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Ess-Störungen

18.10.2005 | von Bettina Koch. Immer mehr Menschen, vor allem Frauen, leiden an Ess-Störungen: Magersucht, Eß-Brechsucht und Esssucht. Der natürliche Umgang mit dem Essen geht verloren. Lebensmittel, die gedankliche Beschäftigung mit Essen und die Fixierung auf körperliche Perfektion und Selbstkontrolle werden zum Lebensinhalt.

Ursachenbereiche, Behandlungsmöglichkeiten und Einsatz des Ayurveda

Lebensmittel werden zum Lebensinhalt

Im süchtigen, unnatürlichen Essverhalten gerät der Umgang mit der Nahrungsaufnahme außer Kontrolle. Alle Gedanken kreisen nur noch ums Essen. Es wird ebenso wie das Nichtessen eingesetzt, um Gefühlen des Unwohlseins, der Unlust und des eigenen Defizits zu entkommen: Angst, Schmerz, Trauer, Freude, Sehnsucht - aufkommende Gefühle werden innerlich abgewehrt. Essstörungen sind seelisch bedingte Störungen; dahinter verbergen sich tiefer liegende persönliche Probleme, die die Betroffenen meist nicht aus eigener Kraft bewältigen können, sondern professionelle Hilfe benötigen.

Essstörungen stellen einen Bewältigungsversuch dar, mit einem inneren oder familiären Konflikt umzugehen. Die Ursachen der Erkrankungen sind vielfältig und individuell zu betrachten.
Die folgenden Bereiche spielen eine wesentliche Rolle:


Die Seele hungert

Psychische Faktoren
Essstörungen sind auf der intrapsychischen Ebene häufig Ausdruck von frühkindlichem Mangel an Bindung, sicherem Halt, Berührt- und Getragen werden. Die Kommunikation zwischen Baby und Mutter geschieht überwiegend auf der körperlichen Ebene, d.h. seelisches und körperliches Wohlbefinden sind eng miteinander verknüpft. Gibt es in der Verbindung zwischen Mutter und Baby wiederholte Irritationen oder Mangelzustände, kann das Kind keine sichere Bindung zur Mutter und zu sich selbst aufbauen. Die eigene spontane, körperliche Lebendigkeit wird immer mehr aufgegeben, zugunsten vielfältiger Kontrollmechanismen.

Das Selbstwertgefühl der Betroffenen ist instabil und die Selbstwahrnehmung verzerrt. Sie haben zumeist ein geringes Identitätsgefühl und neigen zur abhängigem Verhalten. Selbständigkeitsbestrebungen (z.B. Auszug aus dem Elternhaus) sind stark Angst besetzt. Der wahre, emotionale Hunger nach Nähe, Zuwendung, Verständnis, bedingungsloser Liebe und Geborgenheit bleibt ungestillt.
So sind Essstörungen u.a. der Versuch, Kontrolle über sich, die eigenen Gefühle und den eigenen Körper zu erlangen, um sich vor den frühkindlichen Schmerzen zu schützen wie:

Ich bin bedürftig

und bekomme nichts
und bekomme viel zu viel
und bekomme das Falsche

 

Familiäre Faktoren:
Oft handelt es sich um nach außen intakte, scheinbar „funktionierende“ Familien, wobei die Tochter zur „Symptomträgerin“ wird und so unbewusst auf die gestörten Beziehungen oder (Kommunikations-) Probleme in der Familie hinweist. Meist geht es dabei um Themen wie hohe Leistungs- und Perfektionsansprüche, Abgrenzungs- / Ablöseproblematik, Kontrolle und Überbehütung, Unechtheit in der Kommunikation und Konfliktvermeidung.
Ein Symptom unserer Zeit

Soziokulturelle Faktoren:
Frauen greifen eher zu legalen, gut zu verheimlichenden Suchtmitteln, mit denen sie weiter „im Außen“ funktionieren können. Sie richten unterdrückte Wut und Aggressionen eher gegen sich selbst (Hungern, Erbrechen, Selbstverletzung), da es ihnen nicht möglich ist, diese Gefühle direkt auszudrücken. Essstörungen werden als die „Sucht der Braven“ bezeichnet.
Zunehmend widersprüchliche Rollenerwartungen verunsichern Frauen: einerseits orientieren sie sich immer stärker an männlichen Normen (Karriere, Erfolg, Unabhängigkeit), andererseits gibt es weiterhin Erwartungen an ihre weibliche Rolle z.B. die Bedürfnisbefriedigung in der Familie. Essanfälle, Diäten, Hungern und Gewichtsreduzierung können in diesem Zusammenhang die Bedeutung bekommen, die innere Zerrissenheit und Orientierungslosigkeit auszugleichen, Gefühle von Druck und Angst abzubauen.


„Schlankweg ungesund“

Schlankheitsideal:
Schlankheit bedeutet in unserer Gesellschaft Schönheit, Fitness, Attraktivität, Erfolg und Perfektion. Das Selbstwertgefühl von Frauen ist sehr eng mit Körperzufriedenheit verknüpft. Das gegenwärtige Schlankheitsideal regt zu ständiger Körperkontrolle an, vermittelt Frauen, sie können nicht knabenhaft und dünn genug aussehen und ist zum regelrechten Wahn geworden. Ein schöner, schlanker und perfekter Körper ist das Statussymbol der heutigen Zeit und wird zur Projektionsfläche, mit der man Konflikte unterdrücken und kompensieren kann. Mädchen und Frauen leiden an einer Entfremdung von ihrem eigenen Körper und versuchen einem Ideal zu entsprechen, dass weder schön, gesund noch lebendig ist.

