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Kapha muss geholfen werden …

18.12.2004 | von Regina Burbach 8000 Flugkilometer nach Südosten. Unter mir die Türkei, der Iran, Vereinigte Emirate, in der Nacht die Lichter von Dubai, der Riesenkontinent Indien. Dann Sri Lanka, als Tee-Insel Ceylon bekannt geworden, mein Traumreiseziel. Warum ich den halben Globus umfliege, um eine Kur zu machen, will die Stewardess wissen. Ich sage, weil ich Ayurveda in dem Erdteil erfahren möchte, wo er seinen Ursprung hat und weil an diesem Ort in Sri Lanka nichts von dem ist, was zu Haus in Deutschland mein Arbeitsleben ausmacht, kein Laptop, kein Mobiltelefon, das funktioniert hier nicht, zum Glück!

Und auch bin ich weit genug weg, um nicht einfach umkehren zu können, falls sich doch mein Chef meldet.
Ich habe eine dreiwöchige Panchakarma-Kur in der Greystones-Villa in den Bergen von
Sri Lanka gebucht.

Beim ersten Blick in die Augen von Dr. Fernando, die mich streng und gleichzeitig humorvoll ansehen, während er meinen Puls fühlt, weiß ich, dass ich ernst machen werde, zumindest für die Dauer der Kur, und besonders als er sagt: „keine Zigaretten mehr“. Diesem Arzt wird keine Sünde verborgen bleiben, da bin ich sicher. Dass ich rauche, zu Allergien und Gelenkirritationen neige, sagt ihm allein die Pulsdiagnose. Dr. W.I. Fernando ist über 80 Jahre alt und eine Kapazität auf dem Gebiet der traditionellen ayurvedischen Medizin. In seiner Familie wurde das „heilige Wissen vom gesunden und langen Leben“ über Generation praktiziert und weitergegeben.
Dr. Fernando fragt besonders eindringlich nach Eß-, Schlaf- und sonstigen Lebensgewohnheiten. Es unterstützen ihn bei dieser Voruntersuchung die Ayurveda-Ärztin für Gynäkologie Frau Dr. Karunadasa vom Ayurveda-Forschungsinstitut Colombo und Frau Dr. Kumari, Leiterin des  ayurvedischen Bezirkshospitals in Diyatalawa. Sie wird uns später während der Kur betreuen.

Im südöstliche Hochland von Sri Lanka hat der deutsche Heilpraktiker Norbert W. Fischer Anfang der 90iger Jahre ein Ayurveda-Kurzentrum gegründet, die „Greystones-Villa.“. In dem 1400 Meter über Meeresspiegel gelegenen Ort Diyatalawa werden wir statt Tropenschwüle wie an der Südwestküste milde 25 Grad Celsius und ein ideales Heilklima vorfinden, das in Sri Lanka seit alters her geschätzt und durch wissenschaftliche Untersuchungen, u. a. der Universität Heidelberg belegt ist. Das schwül-feuchte Klima an den Küsten des subindischen Kontinents vermehrt leider das „Pitta-Dosha“; der Wind des Meeres, Klimaanlagen und Ventilatoren erhöhen „Vata“. Da nach den Erfahrungen der ayurvedischen Ärzte bei der überwiegenden Anzahl der Patienten aus Europa vor allem diese beiden Doshas bereits aus dem Gleichgewicht geraten sind und die Krankheitssymptome verursacht haben, macht eine Panchakarma-Kur an der Küste wenig Sinn. In den Bergen wollen wir ein Klima geniessen, das ausgleichend auf alle Doshas wirkt
Die Reise führt uns durch eine atemberaubend schöne Landschaft, weite Ebenen mit palmenumrahmten Reisfeldern, Kleinstädte und Dörfer, vorbei an Teichen mit Lotosblüten, durch das sanft ansteigende Hügelland bis hinauf nach Diyatalawa in die teebuschbewachsenen Berge. Die Greystones Villa im britischen Kolonialstil liegt hoch oben in einer Serpentine, versteckt hinter den Bäumen eines üppigen Tropengartens.
Als wir ankommen, ist es später Nachmittag. Die Lobby mit den imposanten indischen Möbeln ist für den Empfang der Gäste geschmückt. Im Kamin glühen Kokosnußschalen. „It’s a bit fresh here after sunset“, flüstert ein zierlicher alter Mann, der einen weißen Sarong und ein Kellnerjackett trägt. Er legt noch ein paar Schalen nach. Zur feierlichen Begrüßung durch die Leitung des Kurzentrums dürfen wir jede und jeder einen Docht der Öllampe entzünden und dann zu einem Buffet schreiten, bei dessen Anblick uns die Augen übergehen. Auf einer langen Kerzenlicht beschienenen Tafel erwartet uns eine überbordende Fülle tropischer Früchte, ein paradiesischer Anblick und eine ebensolche Gaumenfreude. Fast lautlos, wie schwebend, kredenzen die Kellner sanft lächelnd heißes Wasser und Tee. Dies ist die Stelle, wo uns klar wird, dass wir zur Kur und nicht zum Schlemmen hier sind.


