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Ayurveda Ausbildungen im Fadenkreuz

06.10.2004 | von Steffen Geißler Ayurveda wird häufig als „die Lehre vom gesunden Leben“ bezeichnet. Diese Übersetzung spricht vor allem für den präventiven Charakter des Ayurveda. Es geht dabei vorrangig um die Gesunderhaltung. Um dies zu ermöglichen, ist es notwendig die individuelle Konstitution des Einzelnen mit seinen Gewohnheiten in der jeweils sozialen und klimatischen Situation zu betrachten und zu verstehen.

Nur dann ist es möglich Ernährung, Lebensführung und Selbstpflege auch individuell bzw. ayurvedisch zu gestalten. Das ist es letztendlich, was Ayurveda auf den Gebieten der Gesundheitspflege und der Therapie so universell anwendbar macht.
In unserem Kulturkreis beschäftigen wir uns in der Regel erst dann mit unserer Gesundheit, wenn sie uns abhanden gekommen ist.
Kaum jemand fragt in erster Linie: „Wie bleibe ich gesund?“
Sondern: „Wie werde ich es wieder?“.
Erst dann tut sich dem einen oder anderen die Frage auf: „Wie bleibe ich gesund?“

Jeder, der mit Ayurveda arbeitet, ist daher mit Menschen konfrontiert, deren Zustand von dem des „Gesundseins“ abweicht. Dies trifft mal mehr, mal weniger zu. Dieser Umstand bringt Verantwortung mit sich, auch im so genannten Wellnessbereich. In einem Medizinsystem, das auch die Gesundheitspflege umfasst, ist es schwierig die Grenze zwischen Wellness und Therapie klar zu ziehen.
Es ist begrüßenswert, dass sich heute so viele Menschen mit dem Ayurveda auseinandersetzen. Dieser Umstand geht mit dem Wandel des Bewusstseins eines großen Teils der Bevölkerung einher. Es geschieht zu einer Zeit, in der auf Grund von Gesundheitsreformen eine Verschlechterung der medizinischen Versorgung zu verzeichnen ist. Das Bewusstsein für die gesundheitliche Selbstverantwortung, wie sie im Ayurveda gelehrt wird, ist eine große Chance für uns, vor allem auf dem Gebiet der Prävention.  Aber auch auf dem therapeutischen Sektor suchen immer mehr Menschen mit schweren Erkrankungen Hilfe im Ayurveda. Diese Hilfe bieten zu können setzt eine professionelle Ausbildung des Therapeuten voraus. Im Ursprungsland, Indien, bedarf Ayurveda deshalb nicht zu Unrecht eines mehrjährigen Vollzeitstudiums. Hierzulande obliegt es dem Verantwortungsbewusstsein des Ayurveda Therapeuten, Qualität bieten zu können. Da der Begriff Ayurveda Therapeut keiner bestimmten Norm unterliegt, bestimmt jeder selbst den Umfang seiner Ausbildung.

Wieso wird man Ayurveda Therapeut ?
Viele Menschen, die eine Ayurveda Ausbildung absolvieren, sind zum Ayurveda gekommen, um ihre eigene Lebenssituation zu verbessern. Diejenigen, denen eine professionelle Ayurveda Therapie geholfen hat, möchten dann mehr über diese ganzheitliche Medizin erfahren. Die Literatur lässt in der Regel viele Fragen offen, die zu klären es eines Lehrers bedarf. Wer sich daraufhin im Internet oder in Zeitschriften nach Ayurveda Ausbildungen umsieht, findet eine Vielzahl an Angeboten. Für einen unbedarften Menschen sind die maßgeblichen Kriterien meist der Preis für die Ausbildung und wie sich ein Institut präsentiert. Beide Kriterien sind aber keine Garantie für Qualität.
Wer auf der Suche nach einer Ausbildung ist, der sollte zunächst einmal sein Ziel kennen. Hierzu ein Beispiel anhand der Ernährung, stellvertretend für die verschiedensten ayurvedischen Ausbildungen:
Die erste Frage, die man sich stellen sollte, ist: 
„Will ich die ayurvedische Ernährung erlernen um mich gesund zu halten oder will ich ayurvedischer Ernährungsberater werden, weil ich anderen helfen möchte?“
Im ersten Fall braucht man einen ayurvedischen Ernährungsspezialisten. Jemanden, der die ayurvedischen Prinzipien auf einen selbst bezogen vermitteln kann und einem hilft diese im Alltag umzusetzen.  Diesem Anspruch können Ernährungsspezialisten in der Regel auch gerecht werden. Geht es also um die eigene Gesundheit, dann sollte man Zeit und Geld in Behandlungen und Beratungen investieren. Es bedarf dann keiner teuren Ausbildung, die verspricht in ein paar Kursen das nötige Wissen zu erlangen, um andere Menschen ayurvedisch zu verstehen und beraten zu können.
Ist das Ziel ayurvedischer Ernährungsberater zu werden, um anderen Menschen damit zu helfen, so sollte man sich zunächst selbst einer professionellen Ernährungsberatung unterziehen und persönliche Erfahrungen sammeln. Eventuell kann der ayurvedische Ernährungsberater, bei dem man selbst gute Erfahrungen gesammelt hat, bei der Suche nach einer Ausbildung behilflich sein.

