Das unverdaute Material - Ama
07.12.2002 | Von Dr. Hans-Heinrich Rhyner | Eigentlich bedeutet Ama ungekocht, unreif oder unverdaut. In der Physiologie steht es für Vorgänge oder Faktoren, die auf Grund eines nicht richtig arbeitenden primären Stoffwechsels (Jatharagni) stattfinden. Vagbhata gibt eine genaue Beschreibung wie Ama entsteht, sich mit den Doshas vermischt und wie es aus dem Körper entfernt werden soll.
Das Entstehen und die Behandlung von Ama
Das erste Körpergewebe, Plasma (Rasadhatu), das wegen geschwächtem Stoffwechsel (Jatharagni) nicht richtig umgewandelt werden kann, wird abnormal und sammelt sich im Magen sowie Dünndarm und wird Ama genannt. Andere Autoritäten meinen, daß *Ama durch Vermischen stark gestörter Doshas entsteht, wie Gift durch Mischung verschiedener ungiftiger Substanzen hergestellt werden kann. Die Tridosha, Gewebe (Dhatu) und Abfallprodukte (Mala), welche sich mit Ama vermischen sowie die daraus resultierenden Krankheiten werden als Sama bezeichnet. Sama Dosha, das sich im ganzen Körper ausbreitet und sich nicht von den Orten seiner Ansammlung wegbewegt, soll nicht einfach mittels reinigender Therapien (Pancakarma) wie Vomitus (Vamana) oder Purgieren (Virecana) entfernt werden. Denn wie der Versuch, Saft aus einer unreifen Frucht zu pressen, diese zerstören wird, so wird auch der Versuch Sama aus dem Körper zu entfernen, das Gewebe mit dem es sich verbunden hat, ruinieren. Deshalb muß Sama Dosha zuerst mit verdauungsfördernden Medikamenten, dann mit Öl- und Schwitzkuren behandelt werden, bevor es mittels eliminierenden Maßnahmen, die auf Konstitution und Zustand des Patienten genau abgestimmt werden müssen, sicher entfernt werden kann. (43)
Wir können davon ausgehen, daß mit Ama toxische Substanzen gemeint sind, deren verantwortlicher Auslöser Mandagni ist, d.h. eine durch Kapha Dosha verursachte Unterfunktion von Jatharagni. Mandagni wiederum entsteht durch Fehler in der Ernährungsweise, emotionellem Streß und weiteren Faktoren, die hier aufgelistet sind:
- Nahrungsartikel, die miteinander nicht kompatibel sind
- Schwere oder unverdaubare Nahrung
- Überessen
- Nahrung, gegen die man eine starke Abneigung empfindet
- Nahrung, die Blähungen verursacht
- Rohe und nicht richtig gekochte Nahrung
- Nahrung, welche Magen und Darm irritiert oder Entzündung verursachen kann
- Sehr kalte Nahrung und Getränke
- Unsaubere, kontaminierte Nahrung
- Trockene, dehydrierte Nahrung
- Nahrung, die zu lange in Wasser aufgeweicht wurde
- Intensive Emotionen
- Streß
- Fasten
- Unregelmäßige Essenszeiten
- Nahrungsallergien
- Nebenwirkungen von Pancakarma Therapien
- Während der Rekonvaleszenz
- Ortswechsel
- Klimawechsel
- Wechsel der Jahreszeit
- Unterdrücken der natürlichen körperlichen Bedürfnisse.
Folgende akute Erkrankungen können durch Ama verursacht werden:
- Kaphaja - akute Gastroenteritis
- Pittaja - gastrointestinale Stase (Stillstand)
- Vataja - Meteorismus (Blähsucht)
- Weitere - Fieber,
- Diarrhö, Durchfall,
- verschiedene Erkrankungen der Leber,
- Aszites (Bauchwassersucht),
- Ödeme.
- Anämie,
- Polyurie,
- Diabetes (übermässige Harnausscheidung)
- Rheuma,
- histotoxische Anoxie (gewebeschädigende, völlig unzureichende Sauerstoffzufuhr),
- Verstopfung.
Im Allgemeinen ist Ama bei allen als Innere Krankheiten bezeichneten Störungen zumindest beteiligt, wenn nicht der Haupverursacher.
An dieser Stelle sollten wir die Rolle von Ama und Mikroben beleuchten. Der menschliche Körper wird von einer Vielzahl von Mikroben bewohnt, die eine enge Symbiose mit ihrem Gastgeber eingegangen sind. Das biologische Gleichgewicht bewegt sich in einer engen Bandbreite. Dies trifft insbesondere auf die Mikroben der Darmflora zu. Ama, das dieses Gleichgewicht durcheinander bringt, trägt dazu bei, daß bisher unschädliche Mikroben sich aggressiv verhalten oder daß virulente Mikroben, die durch die Nahrung in den menschlichen Körper gelangen, sich ausbreiten können. Ayurveda sieht deshalb Mikroben nicht als Verursacher einer Krankheit sondern eher als Symptome und empfiehlt dementsprechend Therapien, die darauf ausgerichtet sind, Ama aus dem Körper zu entfernen und die Gewebe aufzubauen anstatt Therapien, welche die Mikroben vernichten sollen.
So wird zum Beispiel auch eine akute Infektionskrankheit wie Tuberkulose zuerst mit milden, eliminierenden und anschließend mit gewebeaufbauenden Therapien behandelt. Dabei kann die Behandlung grob in zwei Bereiche gruppiert werden, (1) Behandlung der verschiedenen Krankheiten die mit Tuberkulose assoziiert sind und (2) der Behandlung von Tuberkulose an sich.(44)
(43) Ashtangahridaya, Sutra Sthana, Kapitel 13, Verse 25 bis 29
(44) Caraka Samhita, Cikitsa Sthana, Cakrapani*s Kommentar zu Kapitel 8. Verse 63 bis 64
Auszug aus "Das Praxis Handbuch Ayurveda. Gesund leben, sanft heilen" von Dr. Hans-Heinrich Rhyner, Copyright by Urania Verlag, Neuhausen, Urania Verlag.
Titelbild: Photo by Markus Spiske on Unsplash