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Kalari Chikitza- Manuelle Therapie des Ayurveda (erschienen in CoMed 12/04

18.02.2005 | Diagnose und Therapie im Konzept der Kraftlinien und –punkte (Nadis und Marmas), von Markus Ludwig Das Kalari Chikitza hat seinen Ursprung in den südindischen Kalaris. Dieses sind traditionelle Lehrorte, in denen verschiedene klassische Künste wie Ayurveda, Yoga, Tanz und auch Kampfkunst unterrichtet und angewandt wurden. Die Meister der Kampfkunst, des Kalarippayat, haben im Laufe der Jahrhunderte das Wissen des Ayurveda mit ihren intensiven Körpererfahrungen ergänzt und das Kalari Chikitza entwickelt.

Ein Fallbeispiel

Frau W. ist 48 Jahre alt und Altenpflegerin. Seit knapp zehn Jahren hat sie leichte bis mittlere Bewegungseinschränkungen und Schmerzen in beiden Schultergelenken. Verschiedene Gänge zu Ärzten und darauf folgende physiotherapeutische sowie chiropraktische Behandlungen hatten keinen längerfristigen Erfolg. Die Physiotherapie brachte entweder kurzfristige Erleichterung (insbesondere bei Wärmeanwendungen) oder sogar eine Verschlimmerung der Symptomatik. Die ärztliche Diagnose lautete irgendwann: Arthrose und Kalkeinlagerungen. Der einzige Weg wäre eine Operation, um die Einlagerungen zu entfernen. Ob sich die Symptomatik dadurch wesentlich verändere, bliebe aber fraglich.

Seit mehreren Monaten sind die Beschwerden so stark, das Frau W. ihrer Arbeit kaum noch nachgehen kann. Die Schmerzen werden als lokal brennend, reißend und ausstrahlend stechend beschrieben. Der linke Arm kann nicht mehr über die Horizontale gehoben werden und ist auch in seiner rotatorischen Komponente sehr eingeschränkt. Der rechte Arm besitzt insgesamt ein paar Grade mehr an Bewegung. Ein häufiger Kopfschmerz, der als aus dem Nacken bis in die Augen stechend beschrieben wird, macht auch Ruhephasen immer weniger erholsam.

Eine Behandlung

Frau W. kam zu einer fünftägigen Behandlung. Die eingehende Anamnese ergab einige Ernährungsfehler und natürlich die Überbelastung und ständige Ermüdung durch die Arbeit mit Wechselschicht. 

Die Untersuchung ergab kleine Verhärtungen des Gewebes im Bereich der Halsseite und massive Verhärtungen im Bereich der Oberarme, im geringeren Maße auch bis zu den Handgelenken.

Durch die tägliche Behandlung mit einem heißen Kräuterbeutel (Kizhi), Kräuter- Ölen und gezielter Massage (Uzhichil) verschiedener Punkte und Bahnen konnte Frau W. nach den fünf Tagen wieder schmerzfrei die Arme bewegen, wobei der linke Arm in Extrembewegungen noch leicht geschwächt war. Der Kopfschmerz ist nach der zweiten Behandlung nicht wieder aufgetreten.

Durch die Behandlungen sind einige der Gewebeverhärtungen aufgelöst bzw. stark reduziert, andere konnten in dem relativ kurzen Behandlungszeitraum nicht bearbeitet werden. Frau W. wird mit Ernährungsempfehlungen, Körperübungen und Empfehlungen zur Pflege der Gewebe mit Ölen sowie dem Hinweis auf die verbliebenen Verhärtungen verabschiedet. Beeindruckend ist auch ihre insgesamt stark gestiegene Lebensfreude und -zuversicht, die eingangs sehr reduziert waren.

Der Zustand war nach drei Monaten unverändert bzw. durch eigene Maßnahmen tendenziell noch leicht verbessert.