Die Problematik mit europäischen Ayurveda Ausbildungen
Eine gute Ausbildung ist ein langer Weg, der mit ausreichend praktischer Arbeit einhergehen sollte.
Für viele Institute, die zunehmend dem Konkurrenzkampf ausgesetzt sind, ist eine Ausbildung in adäquatem Umfang unwirtschaftlich. Sie müssten dem Kunden sehr viel Zeit und damit Geld abverlangen. In der Regel gehen die Interessenten für Ayurveda Ausbildungen bereits einer beruflichen Tätigkeit nach. Sie haben nur begrenzt viele Urlaubstage im Jahr, hinzu kommen evtl. auch weitere zeitliche und finanzielle Verpflichtungen z.B. gegenüber der Familie. Um dem potentiellen Kunden eine trotzdem attraktive Ausbildung bieten zu können, wird vieler Orts einfach der Umfang der Ausbildung reduziert. Dies allerdings schlägt sich direkt auf die Qualität der Ausbildung nieder.
Das Problem besteht darin, dass Titel wie ayurvedischer Ernährungsberater oder Ayurveda Therapeut usw. keiner Ausbildungsnorm unterliegen. Jeder kann sich so nennen. Einige Institute versuchen Standards zu definieren.  Dabei legen sie jeweils die Ausbildungen, die sie selbst anbieten, zugrunde. Hier findet der politische und wirtschaftliche Machtkampf der großen Institute um die Vorherrschaft auf dem Ayurveda Markt statt. Ein institutsunabhängiges Gremium, das einen Standard ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Qualitätssicherung festlegen könnte, gibt es nicht.
Aus diesem Grund praktizieren im Westen viele „Ayurveda Therapeuten“, die therapeutisch unzureichend ausgebildet sind. Einige dieser Menschen findet man mittlerweile auch als Dozenten an Instituten wieder. Sie haben gelernt, was ihnen gelehrt wurde und möchten es weiter geben. Es liegt in der Verantwortung ihrer Ausbilder bzw. der Instituten den Teilnehmern ihren Wissensstand bewusst zu machen. Der Abschluss einer Ausbildung befähigt nicht automatisch zur Dozentur. Dafür bedarf es einer weiterer Ausbildung zum Dozenten oder langjährige Erfahrung und Fortbildung, die zum Spezialisten qualifizieren.

Wie findet man gute Ayurveda Ausbildungen?
Die Menschen, die vor der Entscheidung zu einer Ausbildung stehen, finden hier nützliche Kriterien, die bei der Suche nach einer guten Ausbildung hilfreich sein können:
1. Definiere genau Dein Ziel und Deine Erwartung an die Ausbildung.
2. Erkundige Dich bei möglichen Instituten, ob deren Zielsetzung sich mit Deinen Erwartungen deckt.
3. Erkundige Dich über die Qualifikation und praktische Erfahrung des Dozenten, der Dich unterrichten wird (wann er seine Ausbildung abgeschlossen hat und ob er neben der Dozentur auch praktiziert, etc).
4.  Therapeutische Ausbildungen solltest Du nur bei Dozenten absolvieren, die auch therapeutisch arbeiten dürfen (Heilberufler). Der Dozent kann nur dann ausreichend therapeutische Erfahrung haben.
5. Erkundige Dich über den Umfang der Ausbildung und das Verhältnis von Theorie zu Praxis (auch Praktika). Die praktische Umsetzung der Theorie ist das entscheidende bei Deiner zukünftigen Arbeit.
Diese Kriterien sind ebenfalls Hilfestellung bei der Suche nach Fortbildungen.

Traditionelle und moderne Ausbildung
Traditionell lebte ein Schüler viele Jahre zusammen mit seinem Lehrer (Guru). Er war hingebungsvoll und fleißig und erlangte auf diesem Weg Wissen und Erfahrung. Und auch wenn er nach vielen Jahren aus seiner Lehrzeit entlassen wurde, so blieb die zwischenmenschliche Verbindung zu seinem Lehrer bestehen. Er konnte ihn auch weiterhin um Rat fragen.
In unserem Kulturkreis und in unserem sozialen System ist diese Art zu lernen kaum möglich. Selbst in Indien ist das Gurusystem mittlerweile offiziell durch Ayurveda Kollegs ersetzt worden, auch wenn viele der modern ausgebildeten Ayurveda Ärzte aus gutem Grund zusätzlich einen „Guru-Lehrer“ haben.
In der heutigen Zeit sind wir meist auf Klassenunterricht angewiesen. Auf diese Weise können wir uns unser Grundwissen aneignen. Dann ist es an uns praktische Erfahrungen damit zu sammeln und erneut den Austausch mit Lehrern zu suchen. Es gibt ganz einfach Dinge, die in großen Klassen nicht genug Raum finden können. Diese Dinge zu erlernen und die Lücken zu schließen erfordert persönlichen Einsatz und Hingabe (z.B. Praktika und Supervision). Sie sind nicht mit X Euro und in Y Unterrichtseinheiten zu bekommen. Dazu braucht es einen Lehrer, nach der offiziellen Ausbildung noch bereit ist, Erfahrungen mit seinen Schülern zu teilen und der weiterhin als Ansprechpartner zur Verfügung steht.

Appell
Bei allen Modeerscheinungen kommt irgendwann der Punkt, an dem es nötig wird, Qualität und Effektivität zu beweisen. Die Modeerscheinung Ayurveda wird verschwinden wie dies alle Modeerscheinungen einmal tun. Bleiben wird Ayurveda. Für diejenigen, die ernsthaft am Ayurveda interessiert sind, ist es daher an der Zeit, die oberflächlichen Gefilde zu verlassen und in die Tiefe dieser Lehre einzutauchen. Praktika, Fortbildungen und der Austausch mit anderen Ayurveda Therapeuten im In- und Ausland sind dabei ein wesentlicher Aspekt. Den wachsenden Erwartungen der Patienten und Klienten gerecht zu werden, ist der Ayurveda nur dann im Stande, wenn er von gut ausgebildeten Therapeuten praktiziert wird. Hierin liegt unsere Verantwortung  dem Ayurveda gegenüber.

Autor: Steffen Geißler, www.kalari-kendram.de


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