Die Diagnosemöglichkeiten des Ayurveda

Schauen Sie Ihre Zunge im Spiegel an. Beobachten Sie ihre Größe, Form, Umriß, Oberfläche, ihre Ränder und Farbe. Eine blasse Farbe weist auf einen anämischen Zustand oder einen Mangel an Blut im Körper hin. Eine gelbliche Farbe deutet auf überschüssige Gallenflüssigkeit in der Gallenblase oder auf eine Leberstörung hin. Eine blaue Farbe (wenn man nicht gerade Blaubeeren gegessen hat) spricht für eine Erkrankung des Herzens.

Wie die Darstellung zeigt, werden die verschiedenen Bereiche der Zunge den verschiedenen Organen zugeordnet. Wenn bestimmte Zungenareale Verfärbungen, Vertiefungen oder Erhöhungen aufweisen, sind Störungen der jeweiligen Organe gegeben. Sind zum Beispiel Zahneindrücke am Zungenrand zu sehen, ist dies ein Anzeichen für mangelhafte Absorbtionsprozesse im Darm.

Ein Zungenbelag weist auf Toxine im Magen, Dickdarm oder Dünndarm hin. Ist nur der hintere Teil der Zunge betroffen, sind die Toxine im Dickdarm; ein Belag im mittleren Abschnitt der Zunge weist auf Toxine im Magen und Dünndarm hin. Eine Furche in der Zungenmitte ist ein Anzeichen dafür, daß im Bereich der Wirbelsäule Gefühle zurückgehalten werden. Wenn diese Linie Kurven aufweist, ist dies ein Hinweis auf eine mögliche pathologische Abweichung in der Krümmung der Wirbelsäule.

Antlitzdiagnose

Das Gesicht ist der Spiegel des Geistes. Die Linien und Furchen des Gesichtes geben über vieles Aufschluß. Wenn Störungen und Krankheiten gegeben sind, werden die Anzeichen dafür im Gesicht zu sehen sein. Längsfalten der Stirn deuten auf tiefsitzende Sorgen und Ängste hin. Eine stehende Linie zwischen den Augenbrauen auf der rechten Seite zeigt, daß Gefühle in der Leber unterdrückt werden. Eine stehende Linie zwischen den Augenbrauen auf der linken Seite zeigt, daß die Milz der Sitz von aufgestauten Gefühlen ist.
Eine deutliche Schwellung der unteren Augenlider ist ein Anzeichen dafür, daß eine Nierenstörung gegeben ist. Eine schmetterlingsförmige Verfärbung auf der Nase oder den Wangen knapp unterhalb der Nierenregion (siehe Darstellung 7 ) bedeutet, daß der Körper entweder Eisen oder Folsäure nicht aufnimmt und daß die Verdauung aufgrund mangelhaften Agnis nicht richtig arbeitet.

Im allgemeinen kann ein Mensch mit einer Vata-Konstitution nicht zunehmen. Die Wangen werden daher hohl und eingefallen sein. Ein Mensch, der einen verlangsamten Stoffwechsel hat (Kapha-Konstitution) hält Wasser und Fett zurück und hat daher runde, volle Wangen.
Die Form der Nase kann auch einen Hinweis auf die Konstitution geben. Eine spitze Nase kann Pitta anzeigen; eine stumpfe Nase Kapha; und eine krumme Nase Vata.

Lippendiagnose

Wie andere charakteristische Teile des Körpers (zum Beispiel Zunge, Nägel, Gesicht, Augen) sind auch die Lippen ein Spiegel des Gesundheits- oder Krankheitszustandes der verschiedenen Organe des Körpers.
Man beachte die Größe, Form, Oberfläche, Farbe und Kontur der Lippen. Trockene und rauhe Lippen weisen auf Austrocknungsprozesse oder eine Vata-Störung hin. Nervosität und Angst führen auch zu Trockenheit und Zittern der Lippen. Ist eine Anämie gegeben, werden die Lippen blaß. Eine schwärzlichbräunliche Verfärbung der Lippen findet man als Folge chronischen Rauchens. Wiederholtes Auftreten von entzündlichen Arealen an den Lippenrändern deuten auf das Vorhandensein eines Herpes und einer chronischen Pitta-Störung hin. Zahlreiche blaßbraune Flecken auf den Lippen sind ein Anzeichen für eine schwache Verdauung oder Würmer im Dickdarm. Eine Gelbfärbung der Lippen ist bei Gelbsucht zu beobachten. Bei Herzstörungen sind blaue Lippen infolge von Sauerstoffmangel zu sehen. Verfärbungen der verschiedenen Lippenareale deuten auf eine Störung des jeweilig zugeordneten Organs hin (siehe Darstellung 8).