Diese Behandlungen arbeiten mit dem so genannten Marma-Nadi-System des Menschen - einem Verständnis von besonders sensiblen Punkten (Marmas) und Bewegungsbahnen bzw. Kraftlinien (Nadis) des Körpers. Die Grundlagen dieses Systems reichen auf eine weit über 2000-jährige Anwendung zurück. Die Marma-Punkte werden schon in den ältesten indischen Überlieferungen erwähnt und werden von Sushruta, einem der drei großen ayurvedischen Weisen, einige Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung systematisch beschrieben. Sushruta hat sich ausführlichst der Chirurgie gewidmet, die überlieferten Erfahrungen gesammelt und mit eigenen Studien insbesondere auf Schlachtfeldern vereint. Er beschrieb 107 solcher Marma-Punkte – lokalisiert in Gefäßen, Gelenken, Muskeln, Sehnen bzw. Knochen. Diese Punkte sollte, so empfahl Sushruta, jeder Arzt, insbesondere Chirurg kennen, da Zerstörungen solcher Punkte fatale irreversible Folgen für den Gesamtorganismus haben. Diese Kenntnisse halfen auch bei der Prognose von Unfällen bzw. Verletzungen durch Kämpfe.

Das Nadi-System ist ein vielschichtiges und äußerst komplexes Netzwerk von bewegungsführenden Bahnen und Kraftlinien. Die „grobstofflichen“ Gefäßbahnen wie die der Lymphe und des Blutes gehören ebenso dazu wie der „feinstoffliche“ Fluss von Gedanken und Emotionen. Das Nadi-System wird z. T. in klassischen Ayurveda-Texten beschrieben, wie auch in Überlieferungen des Yoga Darshana. 

Die Marma-Punkte können als wichtige Konzentrations- und Kreuzpunkte innerhalb des Nadi-Systems verstanden werden. 

Die Kalari-Tradition hat diese Kenntnisse zu einem komplexen Diagnose- und Therapie-System weiterentwickelt. Der südindische Weise und Kalari-Meister Agasthya hat das System auf über 350 Punkte erweitert und konkrete Behandlungstechniken bei Verletzungen und Blockierungen beschrieben. Das Kalari Chikitza besitzt in seinem ursprünglichen Verbreitungsgebiet, dem südindischen Bundesstaat Kerala, ein sehr hohes Ansehen. Die Verbreitung dieser intensiven Therapiemethoden erfolgt jedoch nur äußerst langsam. Zum einen wurde die Kalari-Tradition von den englischen Besatzungsmächten streng verboten, und so brauchte es eine gewisse Zeit, bis sie wieder auflebte. Zum anderen werden traditioneller Weise nur langjährige und bewährte Kalari-Schüler in das Marma-System eingeweiht, da es auch sehr gut zum Missbrauch geeignet ist. 

Außerhalb Keralas ist das Kalari Chikitza erst seit wenigen Jahren zu finden und steht in seiner Verbreitung noch ganz am Anfang.

Das System hinter der Behandlung

Oft wird das Kalari Chikitza als die „Physiotherapie des Ayurveda“ postuliert, da der Schwerpunkt bzw. Therapieansatz deutlich in der so genannten „Ruksha Kosha“, der grobstofflichen Hülle des Menschen zu finden ist. Diese Hülle umfasst u. a. den Stütz- und Bewegungsapparat. 

In diesem Zusammenhang wird von insgesamt drei Hüllen gesprochen, aus dem der Mensch besteht. Diese grobstoffliche, strukturelle Hülle erhält ihre Impulse aus der feinstofflichen, funktionellen Hülle („Sukshma Kosha“), womit beispielsweise die Arbeit des peripheren Nerven- und Hormonsystems beschrieben ist. Die Funktion dieser vermittelnden Hülle wiederum wird durch die so genannte ursächliche innere Hülle stimuliert. Hier finden sich unsere individuellen Veranlagungen, ob durch Vererbung oder Erziehung, wieder. 

Während z. B. die Vermittlung von Wissen (Aufklärung) bzw. Psychotherapie und Meditation bei der „ursächlichen, inneren Hülle“ ansetzen und über die dortige Arbeit Veränderungen in den anderen Hüllen bzw. Systemen verursacht, setzt die therapeutische Arbeit des Kalari Chikitza klar in der festen grobstofflichen Materie, der äußersten Hülle an.

