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Ayurveda und Multiple Sklerose (Teil I)

07.07.2005 | von Sandra Grünes Die Multiple Sklerose (MS) oder auch encephalitis diesseminata genannt, ist eine der häufigsten Nervenerkrankungen in Europa. In einer Studie von Autopsien wurde 1 Erkrankungsfall auf 500 Sektionen gefunden. Viele dieser Patienten zeigten jedoch keine der typischen Beschwerden. Die Zahl der Fälle ohne Symptome ist doppelt so hoch, wie die der klinisch diagnostizierten.

I. Entwicklung

Trotz vieler immenser Forschungsaktivitäten sind bis heute die Ätiologie (Krankheitsgeschichte) und auch die Pathogenese (Krankheitsherkunft) noch weithin ungeklärt. Beobachtet wurde jedoch, dass die Erkrankungshäufigkeit bei den Menschen der weißen Bevölkerung auf der nördlichen Halbkugel mit wachsender Entfernung vom Äquator zunimmt. In Europa ist die MS oberhalb dem 46. Breitengrades häufiger als darunter.
In Afrika oder Indien sind dagegen nur selten MS-Erkrankte Menschen vorzufinden, hier liegt die Rate 0-4 auf 100 000 Einwohner.
Trotz der wenigen Erkrankungen in Indien, können wir mit dem Wissen des Ayurveda die Erkrankung sehr gut behandeln. Der holistische Ansatz öffnet Möglichkeiten, den Menschen auf seinem Weg zu begleiten.


II. Die Diagnose

Die Diagnosestellung der MS erfolgt aufgrund der klinischen Symptomatik, basierend auf den Untersuchungsergebnissen. Häufig tritt die MS zwischen dem 20.- 40. Lebensjahr auf. Frauen werden in einem Verhältnis von 3:2 häufiger davon betroffen.
MS gehört zu den Entmarkungskrankheiten, d.h. die weiße Substanz des gesamten Zentralen Nervensystems, kann befallen werden. So kann es über eine Autoimmunreaktion des Körpers zur Zerstörung der Markscheiden kommen. Gerade die Markscheiden bestehen aus lipoiden Substanzen und sind gleichsam „Isoliermaterial“ um die „Nachrichtenkabel“, um unsere nervalen Bahnen.
Ohne diese Markscheiden ist keine nervale Innervation (Leitung) mehr möglich. Durch diesen entzündlichen und degenerativen Prozeß können diese Herde je nach Lokalisation im zentralen Nervensystem zu Funktionsstörungen im motorischen, sensorischen und auch vegetativen Bereich kommen.
Die Entmarkungsherde (Plaques) sind im Kernspintommogramm (MRT oder CT)nachzuweisen. Doch auch hier ist auf eine genaue Differentialdiagnostik zu achten. Bildgebende Verfahren können auch „positive Befunde“ geben (z.B. Virchow-Robinsche perivaskuläre Räume als Fehlinterpretation im MRT). Bei der MS ist daher die Klinische Symptomatik ausschlaggebend, die durch MRT und Liquoruntersuchung untermauert wird.
Die Verläufe der Erkrankungen können unterschiedlich sein, neben einer schubweisen Symptomatik mit wechselnden Bilder und chronisch progredient – langsam verschlechternd.
Bei der MS lassen sich in der Entwicklung der Symptome keine festen Regeln aufstellen. Erst eine Art Symptomkomplex lassen uns den Verdacht auf eine MS vermuten.

- Sensibilitätsstörungen( Taubheitsgefühle, Missempfindungen, Ameisenlaufen)
- Zentrale Lähmungen ( Lähmungen oft distal beginnend, rasche Ermüdung)
- Zerebelläre Störungen( Tremor, Ataxie, Nystagmus)
- Psychovegetative Störungen( Müdigkeit, Konzentrationsmangel, Erschöpfung)
- Sehnervenneuritis (Retrobulbärneuritis)

Durch die multiple Art kann ein sehr gemischtes Symptombild auftreten, deshalb sollte differentialdiagnostisch gegen andere Erkrankungen wie Diabetes, Arteriosklerose, Stoffwechselerkrankungen und Infektionen abgeklärt werden.


