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Ayurveda - der wissenschaftliche Hintergrund (Teil 1)

Ayurveda - der wissenschaftliche Hintergrund (Teil 1)

von Dr. E.P.Jeevan (B.A.M.S.) Der vorliegende Artikel befasst sich in 10 Kapiteln mit dem wissenschaftlichen Hintergrund von Ayurveda. Lesen Sie im Folgenden den 1.Teil mit den beiden Kapiteln: 1. Ayurveda - der wissenschaftliche Hintergrund und 2. Die Krankheitsentstehung

Inhaltsverzeichnis (1.- 4.Teil)

1. Ayurveda- der wissenschaftliche Hintergrund
2. Die Krankheitsentstehung

3. Das Behandlungsziel
4. Unterschiede zur herkömmlichen Pflanzenheilkunde 6
5. Der ayurvedische Behandlungsablauf
6. Ayurveda als Kunst
7. Krankheitsbilder aus der Sicht der Doshas- und Dathus-Theorie
8. Die Prinzipien der Medizin
9. Die ayurvedische Konsultation
10. Die Diagnose im Ayurveda

1. Ayurveda- der wissenschaftliche Hintergrund

Der Ayurveda - das alte indische Wissen über das Leben- ist das erste aufgezeichnete Medizinsystem der Weltgeschichte. Neben dem Medizinsystem umfasst Ayurveda auch ein philosophisches und spirituelles System, die auf sehr umfassende und wissenschaftliche Prinzipien beruhen. Das mehr als 5000 Jahre alte Medizinsystem hat noch bis heute Bestand und wird sowohl in Städten als auch in ländlichen Gebieten Indiens praktiziert. Mehr als 70% der indischen Bevölkerung nehmen Ayurveda als Medizin in Anspruch und erzielen damit gute Ergebnisse in der Behandlung ihrer einfachen und chronischen Leiden.
Ayurveda ist eine gute Alternative für all die Menschen, die sich mit der Natur, natürlichen Heilsystemen und der Alternativmedizin usw. auseinandersetzen und für all diejenigen, die schlechte Erfahrungen mit schulmedizinischen Behandlungen wie beispielsweise Nebenwirkungen und Allergien gemacht haben. Ayurveda oder das Wissen vom Leben gewinnt weltweit an Ansehen, da er einen ganzheitlichen Ansatz hat.
Ayurveda ist eine empirische Wissenschaft, die auf den Erfahrungen und Beobachtungen unzähliger Generationen von Experten aufgebaut ist. Diese Datensammlung liefert die Grundlage für die ayurvedischen Behandlungen und Prognosen. Der heutige Maßstab für Wissenschaftlichkeit wird aus Ergebnissen von Experimenten und deren Wiederholbarkeit festgelegt. Anstelle dieses mechanischen Ansatzes steht im Ayurveda die Individualität jedes Lebewesens im Vordergrund. Sowohl der ayurvedische Arzt als auch die Behandlungen, die er verordnet, haben eine Vermittlerfunktion zwischen dem Individuum (Mikrokosmos) und dessen Umwelt – die Mutter Natur (Makrokosmos). Deswegen ist die ayurvedische Herangehensweise eher patienten- als krankheitsorientiert.

2. Die Krankheitsentstehung

Es gibt drei Hauptgründe für die Entstehung von Krankheit:

  • Überbeanspruchung, Nichtnutzung, Missbrauch unserer Sinnesorgane   (asatmyendriyartha samyoga)
  • Falsches Urteilsvermögen (prajnaparadha)
  • Beeinflussung der Zeit und der Jahreszeiten (parinama)

 

Asatmyendriyartha samyoga

Die angemessene Wahrnehmung erfolgt, wenn der Gebrauch der Sinnesorgane in Einklang mit der Seele und dem Geist geschieht. Solange die äußeren Reize im normalen Bereich liegen, sind sie für unseren Körper unschädlich. Bei einem Übermaß an äußeren Reizen werden sie zu einem Stressfaktor und der Körper reagiert nicht normal.
Stressreiche Reize entstehen durch eine Überbeanspruchung, Nichtnutzung und Missbrauch. Wenn wir das Beispiel Licht nehmen, dann verhält es sich wie folgt:

- Eine Überbeanspruchung der Augen tritt ein, wenn lange auf eine sehr helle Lichtquelle geschaut wird , eine Nichtnutzung bei absoluter Dunkelheit oder beim „Nichtschauen wollen“ ein und ein Missbrauch, wenn auf ein zu nahes, zu weit entferntes oder Furcht auslösendes Objekt geschaut wird.