Die drei Hüllen sind in ständiger Kommunikation miteinander, und ein ständiger vielgestaltiger Bewegungsfluss durchzieht ein komplexes Netzwerk verschieden stofflicher Bahnen – dem Nadi-System. Ist ein Marma-Punkt blockiert, so hemmt und verändert er den Bewegungsfluss mit Auswirkungen auf alle drei Hüllen.

Diese Blockaden und Veränderungen manifestieren sich in der festen, äußeren Hülle, und verschiedenartige Symptome treten auf. Charakteristisch sind vorerst Schwellungen, lokaler Schmerz, dann ausstrahlender Schmerz, lokale und übertragene Dysfunktionen. Die Blockaden können durch gezielte Palpation der Marma-Punkte in den verschiedenen Geweben und Strukturen wahrgenommen werden.

Die häufigsten ursächlichen Faktoren für die Blockade von Marma-Punkten sind:

• direkte Traumen
• akute oder auch chronische lokale Überbeanspruchung
• Unterkühlung • Störungen im biomechanischen System (z. B. durch kompensierte, nachteilige Bewegungsmuster)
• psychischer bzw. emotionaler Stress 
• falsche Ernährung bzw. ungünstige Stoffwechsellage; übermäßige „Verschleimung“ des Organismus
• weitergeleitete Blockaden anderer Marma-Punkte

Die Therapie

Der Therapie voraus geht eine Anamnese, die sich in der Regel vorerst auf Folgendes konzentriert:

• die Grundsituation in Bezug auf die Doshas (funktionelle Prinzipien), also ob die Konstitution tendenziell zuviel Kälte, Hitze, Schleim, Trockenheit usw. besitzt bzw. produziert und ob diese Prinzipien regelgerecht im Körper verteilt sind
• auf den sozialen bzw. familiären Hintergrund (insbesondere bezüglich Stress, auch psychisch / emotional, und Arbeitsweise bzw. alltäglichen Bewegungsmustern)
• eventuelle Unfälle, Verletzungen und Operationen (die auch Jahre zurückliegen können).
• Nach dem Gespräch folgt die manuelle Untersuchung der Marma-Punkte und hilfreicher Nadis lokal oder auch systemisch.

Bei Frau W. ergibt die Anamnese u. a., dass in ihrem Körper die Hitzeverteilung nicht mehr stimmt. Sie kennt kaum Hunger (mangelnde Hitze im Magen), hat aber ein häufig gerötetes Gesicht, leidet unter Einschlafstörungen und ständigem Grübeln, das wiederum kennzeichnend für erhöhte Hitze im Kopf ist. 

Durch die mangelhafte Verwertung der Nahrung und einige Ernährungsfehler, wie z. B. Käse am Abend, produziert sie vermehrt Schleime, die zum Teil ausgeschieden werden, sich aber auch ablagern.

Ihre familiäre Situation ist eher entspannt, und sie erhält viel Unterstützung. Die Arbeit kann sicher als ein wichtiger verursachender Faktor der Symptomatik angesehen werden, da sie als Altenpflegerin viel heben muss und dort auch unter ständiger Anspannung steht. Dieser erhöhte muskuläre bzw. nervale Tonus ist eine häufige Ursache, dass sich im Körper zirkulierende Schleime (Kapha bzw. Ama) in den Nadis bzw. Marma-Punkten ablagern und diese verkleben bzw. blockieren.

Die manuelle Untersuchung ergibt teigig, schwammige Ablagerungen und ausstrahlenden Schmerz in Marma-Punkten des Halsbereichs, der Schultern und des Armbereichs sowie kleine Verhärtungen und Stränge am Hals, im Oberarm und im Bereich des Schulterblattes.

Durch die Untersuchung ergibt sich ein Bild der Störung, welches die wichtigen Blockaden des Nadi- und Marma-Systems der grobstofflichen, festen Hülle (Ruksha Kosha) im Zusammenhang zeigt.

Für die Therapie werden folgend schwerpunktmäßig die für die Symptomatik relevanten blockierten Punkte und Bahnen ausgewählt. Wobei während der Behandlung sich auch weitere diagnostische  Erkenntnisse eröffnen können und so die Behandlung stets angepasst wird.