III. MS aus ayurvedischer Sicht

Gemäß dem Ayurveda reicht es nicht aus, der Erkrankung nur einen Namen zu geben. Viel wichtiger ist, die Frage der Ursache und den Hergang der Störung genau zu erforschen, um somit die Wurzel der Ursache zu entfernen.
Die „samprapti“ ermöglicht uns den Hergang zu erklären, Ursachen zu finden, und festzustellen, welche Körpergewebe „Dhatus“ und Körperfunktionen „Dosas“ betroffen sind.
Die Frage wann und wie die Disharmonie in Körper-Geist-Seele Einheit entstanden ist, gibt uns Hinweise für die folgende Behandlung.
In meiner langjährigen Arbeit mit MS betroffenen Menschen, konnte ich aus ayurvedischer Sicht gewisse Parallelen feststellen.
In einem gewissen Zeitraum bevor der „erste Schub“ ausbrach, wurde das Immunsystem oder auch die Harmonie von Körper-Geist-Seele geschwächt. Verschieden Faktoren konnten dabei beobachtet werden.
- Starke emotionale einschneidende Ereignisse (Trennung, Trauer, Ängste)
- Lebensveränderungen wie Umzug, Beruflich Veränderungen, Geburt,
- Starke körperliche Belastungen (Stress, schlechte Ernährung, fehlende Regenerationsphasen)
- Infektionen, Auslandsreisen, Umweltbelastungen

Ursachen wie diese können eine Disharmonie entstehen lassen, wenn die individuelle Konstitution überbeansprucht wird. Aus ayurvedischer Sicht kommen die Dosas aus dem Gleichgewicht, Körpergewebe werden in ihrer Funktion und Qualität geschwächt. Die innere Homöostase ist gestört, Zirkulations-, und Transportkanäle (Srotas) können durch Blockaden ihren Anforderungen der Stoffwechselaktivität nicht mehr nachkommen.
Je nach Aggravationen der einzelnen Dosas, der betroffenen Dhusyas, können die Symptome individuell auftreten.
Durch die Vata- Pitta Aggravation, sind Rasa, Mamsa, Majja ,Snayu Dhatu in ihrer Qualität und Funktion betroffen. Blockierte Srotas der jeweiligen Dosas und Dhatus bringen die Dysharmonie zur Manifestation. Meist ist eine Tridosastörung vorzufinden.
Da in der ayurvedischen Lehre der Körper-Geist-und Seele Komplex nicht getrennt wird, sind die psychosomatischen Ursachen, eng mit der Vata Aggravation in Verbindung zu sehen.


IV. Unterschiedliche Therapieansätze

In der Allopathie gibt es zur Zeit keine kausale Therapie. Im akuten Schub wird meist medikamentös mit Cortison behandelt.
Bei Langzeitverläufen wird die immunsuppressive Therapie eingesetzt, wie z.B. Interferon, sowie synaptische Gaba-Hemmung bei Spastikbildung.
Eine entscheidende Rolle bei der Behandlung nimmt die Physiotherapie ein. Methoden, die auf neurophysiologischer Basis beruhen, zeigen hier große Wirkungen.

Therapieformen:
- nach Bobath
- Feldenkrais
- Yoga
- Alexander Technik
- Wassertherapie nach Mc Millan
- Beckenboden Training
Die neurophysiologischen Therapien arbeiten in erster Linie mit der Plastizität des Zentralen Nervensystems (ZNS). Das heißt, die Fähigkeit des ZNS, sich auf eine Änderung der Nachfrage der Umwelt zu adaptieren. Mosche Feldenkrais beschreibt auch die Gravitationskraft als eine elastische Kraft. Das Nervensystem wird sozusagen neu programmiert, durch das Erlernen des Bewusst-werden und auch Bewusst-machen der einzelnen motorischen Körperfunktionen. (axoplasmatischer Fluß)

Diese Plastizität ist die Fähigkeit aller Zellen in jeder Stufe ihrer Entwicklung, jeden Aspekt ihres Phänotyps zu verändern, als Antwort auf eine abnormale Änderung in ihrem Zustand oder ihrer Umwelt (BROWN & HARTMANN )
Die Plastizität ist stoffwechselabhängig und nicht altersabhängig.

Durch dieses „neue, erlernte Bewusstsein“ der Körperbewegungen, können Abläufe kontrolliert und auch automatisiert werden. Die Wahrnehmung des eigenen Körpers verändert sich, somit auch die reaktionelle Antwort auf unsere Umwelt.

Neurophysiologische Therapien, Ayurvedische Behandlung mit Stoffwechselkorrektur, Ernährungsumstellung, eine individuelle angepasste Lebensweise und psychologische Begleitung ermöglichen eine optimale Kombination in der MS Behandlung.