Nageldiagnose

Nach ayurwedischer Ansicht sind die Nägel ein *Abfallprodukt* der Knochen. Schauen Sie sich die Größe, Form, Oberfläche und Kontur Ihrer Nägel an. Beobachten Sie auch, ob die Nägel biegsam, weich und zart sind, oder ob sie spröde sind und leicht brechen. Trockene, krumme und rauhe Nägel, die leicht brechen, weisen darauf hin, daß Vata im Körper vorherrscht. Weiche, zarte, rosafarbene Nägel, die sich leicht biegen lassen und ein wenig schimmern, deuten auf ein Vorherrschen von Pitta. Sind die Nägel dick, kräftig, weich und stark glänzend mit einer gleichmäßigen Kontur, dann herrscht Kapha vor.
Längsrillen der Nägel zeigen eine Malabsorbtion des Verdauungssystems an. Querrillen sind ein Anzeichen für mangelhafte Nutrition oder eine lange bestehende Krankheit. Manchmal werden die Nägel vorstehend, konvex und knollenförmig, wie das Ende eines Trommelstockes. Dieser Zustand wird als Trommelschlägelfinger bezeichnet und zeigt eine Lungen- und Herzschwäche an. Löffelförmige Nägel, die so konkav sind, daß sie einen Wassertropfen aufnehmen könnten, treten bei Eisenmangelzuständen auf. Weiße Flecken im Nagel sind ein Anzeichen für einen Zink- oder Kalkmangelzustand.
Blasse Nägel findet man bei Anämie, übermäßige Röte hingegen bei einem Überschuß an roten Blutkörperchen. Gelbe Nägel zeigen eine schwache Leber oder Gelbsucht an. Blaue Nägel findet man bei Herzschwäche.
Die einzelnen Finger werden bestimmten Organen zugeordnet. Der Daumennagel entspricht dem Gehirn und dem Schädel, der Zeigefinger der Lunge. Der Mittelfinger hat einen Bezug zum Dünndarm und der Ringfinger zur Niere. Der kleine Finger ist dem Herzen zugeordnet. Ein weißer Fleck auf dem Ringfingernagel zeigt Kalkablagerungen in der Niere an. Befindet sich ein weißer Fleck auf dem Mittelfingernagel, gibt es Kalk im Darm, der nicht aufgenommen wird. Ein weißer Fleck auf dem Zeigefinger zeigt Kalkablagerungen in der Lunge an.

Augendiagnose

Kleine Augen mit einem häufigen Lidschlag zeigen ein Vorherrschen von Vata im Körper an. Ein übermäßig häufiger Lidschlag zeigt tiefsitzende Nervosität, Besorgtheit und Furcht an. Hängende Oberlider sind ein Anzeichen für Unsicherheitsgefühle, Furcht oder Mangel an Selbstvertrauen und gestörtes Vata. Große, schöne und anziehende Augen findet man bei Kapha-Konstitutionen.
Pitta-Augen sind glänzend und lichtempfindlich, das Weiß des Auges ist gerötet, und es besteht eine Neigung zu Kurzsichtigkeit. Nach ayurwedischer Ansicht erhalten die Augen ihre Kraft direkt vom grundlegenden, vom Ur-Feuerelement her. So findet man oft bei Menschen mit einer Pitta-Konstitution, die ein Übermaß an Feuer im Körper haben, eine Lichtüberempfindlichkeit der Augen vor.
Vorstehende Augen weisen auf eine Fehlfunktion der Schilddrüse hin. Bei blassen Bindehäuten liegt eine Anämie vor, bei gelblicher Verfärbung eine Leberschwäche. Man sollte auch die Farbe, Größe und Form der Iris untersuchen. Eine kleine Iris zeigt schwache Gelenke an. Ist ein weißer Ring um die Iris herum vorhanden, weist dies auf übermäßigen Salz- oder Zuckerkonsum hin. Wenn der Ring sehr ausgeprägt und sehr weiß ist (besonders bei Menschen mittleren Alters), deutet dies auf degenerative Prozesse in den Gelenken. Die Gelenke krachen und knirschen und Arthritis und Gelenkschmerzen sind wahrscheinlich vorhanden. Bräunlich-schwarze Flecken in der Iris sind ein Anzeichen für Eisen im Darm, das nicht aufgenommen wird.
Im Ayurweda werden außer den diagnostischen Methoden, die auf den vorhergehenden Seiten erwähnt wurden, auch andere klinische Untersuchungsmethoden wie Palpation, Perkussion, Auskultation und die Erhebung einer Anamnese zusätzlich angewandt. Ebenfalls werden Herz, Leber, Milz, Nieren, Harn, Stuhl, Auswurf, Schweiß, Sprache und Physiognomie untersucht.

Auszug aus "Das Ayurweda Heilbuch" von Vasant Lad, mit freundlicher Genehmigung des Windpferd Verlags, Copyright Windpferd Verlag.