Die Behandlung kann verschiedene Elemente besitzen. Eine Auswahl der wichtigsten:

• Uzhichil (eine spezielle Massagetechnik mit Öl, die gezielt mit dem Marma-Nadi-System arbeitet; lokal oder systemisch)
• Kizhi (Vorbereitung des Gewebes und Massage mit einem heißen, lösenden Kräuterbeutel) • Navara Kizhi (Massage mit einem nährenden, erweichenden Reis-Kräuter-Milch-Beutel)
• Pathis (Auflagen bzw. Bandagen mit verschiedenen Kräuter-Ölen oder kräftigenden, zusammenziehenden Kräuter-Harz-Mischungen)
• Adangals (manuelle Manipulationen durch den Therapeuten zur Öffnung und Stimulation der Marma-Punkte)
• Torils (Körperübungen für den Patienten zur Automobilisation bzw. Korrektur der eigenen Haltung und Bewegung)

Frau W. erhält täglich eine Ganzkörper-Uzhichil (Massage), die Behandlung mit dem Kizhi (heißer, lösender Kräuterbeutel) vom Hals bis zu den Händen sowie am oberen Rücken und abschließend Adangals (Manipulationen) und Torils (Körperübungen).

Einblick in therapeutische Anwendung am Beispiel von Uzhichil und Kizhi

Die Uzhichil (Kalari-Massage)

Durch das Ölen der Gewebe und Strukturen werden diese spürbar geschmeidiger und weicher. Die folgende Massagetechnik besteht zum größten Teil aus Strichen, die wichtige Bewegungsbahnen (Nadis) des Körpers bearbeiten. Diese Striche werden zumeist mit gezieltem tiefem Druck ausgeführt und beziehen die Marma-Punkte (Konzentrations- und Kreuzpunkte innerer Bewegungsbahnen) intensiv mit ein und optimieren so den gesamten Bewegungsfluss im Körper. Wichtig hierbei ist die korrekte Strichführung und Druckrichtung. Das subjektive Empfinden nach der Massage ist in der Regel ein Gefühl der Leichtigkeit und erhöhten Vitalität bzw. Beweglichkeit. 

Der Kizhi

In einem gut faustgroßen, gewickelten Stoffbeutel ist eine Mischung verschiedener Zutaten wie Gelbwurz, Dill- und Fenchelsamen, Zwiebel und Salz, die eine stoffwechselanregende, reinigende bzw. lösende Wirkung besitzen. 

Dieser lösende Kräuterbeutel wird in heißem Öl geschwenkt, welches ebenfalls noch ergänzende Eigenschaften besitzt und bezüglich der Art der Blockaden bzw. hauptsächlich betroffenen Struktur ausgewählt wird.

Ansammlungen, Verhärtungen bzw. Verklebungen werden durch die Hitze, die lösenden Substanzen und das Aufweichen durch das Öl zur weiteren Behandlung vorbereitet. Danach kann mit gezieltem, zum Teil recht tiefem Druck im Verlauf der Nadis (Bewegungsbahnen) das blockierende Gewebe herausgearbeitet werden (Uzhichil). 

Besonders bemerkenswert ist hier das Phänomen der „strukturübergreifenden Verschiebung“. Die gelöste Ansammlung lässt sich häufig durch unterschiedliche Muskelverläufe, auch über Gelenke hinweg verschieben. Es ist nicht selten, dass eine blockierende Ansammlung, die in der Halsseite steckt, bis in den Unterarm „verschoben“ werden kann, bis sie sich völlig aufgelöst hat.

Dieses Phänomen lässt sich wahrscheinlich durch Faszienketten erklären, welche ebenfalls als Nadis (Bewegungsbahnen) angesehen werden können.

Die Behandlung mit dem Kizhi bildet eine sehr intensive und häufig verwendete Technik.

Die verschiedenen Behandlungstechniken werden je nach Bedarf miteinander kombiniert und können auch durch die Verwendung von Kräutern und anderen Substanzen zur inneren Einnahme ergänzt werden.

Eine besondere Rolle spielen Mittel, die die Entgiftungsorgane wie Leber, Darm und Niere kräftigen und stimulieren, um die z. T. massiv gelösten Ansammlungen ordentlich zu entsorgen.

