Status: Nicht angemeldet


2. Ayurveda World Congress, Poona – Ayurveda for the future, Erfahrungsbericht

25.11.2006 | von Dr. Karin Gramminger Während sich Angelina Jolie und Brad Pitt in Pune zu Filmaufnahmen für ihren neuen Film „Mighty Heart“ aufhielten, fand der zweite ayurvedische Weltkongress an der Universität zu Pune statt. Über 3500 Delegierte, wovon etwa 300 aus 35 Ländern außerhalb Indiens waren, hatten sich offiziell für den Kongress angemeldet und sich für die zahlreichen Seminare und Workshops eingeschrieben.


Die Haupthemenkomplexe über die Zukunft des Ayurveda waren
1. Die Nutzung der Informationstechnologie im Computerzeitalter zu erlauben,
Dekodierung der antiken Texte, um diese global nach englischem Alphabet zugänglich zu machen,
2. verstärkt klinische Forschung zu betreiben und diese den westlichen Ländern zur Verfügung zu stellen
3. die Ayurveda-Ausbildungen für westliche Länder zu standardisieren
4. die Standardisierung der Ayurveda-Produkte und die Überprüfung auf Schwermetallbelastungen sowie klinische Studien über die Wirksamkeit der Ayurveda-Produkte zu betreiben.

Verlauf des Kongresses
Am Donnerstag dem 09.11. war der Tag des Panchakarma.
Im Hauptauditorium wurden die im Panchakarma üblichen Anwendungen praktisch vorgeführt und erklärt. Für mich persönlich war das Rakta Mokshana der Augen bei verstärktem Augen-Ama neu. Genauso wie der Blutegeleinsatz am Auge. Es wurde auch der Blutegeleinsatz bei Ekzemen gezeigt, sowie deren Reinigung mit Senf und Wasser. Es wurden die Wichtigkeit des gründlichen Purvakama besprochen, sowie Abhyanga- und Shirodaratechniken und die verschiedensten Bastis gezeigt.
Alle während einer Panchakarmakur anzuwendenden Techniken wurden auf dem Podium mit zahlreichen Akteuren in kurzer Abfolge praktisch vorgeführt.


Freitag, 10.11.06
Es fand die Eröffnungszeremonie nach traditioneller indischer Art statt.
Danach folgte eine packende Rede von Dr. R.A. Mashelkar, Generaldirektor des "councils" der wissenschaftlichen und industriellen Forschung. Er forderte die besten Wissenschaftler des Landes auf, sich verstärkt dem Potenzial der traditionellen Wissenschaft des Ayurevda zu widmen. Die Verbindung zwischen moderner Wissenschaft und traditioneller Ayurveda-Medizin sei noch nicht stark genug entwickelt. Die bessere Verlinkung der westlichen Medizin mit der Ayurveda-Medzin könnte die Heilung fast aller heute bekannten Erkrankungen bedeuten. Um das Wissen über diese antike Wissenschaft sicherzustellen, sollten sich wissenschaftliche und medizinische Fraternitäten in Form von "intellectual property rights" schützen. Ayurveda könnte Indien helfen, neben der IT- und Biotechnologiebranche weiteres weltweites Ansehen zu erlangen und zu ökonomischer Stärke zu kommen.

Täglich präsent und eine treibende Kraft hinsichtlich einer Globalisierung des Ayurveda war Prof. Dr. Gerard Bodeker von der medizinischen Fakultät der Universität in Oxford.
Prof. Dr. Bodeker forderte Indien auf, endlich aktiv zu werden, und die Ausbreitung der Ayurveda-Medizin international auch finanziell zu fördern. Sehr plastisch stellte Prof. Dr. Bodecker dar, wie die Chinesen durch staatliche Intervention und finanzielle Förderung die traditionelle chinesische Medizin weltweit verbreitet haben. Er appellierte an das indische Gesundheitsministerium Fördergelder bereit zu stellen, um indische Wissenschaftler an den westlichen Universitäten auf dem Gebiet der Ayurveda-Forschung zu unterstützen.
Wissenschaftliche Daten sollten verstärkt der WHO zur Verfügung gestellt werden.
Ayurveda-Medizin sei bisher weltweit kaum bekannt, außer auf dem Wellness-Sektor.
Auch Prof. Dr. Bodeker sprach sich für einen Schutz auf Basis des IPR aus.

Am Nachmittag sprach Dr. Vasant Lad u.a. über die ayurvedischen Prinzipien von ojas tejas prana bei Autoimmunerkrankungen. Er sprach sich für eine einheitliche, standardisierte und fundierte Ayurveda Ausbildung in den westlichen Ländern aus. Er vertrat die Meinung, dass die Lehre der Ayurveda-Medizin für den westlichen Arzt verständlich in seiner Sprache ausgedrückt werden soll, ohne die traditionelle Lehre zu schmälern. ...

Samstag 11.11.06
Thema Ayurveda Ausbildung.
Hierbei kamen sowohl die Traditionalisten wie G. G. Gangkaren von Bangalore zu Wort, die der Meinung sind, dass allgemein gültige, vereinheitlichte Ausbildungskriterien die Ayurveda-Wissenschaft zerstören würden, als auch sehr fortschrittliche Meinungen wie von Dr. Dilip Gadgil vom Tilak Maharashtra Ayurveda College, der sich für eine weltweit zugängliche Ayurveda Database aussprach. Dr. Gangkaren sprach davon, den mythischen Text zu einem "grassroot-level" herunter zu brechen und mit den entsprechenden Referenzen zu versehen, damit jeder zu den antiken Schriften Zugang haben könne.

