Status: Nicht angemeldet

Ayurveda- der wissenschaftliche Hintergrund (4)

Ayurveda- der wissenschaftliche Hintergrund (4)

von Dr. E.P.Jeevan (B.A.M.S.) Der vorliegende Artikel befaßt sich in 10 Kapiteln mit dem wissenschaftlichen Hintergrund von Ayurveda. Lesen Sie im Folgenden den 4. und letzten Teil mit den zwei Kapiteln: 9. Die ayurvedische Konsultation 10. Die Diagnose im Ayurveda

Inhaltsverzeichnis (1.- 4.Teil)

1. Ayurveda- der wissenschaftliche Hintergrund
2. Die Krankheitsentstehung
3. Das Behandlungsziel
4. Unterschiede zur herkömmlichen Pflanzenheilkunde 6
5. Der ayurvedische Behandlungsablauf
6. Ayurveda als Kunst
7. Krankheitsbilder aus der Sicht der Doshas- und Dathus-Theorie
8. Die Prinzipien der Medizin

9. Die ayurvedische Konsultation
10. Die Diagnose im Ayurveda

 

9. Die ayurvedische Konsultation

Worin liegt der Unterschied zwischen der schulmedizinischen und der ayurvedischen Konsultation?

Das Hauptziel der schulmedizinischen Konsultation liegt in der Diagnoseerstellung, also Krankheiten zu erkennen und zu benennen. Die schulmedizinische Konsultation befasst sich hauptsächlich mit chemischen und physikalischen Untersuchungen (z.B. Bestimmung der Blutwerte, Ultraschall usw.) die feststellen sollen, welche Organe erkrankt sind und inwieweit die Erkrankung fortgeschritten ist.
Es zeigt sich in der Praxis, dass Patienten willkürlich therapiert werden.

Das Hauptziel der ayurvedischen Konsultation hingegen liegt in der ganzheitlichen Betrachtung des Patienten und in der ausführlichen Untersuchung der Ursache der Erkrankung. Folgender Vers zeigt die ganzheitliche Vorgehensweise in der Untersuchung des Patienten:

DARSANA PRASNA SAMSPARII PAREEKSHETA CHA ROGINAM
Beobachte und betrachte, befrage und untersuche den Patienten.


Um die Erkrankung besser verstehen zu können und die Ursache festzustellen, werden folgende Kriterien untersucht:

  • die Untersuchungsergebnisse noch nicht eindeutig sind
  • der Patient lediglich unter funktionellen Beschwerden leidet
  • der Patient über subjektive, nicht nachweisbare Beschwerden klagt

Anhand eines Beispieles soll die unterschiedliche Vorgehensweise am Beispiel Diphtherie gezeigt werden:
Stellt ein Schulmediziner nach der Untersuchung des Halses fest, dass dieser entzündet ist und mit einem Belag bedeckt ist, wird er einen Abstrich zur Laboruntersuchung schicken. Aufgrund der festgestellten Diagnose „Diphtherie“ wird er entweder ein Serum injizieren oder ein antiseptisches Gurgelmittel verabreichen. Zehn Patienten mit der gleichen Diagnose „Diphtherie“ bekommen die gleiche Behandlung.
Im Unterschied dazu berücksichtigt Ayurveda die Unterschiedlichkeit der einzelnen Patienten, in Bezug auf ihre Symptome, Konstitution, und Lebensweise. Die Symptome unterscheiden sich von Person zu Person. Bei der sog. Diphtherie kann eine Person an Juckreiz, die andere Person an einem brennenden oder stechenden Schmerz im Hals leiden. Gleichsam kann es Unterschiede an der Halsflora geben, wobei der eine an Trockenheit, der andere eine übermäßige Schleimproduktion im Hals leidet. Auch die Farbe der Schleimhäute können unterschiedlich sein angefangen von rot bis hin zu gelb, weiß oder schwarz. Manche Patienten verstärken ihren Schmerz durch die Einnahme von kaltem und andere durch warmes Wasser.
Berücksichtigt werden auch saisonale Schwankungen der Schmerzintensität der Patienten. Anhand der Symptome können spezielle Pflanzen oder Pflanzenkombinationen, die erhitzende oder kühlende Eigenschaften besitzen, ausgewählt und mit dem geeigneten Medium verabreicht werden. Im Ayurveda wird ein individuelles Heilmittel zusammengestellt, das nicht nur die Krankheit bekämpft, sondern vor allem auf die Ursache der Erkrankung wirkt.