Ob sich ein Therapieerfolg noch weiter verbessert, bleibt oder wieder verschlechtert, ist abhängig von der Art der Ursache und dann von der entsprechenden Mit- und Nacharbeit des Patienten. Wenn sich Blockaden z. B. durch ständige Überbelastung, falsche Bewegungsmuster bzw. emotionalen Stress über eine lange Zeit hinweg aufgebaut haben, können sie häufig in wenigen Tagen gelöst werden, sich aber genauso wieder in folgenden Wochen und Monaten aufbauen, wenn die verursachenden Verhaltensmuster nicht verändert werden. Hierzu zählen Körpertraining, Aufbau innerer Stärke oder eventuell Lösung von Konflikten bzw. Veränderung der inneren Haltung und den Umgang mit den Konflikten. 

Das Kalari Chikitza arbeitet vor allem an der Auflösung grobstofflicher Blockaden bzw. auch der Kräftigung der Struktur – um die innere und äußere Bewegung zu verbessern und somit auch bestmögliche Voraussetzungen zu einer verbesserten Selbstregulation bzw. Neustrukturierung  des Organismus zu schaffen.

Frau W. konnte nach drei Monaten nach wie vor die Arme gut und schmerzfrei bewegen. Die Beweglichkeit hat sich durch intensives eigenes Einölen und konsequentes Durchführen der Torils (abgestimmter Übungen bzw. Automobilisationen) noch verbessert. Nach eigenen Angaben bemerkt sie, dass sich ihr Nacken anfängt leicht zu verspannen bzw. zu blockieren, sobald sie ihren ausgleichenden Übungen bzw. der Selbstpflege durch Öl (insgesamt ca. 15 Minuten pro Tag) mehrere Tage nicht nachgeht. Es ist anzunehmen, dass sich ihre Symptomatik durch ihren Arbeitsalltag nach mehreren Monaten wieder zu einem gewissen Maß aufbauen würde, wenn sie nicht selbst bewusst dagegen steuert.

Weitere Fallbeispiele (in Kürze)

Fall 1

Frau C., 37 Jahre, leidet unter starken Migräneanfällen. Seit knapp einem Jahr erfährt sie mehrere Tage im Monat heftige ausstrahlende Kopfschmerzen, die mit Übelkeit bzw. Erbrechen sowie Überempfindlichkeit der Augen und zum Teil auch Gliederschmerzen einhergehen. Ein von ihr als „leicht und dumpf“ beschriebener Kopf- und Nackenschmerz, ist praktisch täglich vorhanden, ebenso nächtliche Schlaflosigkeit, chronische Müdigkeit und Gereiztheit.

In der Anamnese fällt eine schwierige bzw. sehr belastende familiäre Situation auf, die seit knapp zwei Jahren ununterbrochener psychischer und emotionaler Stress für sie bedeutet. 

Die Untersuchung zeigt starke, sehr schmerzhafte Blockaden verschiedener Punkte im Halsbereich und der Wirbelsäule sowie eine insgesamt sehr angespannte körperliche Situation. 

Während einer siebentägigen Behandlung mit dem Kizhi (Massage mit dem heißen Kräuterbeutel) am Hals, Nacken bzw. dem Rücken bis zum Kreuzbein verschwanden die chronischen Kopf- und Nackenschmerzen. Die ebenfalls durchgeführte Ganzkörper-Uzhichil (Kalari Massage) wurde subjektiv als sehr vitalisierend und ausgleichend empfunden. Sie schläft nachts deutlich besser, ist tagsüber ebenso deutlich leistungsfähiger, ausdauernder bzw. geduldiger.

Ab dem dritten Behandlungstag wird täglich noch ein kühlender Stirnguss ausgeführt. Nach den sieben Behandlungstagen beschreibt sie sich selbst wie „ausgewechselt“. Sie beendet die Behandlung nahezu symptomfrei und erhält die eindringliche Empfehlung, ihre innere Haltung zu stärken bzw. an ihren Lebensumständen eventuell auch durch Hilfe von Außen zu arbeiten.

