernen Fragen und Studien ayurvedisch stellen und nicht einfach unter dem Deckmantel der langjährigen Tradition Ayurveda unantast- und unangreifbar machen. Der Ayurveda ist so umfassend, ganzheitlich und therapeutisch stark, daß derartige Prüfungen zum großen Teil die traditionellen Konzepte belegen können. Gleichermaßen erlaubt es den Therapeuten, jüngst erlangtes Wissen um Auswirkungen einzelner Verfahren einzubinden und die praktische Durchführung ayurvedischer Therapien zu aktualisieren.

Säule 3 – Ayurvedischer Einsatz europäischer Nahrungsmittel und Arzneipflanzen

In den klassischen Schriften finden sich zahlreiche Nahrungsmittel, die heute weitgehend unbekannt oder ausschließlich in Mittelasien verfügbar sind. Umgekehrt wurden bsp. 80% der in Europa verzehrten Gemüse und 90% der angewandten Speiseöle traditionell nicht klassifiziert. Die traditionellen Beschreibungen europäischer Heilpflanzen aus der hippokratischen Ära oder der Klostermedizin ähneln in faszinierender Weise der Substanzenlehre aus der Ayurveda-Medizin. Ausgehend vom ayurvedischen Grundsatz, möglichst regional wachsende Rohstoffe einzusetzen, ist es nach Jahren der ayurvedischen phytotherapeutischen Erfahrung in Europa nun zeitgemäß, den großen medizinischen Wert einheimischer Pflanzen als Nahrungs- und Heilmittel verstärkt zu integrieren. Diese Notwendigkeit ist aktueller denn je, da Themen wie Artenschutz und Umweltbelastungen in Indien die Verfügbarkeit zunehmend einschränken. Um europäische Drogen (getrocknete Pflanzenteile) und Nahrungsmittel ayurvedisch rezeptieren zu können, muß der Therapeut aus den vorliegenden Informationen (traditionelle Kräuterschriften und moderne Wirkstoffangaben) eine ayurvedische Klassifikation nach den Prinzipien von Geschmack (Rasa), Eigenschaften (Guna), postdigestiver Wirkung (Vipaka), Potenz (Virya), außerordentlicher Wirkung (Prabhava) und Anwendungsgebieten (Karma) erstellen. Das zusätzliche Wissen um die Wirkstoffzusammensetzung von Drogen und den Nährstoffgehalt von Nahrungsmitteln erweitert die ayurvedische Betrachtung um eine quantifizierbare Komponente, die in der Praxisarbeit von großem Nutzen ist.

Säule 4 – Modernes psychologisches Grundverständnis

Die Stärke des Ayurveda wird von vielen Anwendern in der Behandlung psychosomatisch bedingter Beschwerden gesehen. Ayurveda beschrieb in seinen Kompendien die Funktion und Bedeutung des Geistes (Manas) in der Entstehung von Krankheit sowie die Verbindung des Geistes zum Körper und umgekehrt über die fünf Sinnessysteme. Er gab auch den wertvollen Hinweis, drei vedische Lebensziele (Ethisch-moralische Rechtschaffenheit/Dharma, materieller Wohlstand/Artha und Sinnesgenuss/Kama) im Lichte von fünf Lebensfaktoren (Selbst/Atma, Ort/Desha, Zeit/Kala, Familie/Kula und Kraft/Bala) zu analysieren. Charaka übermittelte in seiner Samhita (Su.1.58) die richtungsweisende Botschaft: „Geistige Krankheit wird durch spirituelles Wissen (Jnana), rationales Wissen (Vijnana), Geduld und mentale Stärke (Dhairya), Erinnerungsvermögen (Smrti), Achtsamkeit und meditative Konzentration bis zu Samadhi geheilt“. Informationen zur konkreten Anwendung und der Frage, wie und wodurch diese Parameter der Heilung nun erreicht werden können, wurden schriftlich nicht übermittelt. Wir sollten uns der Tatsache bewusst sein, daß „Psychosomatik“ und „Psychotherapie“ in Indien auch heute nicht den gleichen Stellenwert wie in Europa haben. Körperliche Erkrankungen werden dort durch den Arzt behandelt, mit geistigen Problemen wendet man sich eher – sofern diese überhaupt ans Tageslicht geraten – an den Dorfheiligen im nahegelegenen Tempel. Techniken aus der Yoga-Philosophie wie Atmung, Körperstellung, Achtsamkeit und Meditation können in vielen Fällen helfen, in manchen aber auch vorhandene Störungen verstärken. Für die Anwendung einer verantwortungsvollen geistig-psychischen Therapiemethodik reichen daher diese klassischen Informationen alleinig nicht aus – eine Ergänzung durch moderne psychologische Kenntnisse ist daher für ayurvedische „Psychosomatiker“ unabdingbar. Europäischer Ayurveda sollte demnach psychologisches Grundverständnis integrieren, um den Anforderungen in der Praxis gerecht zu werden.

Säule 5 – Heilsame Kommunikation

Welchen Wert hat ein großes System wie Ayurveda, wenn es nicht verständlich kommuniziert werden kann? Die Sprache der Dosha, Agni, Ama, Abhyanga, Sattva usw. ist für den kollegialen Austausch untereinander, jedoch nicht für die Kommunikation mit Patienten geeignet. Direkte Übersetzungen wie „Ihre Bioenergien sind nicht balanciert“, „Ihr Verdauungsfeuer brennt zu schwach“, „Sie leiden unter toxischen Stoffwechselschlacken“, „Mit der Abhyanga-Massage lösen wir Ihre Schlacken und leiten diese aus“, „Sie haben zu wenig Sattva im Geist“ klingen meist eigenartig, wenig professionell und lassen zahlreiche Mißverständnisse aufkommen. Die Stärke der indischen Kollegen liegt u.a. in deren Wissen um Substanzen und deren Verarbeitung, weniger jedoch in deren Fähigkeit mit Patienten zu kommunizieren – diese Stärke hat Europa systematisch entwickelt, auch wenn sie hierzulande bislang nur in wenigen Praxen zum Einsatz kommt. Konsequente Werte- und Bedürfnisorientierung, aktives Zuhören, vertrauensvolles Gesprächsklima, verständliche Erläuterung, Umsetzbarkeit von Empfehlungen und persönliche Begleitung seien hier nur einige Stichworte. Europäischer Ayurveda kann diese zwischenmenschlichen Qualitäten für den gemeinsamen Therapieerfolg nutzen.

 

Informationen zu Europäischem Ayurveda erhalten Sie bei.

Ralph Steuernagel
Privatpraxis – Kuren – Ayurveda Ausbildungen
Louisenstraße 74
61348 Bad Homburg

Telefon 06172-684647
www.ayurvedamedizin.de


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