Befragung des Patienten
Die Befragung des Patienten dient zur Erstellung einer therapeutischen und nicht pathologischen Diagnose.
Im Befragungsablauf sollten direkte Fragen vermieden werden.
„Ja-, und Nein-Antworten des Patienten zeigen, dass die Frage schlecht formuliert wurde.
Lass den Patienten zunächst erzählen und höre zu.
Beobachte die Art und Weise, wie er seine Symptome beschreibt.
Dränge niemals den Patienten, sich zu beeilen.
Entwickle eine Befragungsform, die beständig bleibt.
In der Praxis haben sich u.a. folgende Fragen bewährt:

Wie lange leiden Sie schon an diesem Symptom?
Haben Sie bemerkt, dass sich ihre Symptome zu den verschiedenen Jahreszeiten oder Tageszeiten verändern?
Können Sie beschreiben, wie sich ihr Schmerz anfühlt z.B. brennend, ziehend oder klopfend?
Wie sind ihr Appetit und ihr Stuhlgang?
Wie häufig ist Ihr Stuhlgang?
Wie schauen ihre Ernährungsgewohnheiten aus?
Neigen sie eher zu Verstopfung oder Durchfall?
Haben Sie Hämorrhoiden?
Wie ist ihre Menstruation? Mit dunklem Blut ? Regelmäßig- unregelmäßig
Welche Medikamente nehmen Sie momentan ein?
Welche Geschmacksrichtungen bevorzugen Sie?
Welches Klima bevorzugen Sie?
Wie ist ihr Schlafverhalten?
Was für Träume haben Sie? Alpträume; Flugträume…..
Haben Sie gelegentlich Atembeschwerden; Kopfschmerzen, Sinusitis?
Neigen Sie zu trockener oder eher fettiger Haut?
Haben Sie Operationen hinter sich? Wenn ja, welche?

Um eine erfolgreiche Prognose machen zu können, benötigt der Arzt Kenntnis über die

  • die gestörte Funktion (z.B. Lebererkrankung)
  • die Krankheitsentwicklung
  • Details, die zur Krankheitsentstehung beigetragen haben z.B. Lebensführung, Unfälle
  • die Unterschiedlichkeit der Symptome von Patienten, die an der gleichen Erkrankung leiden

Was ist eine Tridosha-Diagnose?
In der Tridosha-Diagnose soll herausgefunden werden, welches Dosha aus dem Ungleichgewicht geraten ist.
Abbildung 3 zeigt die Merkmale, die auf ein Dosha-Ungleichgewicht hinweisen:

  • Tridosha Diagnose
  • den Giftstoffanteil (Ama) im Gewebe
  • die Konstitution des Patienten
  • die Grundlage der Erkrankung (Vata-,Pitta-, Kapha-Störung)
     

10. Die Diagnose im Ayurveda

Im Ayurveda soll mit Hilfe der Diagnose festgestellt werden, welches Dosha gestört ist und welches Gewebe betroffen ist. Als Hilfsmittel zur Diagnosestellung dienen dem Ayurveda-Arzt die Konstitution des Patienten, die Art und Qualität der Symptome, die Kraft des Verdauungsfeuers, jahreszeitliche Schwankungen und der Tagesrhythmus sowie der Charakter des Pulses.
Die Diagnoseerstellung und die Behandlung der Erkrankung des Patienten sind individuell. Im Ayurveda werden die einzelnen Krankheitsstadien berücksichtigt. Dazu gibt es eine Bandbreite an Möglichkeiten, die unterschiedlichsten Gesundheitsstadien festzustellen anhand der persönlichen Konstitution und auf dieser Basis wird eine Therapie verordnet, die auf die Person zugeschnitten ist.


10.1 Diagnostische Techniken

Die diagnostischen Techniken werden angewandt, um die Krankheit und den Patienten zu untersuchen.
Es gibt fünf Faktoren, die helfen, eine Krankheit zu analysieren und zu erkennen:

Ursachen der Krankheit (Nidana)
Die Kenntnis über die Ursachen einer Erkrankung hilft, die Krankheit zu verstehen, die passenden Heilverfahren auszuwählen und folglich eine Wiedererkrankung zu verhindern. Bleiben die Ursachen nach Therapiebeginn bestehen, wird das Behandlungsergebnis schlecht ausfallen und die Erkrankung erneut auftreten. Erst durch ein gründliches Verständnis der Ursachen kann die Erkrankung beseitigt werden und die Heilung unterstützt werden. Die Bandbreite der Ursachen umfasst alle Faktoren, welche die Doshas aus dem Gleichgewicht bringen wie z.B. ein der Konstitution unpassender Lebensstil.