Gerade während der Pubertät haben die Medien einen großen Einfluss auf die Mädchen und jungen Frauen. Entspricht das eigene Aussehen nicht dem Zeitschriften- oder Vorabend-Soap-Ideal, steigt die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper, was ein wesentlicher Vorläufer von Ess-Störungen ist, besonders dann wenn es mit persönlichen, intrapsychischen Aspekten wie z.B. Minderwertigkeitsgefühlen oder mangelndem Selbstwert zusammen fällt.

Ein immenser sozialer Druck in Richtung auf dieses Körperideal und das daraus resultierende kollektive Diätverhalten haben zur Folge, dass sich das Hungern, insbesondere unter Frauen und Mädchen außergewöhnlich verbreitet hat. Patientinnen berichten mir, dass in der Schule morgens oft als Erstes besprochen wird, wer wie viel wiegt, gerade Diät macht und möglichst noch nicht gefrühstückt hat. Auch ist es für viele Mädchen und junge Frauen heute normal, ihr Essen zu erbrechen, wenn es mal zuviel war. Alle wissen längst um den sogen. Jo-Jo-Effekt und dass Diäten letztlich zur Gewichtszunahme führen. Sie gelten als Einstiegsdroge in krankhafte Essprobleme. Menschen, die eingeschränkt essen oder häufig Abnehmdiäten durchführen sind erheblich stärker gefährdet, eine manifeste Ess-Störung zu entwickeln.


Behandlungswege und -möglichkeiten:

Beim Weg aus einer Ess-Störung reicht es nicht, „normales“ Essverhalten „einzuüben“. Es geht v.a. darum, die Betroffenen zu unterstützen, sich selbst und ihre Bedürfnisse wahrzunehmen, Eigenverantwortung zu entwickeln, die Beziehung zu sich, zum eigenen Körper und zu anderen zu verbessern, sowie ein realistisches und positives Körper- und Selbstbild aufzubauen.
Im Vordergrund steht, dass die Betroffenen lernen, ihre fehl investierte Kraft in Selbstwertgefühl, Eigenverantwortung und Selbstliebe (anstatt Autoaggression) umzulenken. Es ist wichtig, dass sie die individuelle Bedeutung ihrer Erkrankung verstehen und neue Lebensperspektiven für sich finden, um innerlich zu wachsen und in ihrer Persönlichkeit zu reifen. Die Einbeziehung der Familie ist in fast allen Fällen sinnvoll - insbesondere, wenn es sich um junge Mädchen handelt.

Zunächst gilt es in einem Erstgespräch zu entscheiden, ob eine ambulante Therapie angezeigt ist (Einzel-, Gruppentherapie, Selbsthilfegruppe, Familien-/ Paartherapie etc.) oder ein stationärer Aufenthalt in einer Klinik notwendig ist.

Die Verbindung von psychotherapeutischer Behandlung mit symptomorientierten, störungsspezifischen Maßnahmen (Essverhaltenstraining, Ernährungsberatung) verspricht prognostisch den größten Erfolg; diese Elemente sollten zum richtigen Zeitpunkt Bestandteil der Behandlung sein; oft auch erst im Anschluss an die Psychotherapie.

Der Ayurveda bietet hier eine gute Möglichkeit der Neuorientierung in Bezug auf die Ernährungsweise und die Beziehung zum Essen. Zum Einen unterstützt eine ernährungs-medizinische Beratung nach ayurvedischen Richtlinien die Betroffenen darin, eine ihrer Konstitution zuträgliche Ernährung zu entdecken, mit der sie sich körperlich und seelisch wohl fühlen und der sie vertrauen können (dass sie diese Ernährung nicht dick macht). Sie lernen, sich und ihrem Körper etwas Gutes zu tun mit gesunder, vitalstoffreicher, individuell „passender“ Ernährung. Der Ayurveda mit seinem umfassenden Ansatz bewirkt, dass sie sich in ihrem ganzen Wesen gesehen fühlen und diese Art Ernährungs- und Gesundheitsempfehlungen gut für sich umsetzen können.
Es ermöglicht den Betroffenen, die Nahrungsaufnahme mehr und mehr (wieder) als etwas Lebensbejahendes und Kraftspendendes erfahren können.

Die wohltuenden Öl-Massagen fördern den Zugang zu sich und bewirken ein positives Körpergefühl. Die Körperwahrnehmung, die bei Menschen mit Essstörungen stark beeinträchtigt und meist verzerrt ist, verbessert sich deutlich durch die Behandlung mit Abhyangas. Sich ganz auf den eigenen Körper und dessen Wahrnehmung einzulassen, bedeutet auch über die sanfte Berührung, das wohlige Bedeckwerden mit Öl Zugang zu Bedürfnissen und Gefühlen zu bekommen. Oft geht es bei Essstörungen v.a. um Geborgenheit, Wärme, die Sehnsucht sich fallen zu lassen, sich angenommen und gehalten zu fühlen und so geliebt zu werden, wie man ist.

Autorin: Bettina Koch


Praxis für Psychotherapie & Naturheilverfahren
Bettina Koch
Heilpraktikerin, Dipl.- Oecotrophologin
Marktstraße 38, 33602 Bielefeld
Telefon: 0521 / 17 86 25
www.ayurveda-bielefeld.de
www.essstoerungen-bielefeld.de


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