Dr. Subash Ranade sprach sich auf Grund seiner jahrelangen Auslandserfahrung dafür aus, dass die Ayurveda-Medzin zunächst in kürzeren Einheiten gelehrt werden sollte, um den westlichen Medizinern einen leichteren Zugang zu verschaffen. Im Laufe einiger Jahre sollten diese Einheiten dann verlängert werden. Dr. Ranade sprach sich für ein gemeinschaftliches Ausbildungskonzept und die Legalisierung der Ayurveda-Ausbildung auf internationaler Ebene aus. Die Manuellen Ayurveda Therapeuten und Masseure sollten mit einem Basisstudium beginnen, um zumindest Grundkenntnisse in Ayurveda zu erhalten, bevor sie Massagetechniken erlernen. So könnte auch eine Qualitätsgarantie für die Ausbildung auf dem Wellnesssektor erreicht werden.

Sonntag, 12.11.06
Hier wurden von den Referenten die globalen Herausforderungen an Ayurveda herausgestellt:
Es wurde schnell deutlich, wie weit der Wunsch, Ayurveda als anerkannte Medizin ausüben zu können, von der, im jeweiligen Land begrenzenden Legislatur und der damit verbundenen Realität entfernt liegen.
Dr. Kathreen de Cruz, praktizierende Ärztin aus Australien gab zu verstehen, dass sie mit Ayurveda Medizin hervorragende Ergebnisse bei ihren Patienten erzielen kann, sie jedoch auf Grund der in Australien geltenden Gesetze kaum die Möglichkeit hat, an die Ayurveda-Präparate zu kommen. Auch würden die Patienten eine westliche Behandlung von ihr
erwarten, was sie bedauere. ...
Dr. Schachinger aus Österreich erläuterte die Stärken der Wissenschaft Ayurveda, den
Wellnesstrend, die Möglichkeiten des Ayurveda für den Einzelnen, die Herausforderungen bzgl. der Finanzierung im Gesundheitswesen und die mögliche Integration des Ayurveda mit der allopatischen Medizin. Dr Schachinger gab danach noch kurz die Eckpfeiler der tags zuvor gegründeten E.A.A. (European Association of Ayurveda) bekannt. ...
Mark Rosenberg stellte seine jahrelangen Erfahrungen im nun ehemals "Mahindra-Institut" heute "Europäische Akademie für Ayurveda" dar, und zeigte die Begrenzungen auf, wenn Ärzte nicht die treibende Kraft des Ayurveda sind. (Weiteres s. Ausführungen im Erfahrungsbericht von M. Rosenberg) ...

Abschlussveranstaltung
Hier waren u.a die Gesundheitsminister einiger indischer Staaten, sowie der Dekan Dr. Doiphode und Dr. També auf dem Podium. Alle sprachen von einem sehr gelungenen Ayurveda Weltkongress, bedankten sich bei den internationalen Deligierten und sprachen sich für ein Vorantreiben der Globalisierung des Ayurveda aus.

Aus westlicher Sicht wurde ich dazu aufgerufen, noch ein paar Worte an das Auditorium zu richten:

... Liebe Ayurveda Familie, obwohl ich westliche Schulmedizinerin bin, schlägt mein Herz seit fast 20 Jahren für Ayurveda. Dr. Ranade war mein erster Lehrer. Er versuchte damals mich zu unterrichten. Auf Grund meiner Vorbildung wollte ich bereits am 2. Tag wissen, wie ich Erkrankungen mit Hilfe der Ayurveda-Medizin heilen kann. Die Antwort von Dr. Ranade war immer die Gleiche und auch in der darauf folgenden Zeit "ich müsste erst einmal die "Basic Principles" erlernen, um die Ursache der Erkrankung zu verstehen und behandeln zu können". Mit aller mir möglichen Geduld wartete ich auf „tag 4“ (d.h. einige Monate) der Ausbildung und fragte erneut nach den Therapiemöglichkeiten einzelner Erkrankungen.
Leider erwartete mich immer wieder die gleiche Antwort von Dr. Ranade. Meine Ungeduld war derart, dass ich Dr. Ranade verließ und mich an die Universität von Kalkutta, Prof. Debnath, gewandt habe, von dem ich mir erhoffte, endlich mehr über die Geheimnisse der Ayurveda-Therapie zu erlernen. Doch nichts dergleichen fand statt. Auch er gab mir keine befriedigenden Hinweise auf ayurvedische Verschreibungen, im Gegenteil, er beharrte noch stärker darauf, zunächst die Basic Principles zu erlernen (Anm.: die Professoren auf dem Podium begannen nun immer mehr zu schmunzeln). In der Zwischenzeit, nach vielen Geduld abverlangenden Studien, behandle ich in meiner, im Westen ziemlich erfolgreichen Praxis einfache Erkrankungen, Tumorerkrankungen und chronisch kranke Patienten. Ich habe mich nicht, wie hier mehrfach gefordert, der Präventivmedizin, sondern fast ausschließlich der heilenden Ayurveda-Medizin verschrieben ...

Damit Ayurveda eine globale Zukunft haben kann, bitte ich hiermit die Lehrkräfte Indiens, uns den Einstieg als Ärzte in die Ayurveda-Medizin zu erleichtern, indem sie auch die Sprache der westlichen Medizin bei ihrem Untericht zu verwenden. Wir im Westen sind inzwischen bereit, die Basic Principles zu erlernen und die Studien zu vertiefen. Bitte unterstützen Sie uns hierbei. Lassen Sie uns gemeinsam an unseren Händen fassen, um einen Riesenschritt für Ayurveda und dessen Globalisierung zu tun. (Anm.: es wurde heftig geklatscht, da ich während meines Vortrags die Vorurteile der Inder westlichen Ärzten gegenüber bedient hatte).

Alles in allem war es für mich eine sehr gelungene Veranstaltung.


 


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