Vorzeichen (Purvaroopa)
Die Vorzeichen müssen behandelt werden, um eine Festsetzung der Krankheit zu verhindern oder zumindest um die Symptome der bestehenden Krankheit zu lindern. Sie sind Warnungen und Hinweisgeber, bevor sich die Krankheit im Körper richtig festgesetzt hat. Zu den Vorzeichen gehören diffuse Symptome, die noch keiner festgesetzten Krankheit zugeordnet werden wie z.B. Blähungen, Verstopfung.

Hauptsymptome (Roopa)
Hauptsymptome zeigen sich, wenn die Krankheit sich festgesetzt hat. Sie geben Auskunft darüber, welche Doshas an der Krankheitsentstehung beteiligt sind und wie ausgeprägt und behandelbar eine Krankheit ist.

Untersuchende Therapie (Upasaya)
In der experimentellen Therapie wird mit Hilfe medizinischer, diätetischer und die tägliche Routine bezogene Maßnahmen festgestellt, um welche Erkrankung es sich handelt. Diese Maßnahmen wirken entweder direkt auf die Krankheitsursache oder sie erzeugen Linderung. Anhand der Wirkung solcher Maßnahmen (z.B. Linderung der Symptome) können nicht eindeutig diagnostizierbare Erkrankungen erkannt werden Beispiel: Eine Schwellung, die durch Behandlung von Ölmassagen und von Wärme erzeugenden Substanzen zurückgeht, beruht auf einer Vata-Störung.

Entstehung und Verlauf von Krankheit (Samprapti)
Unter dem Begriff Pathogenese (Samprapti) werden die Entstehung und der Verlauf von Krankheit verstanden. Folglich umfasst der Begriff Samprapti das Dosha-Ungleichgewicht als Ursache, den Entstehungsort und die Art und Weise der Ausbreitung der Erkrankung im Körper.


10.2 Die Zehn-Punkte-Untersuchung

Um den Patienten mit seinen persönlichen Merkmalen zu verstehen, werden 10 wichtige Kriterien untersucht (vgl.Abbildung 4):

  • Ursachen der Krankheit (Nidana)
  • Vorzeichen (Purvaroopa)
  • Hauptsymptome (Roopa)
  • Untersuchende Therapie (Upasaya)
  • Entstehung und Verlauf von Krankheit (Samprapti)

Konstitution des Körpers (Prakrti) Die Konstitution des Körpers ist durch die genetische Information festgelegt. Die vorherrschenden Doshas prägen die Konstitution des Körpers während der Entwicklung des Fötus (Prakrti). Die Ausprägungen können Vata, Pitta, Kapha, Vata-Pitta, Vata-Kapha, Pitta-Kapha oder Vata-Pitta-Kapha (Samdosha) sein.

Krankheitszustand (Vikrti) Vikriti beschreibt den krankhaft veränderten Zustand der Doshas. Jede Erkrankung beruht auf ein Ungleichgewicht der Doshas. Das ins Ungleichgewicht geratene Dosha erzeugt die Erkrankung und die für das Doshas typischen Symptome. Die Symptome einer Erkrankung müssen untersucht werden, um den Krankheitszustand, die Ursachen der Erkrankung, die betroffenen Körpergewebe und Doshas festzustellen. Auf diese Weise kann die Krankheit im Ganzen erfasst werden. Die Erfassung des Krankheitszustandes beruht auf die Krankheitsgeschichte des Patienten und auf die Erfahrung und das Wissen des Arztes.

Die Vitalkraft der Gewebe
Nach der Ayurvedischen Lehre existieren im weiteren Sinne sieben Gewebearten.
Der Zustand der Gewebearten wird an Körperstellen untersucht, die für das jeweilige Gewebe spezifisch sind. Folgende Beispiele zeigen die Merkmale, an denen der gesunde Zustand von den sieben Gewebearten erkannt werden kann:

Rasa
Den Zustand von Rasa (Plasma) ermittelt der Arzt durch die Eigenschaft der Haut (tvak) und Haare z.B. Weichheit, klares Hautbild, dichter, feiner oder kurzer Haarwuchs. Eine gesunde Haut hat eine glänzende Erscheinung.