Pranjnaparadha

Dieser Punkt umfasst jegliches Fehlverhalten, das auf eine falsche Vorstellung des Intellekts beruht. Jede Überbeanspruchung, Nichtnutzung oder Missbrauch unseres Körpers, Sprache oder Geistes führt zu Stress und verursacht ein Ungleichgewicht der Doshas und die Entstehung von Krankheit.

Ein Missbrauch des Körpers findet statt durch

  • Unterdrückung der natürlichen Bedürfnisse
  • Maßlosigkeit - unachtsame Handlungen
  • Maßlosigkeit in der Sexualität
  • Aufenthalt an ungünstigen Orten und zu ungünstigen Zeiten
  • Mißbrauch des Körpers

Die Rede wird durch Maßlosigkeit in der Sprache; unwahre, verletzende, nicht zusammenhängende, unpassende oder hitzige Worte missbraucht.
Missbrauch des Geistes findet statt durch

  • Emotionen wie Angst, Kummer, Ärger, Gier, Neid
  • Verblendung
  •  unklares Denken
  • Respektlosigkeit anderen gegenüber

Parinama

Die Jahreszeiten und andere Zeitfaktoren haben einen engen Bezug zur Krankheitsentstehung. Sie nehmen Einfluss auf den menschlichen Körper. Das Jahr wird grob in drei Jahreszeiten eingeteilt: Winter, Frühling, Regenzeit/Herbst.
Wenn die Merkmale einer Jahreszeit sehr ausgeprägt sind, spricht man von einem „saisonalen Übermaß“
Bei einer verminderten Ausprägung, ist die Rede von einem „saisonalen Defizit“
Sind die Merkmale einer Jahreszeit nicht naturgemäß, dann spricht man von einer „saisonalen Abweichung“

Krankheitsentstehung und die sieben Gewebe (Dhatus)

Eine Ernährung gemäß der Konstitution, der Jahreszeiten, der richtigen Zubereitungsart, dem Hungergefühl und der Verdauungskraft nährt die Gewebe des Körpers. Nach der ayurvedischen Auffassung besteht der Körper hauptsächlich aus sieben Gewebearten:

1. Rasa (Plasma)
2. Rakta (Blut)
3. Mamsa (Muskelfleisch)
4. Meda (Fettgewebe)
5. Asthi (Knochengewebe)
6. Majja (Knochenmark)
7. Sukla (Fortpflanzungsgewebe - Samen- und Eizellen; die Immunität)

Rasa, die Nahrungsessenz, passiert alle weiteren Gewebe. In jedem Gewebe findet die für das jeweilige Gewebe notwendige Umwandlung von Rasa statt, so dass jedes einzelne Gewebe aus Rasa (Nahrungsessenz) aufgebaut wird.

Schaubild mit den 7 Gewebearten dhatus im Ayurveda

Eine schlechte Verdauung führt zur Störung des Verdauungsfeuers (Agni). Die Ursachen für eine schlechte Verdauung können sein:

  • ein geringes Verdauungsfeuer (Jadhara Agni)
  • eine zu geringe oder zu hohe Nahrungsaufnahme
  • eine Ernährung nicht gemäß der Konstitution, den Jahreszeiten, dem Hungergefühl
  • eine Nahrungsaufnahme zu ungeeigneten Tageszeiten

Eine schlechte Verdauung führt zu einer ungünstigen, schlechten Zusammensetzung des ersten Gewebes (Rasa). Diese schlechte Zusammensetzung wird im Ayurveda als Ama oder Giftstoffe (Toxine) bezeichnet.
Ama passiert ebenso wie Rasa alle Gewebe. Im Gegensatz zu Rasa verursacht Ama eine Störung in den Geweben. Abhängig von der Ama-Menge können sich im gleichen Gewebe unterschiedliche Erkrankungen bilden. Im Laufe der Zeit gelangt Ama von einem Gewebe in das nächst tiefer liegende. Dieser Vorgang führt zu verschiedenen Erkrankungen in jedem Gewebe. Je tiefer die Giftstoffe (Ama) bereits eingedrungen sind, desto chronischer ist der Krankheitsverlauf.