Reinigung von innen

Zauberhände
und duftendes Öl


Ich liege auf dem Behandlungstisch aus Teakholz und über meinem Kopf hängt an einer Art Galgen eine Tonschale mit Öl. Die Masseurinnen Deepa und Nelka verwöhnen mich mit einem besonderen Genuss, den sie mir als Shirodara vorstellen. Ihre Hände lassen die Tonschale sanft pendeln und von einem Baumwollfaden rinnt warmes duftendes Sesamöl aus der Schale auf die Mitte meiner Stirn, dicht am Haaransatz; ein gleichbleibend feiner, warmer Strahl fließt am Haarkranz entlang, dann nach rechts die Schläfe herab, langsam, sehr langsam, und wieder zurück über die Stirnmitte zur linken Schläfe, hin und zurück im Zeitlupentempo, hin und zurück. Es ist still um mich herum, nur von draußen im Garten höre ich Papageienrufe. Ich komme mir vor wie die Königin von Saba. Noch bei geschlossenen Augen habe ich das Bild der entspannten und ruhigen Gesichter von Deepa und Nelka vor mir, ihre Hände, wie sie die Tonschale umfassen, so achtsam, als enthalte sie die Weisheit der Welt. Ich schlafe ein.
Nach der Behandlung spaziere ich durch den Garten, ein Eden. In verschiedenen Ebenen angelegt, schmiegt er sich so selbstverständlich an den Hang als wäre er nicht angelegt, sondern immer schon Garten gewesen. Arkadengänge unter handtellergroßen Blüten, ganz oben auf dem Hügel, ein kleiner Wasserfall und eine Bank, dort kann man das ganze Tal überblicken. Nischen kauern hinter Buschwerk und Blüten, wo sich ganz ungestört zwischen den Behandlungen der Tag verträumen lässt. Und die Liegewiese vor der Villa ist sozusagen der Gesellschaftsraum. Dort treffen wir uns morgens um sieben, wenn noch Frühnebel über die Eukalyptusbäume im Tal streift, zum Yoga. Yoga wie auch Meditation werden angeboten, um die Wirkung der ayurvedischen Behandlung noch zu unterstützen.