Rakta
Rakta (Blut) bewertet der Arzt durch den Zustand von Augen, Mund, Zunge, Lippen, Nägel, Handflächen und Fußsohlen.

Mamsa
Ein gesunder Zustand von Mamsa (Muskelfleisch) zeigt sich durch das Vorhandensein von kräftigem und festem Muskelfleisch am gesamten Körper z.B. Schläfen, Stirn, Nacken, Augen, Schultern, Bauch, Arme, Brust, Kiefer und Wangen

Meda
Ein gesunder Zustand von Meda (Fettgewebe) zeigt sich durch das geschmeidige Aussehen von Augen, Nägel, Haare, Lippen, durch gesunde Zähne und durch einen guten klang der Stimme.

Asthi
Ein gesunder Zustand des Asthi (Knochengewebe) zeigt sich durch biegsame und feste Nägel, Knie, Fußgelenke und andere Gelenke sowie durch feste Zähne.

Majja
Ein gesunder Zustand von Majja (Knochenmark) zeigt sich durch ein gutes und kräftiges Aussehen sowie durch kräftige, runde und stabile Gelenke.

Sukra
Ein gesunder Zustand von Sukra (Fortpflanzungsgewebe - Samen- und Eizellen; die Immunität) zeigt sich durch ein gesundes und kräftiges Auftreten, durch gleichmäßige, nahe beieinander stehende und feste Zähne sowie einen guten Klang der Stimme.


Ort (Desa)  Der Lebensraum des Patienten spielt eine wichtige Rolle für die Diagnose der Erkrankung. Manche Krankheiten entstehen durch das Klima des Lebensraumes. Anupa desa (eine feuchte Region) beispielsweise erhöht das Kapha-Dosha und Jangala (trockene, wüstenähnliche Region) erhöht das Vata-Dosha.
Körperkraft (Bala)  Die Körperkraft muss bei der Verordnung von medizinischen Präparaten und Behandlungen berücksichtigt werden.
Zeit (Kala)  Die biologische Uhr muss bei der Diagnosestellung berücksichtigt werden.

Um ein Dosha-Ungleichgewicht zu ermitteln, wird die Uhrzeit, in welcher die Krankheitssymptome verstärkt auftreten, beobachtet (vgl. Abbildung 5).

Verdauungskraft (Ahara sakti) Die Beurteilung der Verdauungskraft des Einzelnen geschieht durch die Beobachtung der Aufnahme-, und Verdauungsfähigkeit von Nahrung. Anzeichen wie z.B. Müdigkeit, Blähungen nach dem Essen deuten auf eine geringe Verdauungskraft hin.

 

Altersstufe (Vaya)

 

Das Alter gibt Schlüsselinformationen für die Diagnosestellung und Behandlung. Eine Reihe von Erkrankungen und Dosha-Störungen hängen mit dem jeweiligen Alter zusammenhängen, daher wird das Alter in der ayurvedischen Untersuchung berücksichtigt. Man unterscheidet drei Altersstufen: Kindheit (Kapha), mittleres Alter (Pitta) und hohes Alter (Vata).

Psychische Konstitution (Sattva) Die psychische Konstitution (Sattva) bezieht sich auf den Geist, der den Körper kontrolliert und mit der Seele (Atma) in Verbindung steht. Nach der ayurvedischen Auffassung enthält die Psyche die drei Eigenschaften (Gunas): Sattva, Rajas und Tamas. Danach werden drei psychische Konstitutionen unterschieden. Überwiegt die sattvische Eigenschaft verfügt die Person über eine hohe psychische Kraft. Bei einer Dominanz von Rajas verfügt die Person über eine mittlere psychische Kraft. Bei einer Dominanz von Tamas verfügt die Person über eine niedrige psychische Kraft. Anders ausgedrückt: Je nach psychischer Stärke spricht man von einem hohen, einem mittleren und einem niedrigen Sattva-Anteil.

Zuträglichkeit (Satmya) Die Bezeichnung Satmya umfasst alle Substanzen, die dem Körper zuträglich sind. In diesem Zusammenhang unterscheidet man zwei Personengruppen. Die erste Personengruppe ist stark. Sie kann alle Nahrungsmittel verdauen und verträgt alle Geschmacksrichtungen (Rasa). Die zweite Personengruppe ist im Allgemeinen schwächlich und nicht anpassungsfähig. Sie kann nur bestimmte Nahrungsmittel verdauen und verträgt nur vereinzelte Geschmacksrichtungen (Rasa).