Ama kann in jedem beliebigen Gewebe blockiert sein und Krankheiten verursachen, wie folgende Beispiele zeigen.
Wenn das erste Gewebe, das Plasma (Rasa), gestört oder blockiert ist, können folgende Symptome und Krankheiten auftreten:

  • Anorexie
  • Schweregefühl im Körper
  • Allgemeines Schwächegefühl
  • Schwindel
  • Erbrechen
  • Verdauungsstörung
  • Verstopfung
  • Fieber

Gelangt Ama im Laufe der Zeit zum nächsten Gewebe, entstehen dort Erkrankungen des Blutes (Rakta) oder Erkrankungen, die auf einer Pitta-Störung beruhen; wie z.B.:

  • Hautausschlag
  • Psoriasis
  • Entzündungen
  • Nahrungsmittelallergien
  • Geschwüre

Wenn die betroffene Person die auftretenden Symptome unterdrückt und die Ama-Giftstoffe nicht aus dem Körper beseitigt, gelangen diese in das nächst tiefer liegende Gewebe. Geht die Person den gleichen schlechten Ernährungsgewohnheiten usw. nach, wird immer mehr Ama gebildet. Das führt dazu, dass sich eine immer größere Menge an Ama im Körper ansammelt.

Auf diese Weise gelangt im Laufe der Zeit Ama in die tieferen Gewebe- also vom Blutgewebe ins Muskelgewebe (Mamsa). Dies verursacht Erkrankungen, die auf einer Kapha-Störung beruhen wie z.B. Tumorenwachstum oder Störungen der verbindenden Gewebe.

  • Myome
  • Zysten

Schließlich wandert das Ama in das nächst tiefer liegende Gewebe dem Fett (Meda), in dem Erkrankungen, die auf

einer Kapha-Störung beruhen, erzeugt werden, wie z.B.:

  • Übergewicht
  • Diabetes

Wandert Ama vom Fettgewebe (Meda) zum Knochengwebe (Asthi), entstehen dort unter dem Einfluss von Ama Erkrankungen, die auf einer Vata-Störung beruhen. Hauptsächlich handelt es sich um Krankheiten der Knochen, der Gelenke und des Nervensystems wie z.B.:

  • Osteoporose
  • Arthritis
  • Ischialgie

Später tritt Ama in das Knochenmarksgewebe (Majja) ein und verursacht dort lebensbedrohliche Erkrankungen wie z.B.:

  • Erkrankungen des Gehirns
  • Alzheimer
  • Parkinson
  • Epilepsie
  • Gehirntumor

Später wird durch das Ama das Immunitätsprinzip (Sukla) gestört, wodurch folgende Erkrankungen ausgelöst werden können:

  • Immunmangelkrankheit (Immundefekt)
  • Unfruchtbarkeit
  • chromosomale (genetische) Erkrankungen
  • kindliche Fehlbildungen
  • geringe Zeugungskraft

Schaubild der Krankheitsentstehung im Ayurveda mit den verschiedenen Krankheiten gemäß den Dhatus

Nach der ayurvedischen Auffassung verursacht das Eindringen von Giftstoffen (Ama) im Laufe der Zeit in den einzelnen Geweben verschiedene Erkrankungen. In manchen Fällen verursacht das angesammelte Ama nur in jenem Gewebe eine Krankheit, die bei der betroffenen Person geschwächt ist.
Es gilt zu beachten, dass unterschiedliche Mengen vom gleichen Ama zu verschiedenen Erkrankungen in den unterschiedlichen Gewebeschichten führen. Folgendes Beispiel soll dies verdeutlichen:
Verdauungsstörungen oder Fieber, die mit dem ersten Gewebe zusammenhängen, sind harmlose Erkrankungen. Im Vergleich dazu sind Arthritis oder Osteoporose, die mit dem fünften Gewebe zusammenhängen, schwere Erkrankungen. In beiden Fällen sind die gleichen Giftstoffe, die aus der Ernährung und schädlichen Verhaltensweisen entstanden sind, für die Krankheitsentstehung verantwortlich. Sie unterscheiden sich lediglich durch ihre Menge und durch die Eindringtiefe (1. Gewebe; 2. Gewebe usw.).
 

Autor: Dr. Jeevan, www.ayurveda-care.de
Übersetzung und Lektorat: Dipl. oec. troph. Maria Palankov

 

Lesen Sie auch die anderen 3 Teile dieses Artikels:

Teil 2 unter anderem über das ayurvedische Behandlungsziel und Behandlungsablauf

Teil 3 unter anderem über die Krankheitsbilder im Ayurveda aus der Sicht der Doshas- und Dhatus-Theorie

Teil 4 über die ayurvedische Konsultation und Diagnose


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