Das Gespräch nach drei Monaten ergab Folgendes:

Sie hatte fast sechs Wochen lang keinen Migräneanfall gehabt, und der erste war sehr leicht und auch gut ohne Schmerzmittel zu ertragen. Der nächste Anfall folgte erst im dritten Monat. Nach gut acht Wochen stellten sich wieder sehr leichte chronische Nacken- und Kopfschmerzen ein. Der Schlaf wurde nach zwei Wochen zunehmend leichter und ist mittlerweile wieder ähnlich schlecht wie vor der Behandlung. 

Frau C. hat nach eigenen Angaben weder an ihrer Art der Konfliktlösung noch ihrer inneren Haltung bei Stress gearbeitet. Ihr war selbst bewusst, dass sie nach den Behandlungen sehr gute Voraussetzungen hatte, ihre eigene Position zu ändern, ließ sich aber, so sagt sie, durch ihr Umfeld davon abhalten. 

Fall 2

Herr H., 25 Jahre, wurde wegen akuter Atembeschwerden und Herzstolpern in die ambulante Aufnahme eines Krankenhauses gebracht. Es konnte nichts festgestellt werden, und da die Symptome noch während der Wartezeit verschwanden, lehnte er selbst längerfristige diagnostische Maßnahmen ab. In den nächsten Tagen bzw. insbesondere in den Nächten litt er immer wieder für ca. eine bis mehre Stunden unter Schmerzen während der Einatmung und subjektiv erlebtem Herzstolpern sowie einem Gefühl der Enge im Brustkorb. Nach einigen Tagen kam er zu uns in die Praxis, weil sie in der Nachbarschaft lag.

Die Anamnese ergab einen Unfall, der sich wenige Tage vor dem ersten Auftreten der Symptome ereignete: Er stand mit dem Rücken zu einer Tür, die recht heftig aufgerissen wurde und deren Kante ihn dann in den Rücken stieß. Da es nur einen kurzen Schmerz gab, hatte Herr H. das Trauma nicht mit der aktuellen Symptomatik in Verbindung gebracht. 

Die Untersuchung zeigte eine schmerzhafte Blockierung des Marma-Punktes unter dem unteren Winkel des linken Schulterblattes.

Nach einer einmaligen Behandlung mit dem Kihzi (heißem Kräuterbeutel) und Uzhichil (Kalari Massage) traten die Symptome nicht wieder auf. 

Um die Blockierung vollständig zu beseitigen, wurden noch zwei weitere Behandlungstermine festgesetzt. Nach drei Monaten war Herr H. immer noch völlig symptomfrei.

Zusammenfassung

Das Kalari Chikitza basiert auf einem Wissens- und Erfahrungsschatz, der über viele Jahrhunderte gewachsen ist. Die Meister der Kampfkunst, des Kalarippayat, kombinierten die Prinzipien des Ayurveda, die Einsicht des Yogas mit ihren intensiven Körpererfahrungen aus dem Training und dem tatsächlichen Kampf. Mit dieser Basis wurde über Generationen und Jahrhunderte die Kunst des Marmaadi, die Manipulation des menschlichen Körpers über die Punkte des Marma-Systems entwickelt. Aus diesen Erfahrungen heraus erwuchs das Kalari Chikitza, die Therapie der Kalari-Meister. So gelten sie nicht nur als Spezialisten, Blockaden im menschlichen System zu verursachen, sondern sie auch ebenso effektiv zu beseitigen bzw. auch Strukturen des Bewegungsapparates zu kräftigen und in ihrer Funktion zu optimieren. 

Im Kalari Chikitza spielen die verschiedensten Substanzen, insbesondere Kräuter-Öle eine wichtige Rolle, da sie es vermögen, das Gewebe bzw. die Blockaden intensiv vorzubereiten, um sie dann mittels spezieller Massagen und Dehnungen zu therapieren.