Das Krankheitsstadium (Avastha) Im Ayurveda werden sechs Krankheitsstadien unterschieden, die den Überbegriff Kriyakala haben. Im literarischen Sinne bedeutet Kriyakala die Behandlungsdauer oder „die Zeit zum Handeln“. Der Begriff Kala bezieht sich auf das Kankheitsstadium (Zeit) und der Begriff „Kriya“ bezieht sich auf die Handlung. Die Handlung umfasst medizinische, diätetische oder den Lebensstil bezogene Maßnahmen, die darauf abzielen das Dosha-Gleichgewicht wiederherzustellen. Folglich kann Kriyakala als der richtige Behandlungszeitpunkt verstanden werden. Werden die Doshas in ihrem ersten Stadium beruhigt, dann wird der Krankheitsprozess unterbrochen. Unbehandelt wird das Ungleichgewicht der Doshas weiter gefördert und der Krankheitsprozess erreicht die nächsten Krankheitsstadien.


Die sechs Krankheitsstadien
In der Krankheitsentstehung werden sechs Stadien differenziert (vgl. Abbildung 6):

1. Sanchaya Stadium (Akkumulation)
In diesem Stadium findet eine Ansammlung von gestörtem Dosha am ihren spezifischen Orten (z.B. Vata in Dickdarm (Verstopfung), Pitta in Magen (Sodbrennen) und Kapha in Lunge (Verschleimung) statt. Begleitet wird dieses Stadium durch milde und diffuse Symptome. Die Symptomatik hängt von dem gestörten Dosha ab z.B. ein Völlegefühl im Darmbereich entspricht einer Vata-Ansammlung; gelbliche Körperstellen entsprechen einer Pitta-Ansammlung; eine niedrige Körpertemperatur und Lethargie entspricht einer Kapha-Ansammlung. Während dieses Stadiums zeigt sich eine Abneigung gegen ähnliche Dinge und eine Anziehung zu gegensätzlichen Dingen. Die Behandlung sollte sobald sich spezifische Symptome zeigen, angefangen werden. Auf diese Weise können Komplikationen vermieden werden.

2. Prakropa-Stadium (Reizung)
Die angesammelten Doshas werden „gereizt“. Solch eine Reizung kann durch einen Jahreszeitenwechsel oder durch ein ungünstiges Verhalten verursacht werden. Beispiel: Eine Person die an Magenverstimmung leidet kann durch eine fortgeführte schlechte Nahrungsaufnahme eine akute Reizung des Magens bekommen.

3. Prasara-Stadium (Ausbreitung)
Der Begriff Prasara bedeutet Ausbreitung. In diesem Stadium verlassen die angesammelten und gereizten Doshas ihre spezifischen Orte und breiten sich in anderen Körperregionen (z.B. Organe) aus. Es kann sich ein Dosha oder eine Kombination aus zwei oder drei Doshas ausbreiten. Die angesammelten, gereizten Doshas wandern durch den Körper und lassen sich an einer bestimmte Stelle nieder, wo sie Krankheiten erzeugen.

4. Sthana Samsraya-Stadium (Festsetzung)
Das ist das Frühstadium einer Erkrankung, in dem sich die wandernden Doshas in einem bestimmten Gewebe, Organ oder System festsetzen und dort den Boden für eine Erkrankung schaffen. Beispiel: Doshas, die sich im Abdomen festsetzen, können Verstopfung, Diarrhoe, Geschwüre und Erkrankungen in der Leber, Milz und in anderen abdominalen Organen hervorrufen. Doshas, die sich im Urinaltrakt festsetzen können dort Infektionen, Nierensteine und Diabetes mellitus (Meha) verursachen.

5. Vyakti-Stadium (Manifestation)
In diesem Stadium zeigt sich die typische Symptomatik einer manifestierten Erkrankung z.B. Ödeme (Sopha), Fieber (Jvara) oder Diarrhoe (Atisara)

6. Bheda-Stadium
In diesem Stadium erfolgt die Differenzierung, ob eine Erkrankung chronisch oder unheilbar wird. Im Normalfall bekämpft der Abwehrmechanismus des Körpers eine Erkrankung erfolgreich. Ist dies nicht der Fall können Komplikationen auftreten. Das Bheda-Stadium hilft zum einen Prognosen zu erstellen und zum anderen zeigt es, ob Krankheiten, die dieses Stadium erreicht haben, bereits die Bildung anderer Krankheiten provoziert haben.