V. Ayurvedische Therapie bei MS

Im Ayurveda behandeln wir den Menschen und nicht nur den Symptomkomplex. Dieser Ansatz strebt an, die Gesundheit des Menschen zu stärken und die Krankheit zu heilen. Die Therapiestrategie richtet sich nach Ursache und Symptombild in Bezug auf die individuelle menschliche Konstitution.
Eine gründliche ayurvedische Diagnostik ist unabdingbar, um genau die Dysharmonie der Körperfunktionen und ihrer Strukturen zu erkennen und zu behandeln. Daraus resultiert die individuelle und sensible Behandlung.

1. Lebensweise

Im Vordergrund steht eine gesunde Lebensweise bei der MS-Erkrankung. Damit ist gemeint, eine Lebensweise, die sich immer nach der jeweiligen Konstitution des Menschen richten sollte.
Bei der MS sind Müdigkeit, Leistungsabfall, neben der neurologischen Symptomatik meist im Vordergrund. Eine große subjektive Verbesserung lässt sich hier durch geregelte Biorhythmen erzielen. Stabilisierung durch regelmäßige Tagesabläufe, ausgewogene Schlaf-Wach-Rhythmen, Arbeits-Pausen-Regelungen, sowie genügend Ruhe nach den Mahlzeiten und angepasste körperliche Betätigungen am besten in der freien Natur.
Entspannungstechniken wie Yoga und Meditation helfen, verbrauchte Energien wieder zu ersetzen.
Die „seelische Nahrung“ sollte dabei nicht zu kurz kommen: Aktivitäten, die Freude bringen, erhöhen auch die Immunität und sorgen für mentale Ausgeglichenheit.
Ein Konzertbesuch oder ein gemütliches Candle-light Dinner gehören ebenfalls mit zur Therapie.

2. Ernährung

Die Ernährung sollte leicht, ausgewogen, warm und regelmäßig sein. Da das ZNS eng mit dem Vata-Dosa in Verbindung steht, sollten die Vata Funktionen über die Ernährung harmonisiert werden.
Trockene, kalte, extrem bittere und scharfe, sowie saure Nahrungsmittel sollten vermieden werden, vorrangig sind süße, neutrale Geschmäcker zu bevorzugen z.B. Karotten, Fenchel, Zucchini. Frische zubereitete Menüs aus Reis, Mung-Dhal, Gemüse, Suppen, Süßspeisen sind zu empfehlen. Zwei bis drei warme Mahlzeiten, immer zur selben Tageszeit, bringen Ruhe und Harmonisierung in Körper-Geist und Seele.

Auf Nahrungsmittel wie Käse, Yoghurt, Quark, sollte aufgrund der blockierenden Eigenschaften der Körperkanäle verzichtet werden. Ghee und gekochte Milch sind gut geeignet.
Rohkost richtet sich je nach Verdauungskraft und kann zum Mittagessen in geringen Mengen zu sich genommen werden.


Teil II dieses Artikel lesen Sie hier mit folgenden Inhalten:
Die ayurvedische Pflanzenheilkunde mit Stoffwechselkorrektur und Rasayanas, die äußerlichen Anwendungen und psychologische Ansätze sowie ein ausführliches Fallbeispiel.


Angaben zur Autorin Sandra Grünes:

Langjährige Arbeit als Physiotherapeutin in einer neurologischen Rehabilitationsklinik am Bodensee, mit Ausbildungen zur Bobath-Therapeutin.
Nach Abschluß einer zweijährigen Heilpraktikerausbildung, Studienaufenthalte und Reisen in Indien von 9 Monaten.(1997) Dortige Ausbildungen zur Yogalehrerin bei A.G. Mohan und seiner Frau Indra in Madras. In ayurvedischer Massage in Kerala und beginnende Studien in Ayurveda.
Danach Ausbildung am Mahindra Institut zur medizinischen Ayurveda Spezialistin, wiederholende Auslandsaufenthalte und Akupunkturausbildung an der Universität of alternative Medicine in Colombo.(1998-99)
Leitungen von Pancakarmakuren seit 1999 an der Seite von Dr. Gupta am Mahindra Institut und erneute Studienaufenthalte bei Dr. Gupta in Nadiad, Indien.
Seit 2002 eigene Praxis für ayurvedische Medizin und Naturheilverfahren in Freiburg im Breisgau.
Weitere Ausbildungen folgen in Bachblüten- und Schröpftherapie. Dozentin und Seminarleiterin in zahlreichen Ausbildungen für Ayurveda Therapeuten, und an der Hippokrates Heilpraktiker Schule in Freiburg.
Leitung mehrere Yogagruppen und Workshops.
Leitende Medizinische Tätigkeit in der Ayurveda Praxis Mahindra Institut in Zürich.

Praxis für Ayurveda Medizin, Sandra Grünes HP
Rosastrasse 9
79098 Freiburg
Tel.: 0761- 2023234

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