Jahrtausende alte
Rezepturen

Die wichtigsten Behandlungen sind vormittags, diverse Spezialbehandlungen am Nachmittag. Nach dem Mittagessen pilgern wir durch den Garten den Hügel hoch zur „Hexenküche“ des Gesundheitszentrums, um unsere Medizin abzuholen - Pillen Säfte, Salben, alles, was die Kräuterspezialistin Manel nach den seit Jahrtausenden überlieferten und bewährten Rezepten jeden Tag frisch für uns zubereitetet: Baumrinde, Wurzeln, Zweige, Gräser. Wie kostbar dieser Naturschatz ist, wird deutlich, wenn man weiß, dass manche Pflanzen, die für die Rezepturen nötig sind, in Sri Lanka wegen des Abholzens der Wälder nicht mehr wachsen und aus Indien importiert werden müssen. Unsere Kräutercocktails basieren auf einem ausgeklügelten System der Naturheilkunde, welches Kraut in Kombination mit anderen wie wirkt und wieviel von jedem zum Kochen in den Topf kommt. Dr. Fernandos Verschreibungen beinhalten oft bis zu 35 verschiedene Kräuter, die als „Kasaysa“ bzw. decoctions verarbeitet werden.
Nachdem wir erstmals sehen, mit wieviel Mühe und Zuwendung Manel jede einzelne Ingredienz wiegt, mörsert und kocht, ändert sich schlagartig unsere Einstellung zu den oft nicht eben wohlschmeckenden graubraunen Heildrinks.

Dann die zweite Kurwoche, auf die wir uns schon fast euphorisch freuen: vierhändige Massagen …
Pizzichil heißt nicht umsonst „Königsbad“. Warmes duftendes Sesamöl, mit Kräutern vermischt, rinnt über meinen ganzen Körper. Vier Hände kreisen auf ihm, sie gehören diesmal Chandrani und Shamalee, von den Füßen bis zum Hals und wieder zurück und mit dem duftenden Öl dringen auch die Ruhe und Gelassenheit der beiden Masseurinnen durch ihre Hände in meine Poren.

 

Leben
nach unserer
wahren Natur
Vorbereitungen für
das „Leben danach“


Bei der Konsultation am Anfang der dritten Kurwoche erfahren wir Details über unseren Konstitutionstyp. Frau Dr. Karunadasa sagt, ich soll auch künftig kalte Speisen meiden, die seien bei zuviel Vata ungeeignet, auch rohe Kost wie Salate. Kein Problem, leicht verzichtbar. Statt dessen, sagt sie dann aber, warmes Gemüse. Oh je, dann käm’ ich doch noch ans Kochen. Andererseits, wenn ich das richtig verstehe, darf ich weiterhin fröhlich Haferflocken in Milch essen, soll Ananas meiden (ein Leichtes) und aus Fleisch hab’ ich mir sowieso nie was gemacht. Sie ist erfreut über unseren Kurerfolg und lobt unsere Disziplin.
Zu Beginn der dritten Woche sind Giftstoffe und Schlacken im Körper durch Medizin und Massagen, Bäder und Diät gelöst und stehen sozusagen für den Abtransport bereit.
Suneetha überreicht uns mit verschmitztem Lächeln ein Kräutergemisch, das sie ihrer eigenen Namenschöpfung nach „Farewell mix“ nennt. So fürchterlich, wie es schmeckt, müsste es den Darm in ein Wildwasser verwandeln und das gesammelte Ama (Giftstoffe) im Turbotempo hinaus befördern. Den ganzen Tag bleibt die Liegewiese vor der Villa leer …
Doch auch der Spuk der Ausleitens und der darauf folgenden Einläufe geht vorbei. Nach den Strapazen werden wir nochmals mit Massagen reichlich verwöhnt, fühlen uns alle wie neugeboren und fit für das Ausflugsprogramm zum Höhlentempel und zum Gewürzgarten. Erst jetzt fällt uns auf, dass wir fast drei Wochen lang unser Refugium kaum verlassen haben. Vermisst haben wir nichts. Was mich angeht, auch keine Zigaretten.

Autorin: Regina Burbach

 

Informationen über die „Greystones-Villa“:

Nandhi Ayurvedic Therapies GmbH
Norbert W. Fischer
Christophstr. 5
70178  Stuttgart
Tel.:   0711 - 2348144
Fax.:  0711 - 2348145
www.greystones-villa.de
info@greystones-villa.de

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