Allgemein
Die Gesundheit kann bis zum Prakopa-Stadium wieder vollkommen wiederhergestellt werden. Durch angemessene Maßnahmen kann ein Dosha-Gleichgewicht erreicht werden. Manchmal kommt es zu spontan Remissionen (Prashama), da die Doshas durch die Jahreszeiten und die Uhrzeiten beeinflusst werden.
Beispiel: Während der Regenzeit erfolgt das Sanchaya-Stadium (Akkumulation) von Pitta, das Prakropa-Stadium (Reizung) setzt im Herbst ein und im Winter folgt das Prasara-Stadium (Ausbreitung). Die entscheidende Zeitpunkt für eine Spontanremission liegt zwischen dem Prakropa-Stadium und Prasara-Stadium. Je nach Ausprägung der Reizung kann eine Spontanremission erfolgen oder der Krankheitsprozess setzt sich in das Prasara-Stadium fort.

Die genaue Untersuchung der Kriyakala-Stadien ist eine wichtige Hilfestellung, um das Phänomen Krankheit zu verstehen und um eine frühzeitige Diagnose stellen zu können und um dem Patienten mit den passenden präventiven und kurativen Maßnahmen zu helfen.


10.3 Die Acht-Punkte-Untersuchung (Astavidha Pariksha)

Die Acht-Punkte-Untersuchung umfasst folgende Untersuchungsschritte (vgl. Abbildung 7):

 

1. Pulsdiagnose (Nadi Pariksha)


Anhand der Pulsdiagnose wird der normale und veränderte Pulszustand gemessen. Der normale Pulszustand entspricht der eigenen Grundkonstitution (Prakrti) und der veränderte Puls zeigt eine Störung (Vikrti) oder den veränderten Zustand an. Die Pulsmessung wird an der Arteria radialis kurz unterhalb des Daumenwurzels durchgeführt. Im Normalfall ist der Puls weder schnell noch langsam sondern gleichmäßig und stark. Bei einer Dosha-Verstärkung zeigen sich unterschiedliche Pulstypen:

  • Bei einer Vata-Verstärkung ist der Puls unregelmäßig, er pocht kreuz und quer vergleichbar mit dem „Schlängeln“ einer Schlange
  • Bei einer Pitta-Verstärkung springt der Puls wie ein hüpfender Frosch
  • Bei einer Kapha-Verstärkung ist der Puls langsam und schreitet dahin wie ein Schwan
  • Ein Puls, der verschiedene Doshas vereint, zeigt die kombinierten Merkmale.


2. Urindiagnose (Mutra Pariskha)

Anhand der Urindiagnose kann die Dosha-Beteiligung einer Erkrankung festgestellt werden. Die Farbe des Urins gibt die Hinweise, welches Dosha an der Krankheit beteiligt ist.

  • Ein erhöhtes Vata zeigt sich durch einem hellen Urin
  • Ein erhöhtes Pitta zeigt sich durch einem dunkelgelben Urin
  • Ein erhöhter Kapha zeigt sich durch einem hellen, trüben Urin

Eine andere Diagnosemethode des Urins ist das Taila bindu Pariskha. Es wird ein Öltropfen in die Urinprobe gegeben. Nach der Traditionellen Anschauung wird folgendes interpretiert:

  • Breitet sich das Öl auf der Oberfläche des Urins aus, dann ist die Krankheit leicht behandelbar
  • Bleibt der Tropfen auf der Oberfläche bestehen, dann ist die Krankheit schwer heilbar
  • Sinkt der Tropfen nach unten, handelt es sich um eine unheilbare Krankheit

3. Stuhldiagnose (Mala Pariksha)

Ein gesunder Zustand des Stuhls (Nirama) zeigt sich dadurch, dass er weder zu hart noch zu wässrig in seiner Konsistenz ist und auf der Wasseroberfläche schwimmt. Wenn die Verdauungskraft und Absorption der Nährstoffe gering ist (Sama) dann hat der Stuhl einen fauligen Geruch und sinkt auf den Toilettenboden. Dies kann ein Anhaltspunkt für gastrointestinale Erkrankungen sein. Der Stuhl gibt ebenfalls Hinweise, welches Dosha an einer Erkrankung beteiligt ist.