Die Praxis zeigt, dass das Kalari Chikitza eine oftmals sehr beeindruckende und intensive Methode darstellt, um insbesondere folgende Beschwerden zu heilen oder zumindest nachhaltig zu lindern:

• aus dem Bewegungsapparat ausstrahlende Schmerzen 
• schmerzhafte bzw. limitierte Bewegung, auch nach Unfällen und Operationen (z. B. frozen shoulder)
• geschädigte bzw. geschwächte Strukturen des Bewegungsapparates (z. B. Traumata, Osteoporose, Bandscheibenvorfall, Arthritis, Arthrose)
• Beschwerden durch verminderte nervale, artero-venöse bzw. lymphatische Gefäßfunktionen (z. B. Schwäche, Lähmungen, Stauungen) 
• systemische Beschwerden wie allgemeine Schwäche, rheumatische Erkrankungen und insbesondere zur Rehabilitation nach Schlaganfall 

Zudem kann das System der Bewegungsbahnen oder Kraftlinien im Körper und den darauf liegenden Konzentrationspunkten hervorragend herangezogen werden um oftmals getrennt erscheinende Symptome miteinander zu verbinden und dadurch kausaler therapieren zu können. Oft zeigt es sich, dass ein Symptom, wie z. B. Schmerzen im Arm oder Atembeschwerden, durch eine kleine Blockade an einer anderen Stelle verursacht wird, die sich im Alltag des Patienten nicht direkt bemerkbar macht. Dieses Wissen kann für die verschiedensten Therapiearten und Beschwerdebilder nutzbar gemacht werden.

Ansätze zur Integration bzw. Zusammenarbeit mit anderen Systemen

Das Kalari Chikitza bildet eine spezialisierte Therapie, die traditionellerweise durch Ayurveda und Yoga bzw. insbesondere durch das Kalari Abhyasam (Training des Kalarippayat) sowie verschiedene Meditationen zu einer sehr vielseitigen, ganzheitlichen Therapie ergänzt wird.

Die klassischen indischen Systeme sind hierfür natürlich besonders geeignet, da sie mit den gleichen Begriffen und demselben Verständnis des Menschen und seiner Wechselbeziehung mit der Umwelt arbeiten.

Es hat sich in den letzten Jahren jedoch auch klar gezeigt, dass sich das Kalari Chikitza hervorragend mit modernen Therapiekonzepten kombinieren lässt:

• mit verschiedenen psychotherapeutischen Methoden, um durch die Psyche im Körper manifestierte Blockaden schnell zu beseitigen und so eine schmerzfreie und vitalere Grundsituation für Veränderungen zu schaffen
• mit physiotherapeutischen, chiropraktischen und osteopathischen Methoden, da Ansammlungen bzw. Blockaden häufig Zugkräfte z. B. auf Gelenke entwickeln, die manuelle Korrekturen in wenigen Stunden oder Tagen wieder rückgängig machen können, zudem können die Kenntnisse über Kräuteröle und deren Anwendung das Gewebe und die Strukturen sehr deutlich offener für korrigierende Veränderungen machen und sie z. B. noch aufbauend, lösend oder entzündungshemmend beeinflussen
• mit der Orthopädie, insbesondere in der Diagnose, da die umfassende Bedeutung des Bindegewebes und der Faszien zwar immer offensichtlicher wird, im Kalari Chikitza aber schon seit Jahrhunderten direkt mit diesen Komponenten gearbeitet wird – und auch viele kosten- und risikointensive Operationen erspart blieben
• mit der Chirurgie, zur Nachbehandlung z. B. von operativen Gelenksmanipulationen, insbesondere zur intensiven Stärkung, Verbesserung der Beweglichkeit und vor allem zur Verhütung von postoperativen Blockaden.

Dies bildet nur eine Auswahl an Möglichkeiten einer sinnvollen und bereichernden Integration der therapeutischen Erfahrung der Kalari-Meister. 

Es bleibt an dieser Stelle zu hoffen, dass der moderne Arzt bzw. Therapeut stets als höchste Priorität das Wohl seines Patienten hat und nicht die Verteidigung einer Doktrin - so kann es möglich sein, das über Jahrhunderte mit dem Menschen gewachsene Wissen des Ayurveda und als Teil davon, des Kalari Chikitza, auf die moderne Welt zu übertragen und hier bestehende Systeme zu optimieren.

 

Autor:
Markus Ludwig
Perlesöd 51
D-94078 Freyung
Tel.: 08551/915705
kalaribox@gmx.de


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