  • Bei einer Vata-Erhöhung ist der Stuhl hart und trocken
  • Bei einer Pitta-Erhöhung grünlich oder gelblich sowie wässrig
  • Bei einer Kapha-Erhöhung weißlichen und mit Schleim vermischt

4. Zungendiagnose (Jihva Pariksha)

Das Aussehen der Zunge ist durch die Dosha-Verteilung festgelegt.

  • Bei einer Vata-Erhöhung ist die Zunge trocken, rau und rissig
  • einer Pitta-Erhöhung rot, heiß und brennt
  • bei einer Kapha-Erhöhung sehr feucht, schleimig und weist einen weißen Belag auf

Auch die Verdauungskraft kann durch die Farbe der Zunge festgestellt werden. Eine Zunge, die

  • Schwarz und grau ist zeigt eine Vata-Erhöhung an
  • Gelb oder rot ist, zeigt eine Pitta-Erhöhung an
  • einen weißen Belag hat, zeigt eine Kapha-Erhöhung an

5. Untersuchung der Stimme (Sabda Pariksha)

Der Klang der Stimme wird bei einem Dosha-Gleichgewicht einen schönen, natürlichen Klang haben. Bei einem Dosha-Ungleichgewicht zeigen sich folgende Veränderungen:

  • Bei einer Kapha-Verstärkung wird die Stimme tief sein
  • bei einer Pitta-Verstärkung höher
  • bei einer Vata-Verstärkung rau und heiser

6. Untersuchung der Haut (Sparsa Pariksha)

Die Palpation (Untersuchung durch Betasten) ist ein wichtiger Bestandteil sowohl der klinischen Untersuchung als auch der Untersuchung der Haut. Die Palpation dient neben der Untersuchung von Organen und Geweben auch zur Feststellung der Dosha-Verteilung.

  • Bei einer Vata-Verstärkung fühlt sich die Haut kühl, trocken und rau an
  • bei einer Pitta-Verstärkung warm
  • bei einer Kapha-Verstärkung kühl und geschmeidig

7. Augendiagnose (Drka Pariksha)

  • Bei einer Vata-Verstärkung sind die Augen eingefallen, trocken und rötlich-braun in der Farbe
  • bei einer Pitta-Verstärkung rötlich, gelblich und ein brennendes Gefühl sowie Lichtempfindlichkeit
  • bei einer Kapha-Verstärkung sehr wässrig mit schweren Lidern

8. Untersuchung des Aussehens (Akrti Pariksha)

Die Dosha-Verteilung zeigt sich am Gesicht des Patienten, woraus wertvolle Informationen sowohl über die Grundkonstitution als auch über eine gegebene Erkrankung des Patienten gewonnen werden können.
 

10.4 Untersuchung der Sinnesorgane (Indriya Pareeksha)

Die Untersuchung der fünf Sinnesorgane stellt einen wichtigen Untersuchungspunkt dar, weil die fünf Sinnesorgane mit den fünf Elementen verbunden sind. Bei einer Krankheitsentstehung zeigen sich in dem entsprechenden Sinnesorgan Symptome, die auf eine Erkrankung hinweisen.

  • Bei einer Vata-Verstärkung ist die Haut trocken und Ohrgeräusche können entstehen
  • Bei einer Pitta-Verstärkung können ein brennendes Gefühl in den Augen oder andere Augenkrankheiten auftreten
  • Bei einer Kapha-Verstärkung zeigen sich bestimmte Symptome (z.B. Belag) an der Zunge und verschleimte Nase

Gesunde Sinnesorgane sind ein Zeichen für eine ausgeglichene Tridosha-Funktion.

Autor: Dr. Jeevan, www.ayurveda-care.de

Übersetzung und Lektorat: Dipl. oec. troph. Maria Palankov

 

Lesen Sie auch die anderen 3 Teile dieses Artikels:

Teil 1 über die Krankheitsentstehung im Ayurveda

Teil 2 unterr anderem über das ayurvedische Behandlungsziel und Behandlungsablauf

Teil 3 unter anderem über die Krankheitsbilder im Ayurveda aus der Sicht der Doshas- und Dhatus-Theorie

 

 


Cookie Consent mit Real Cookie Banner