Ayurveda - Körperliche Reinigung und innere Klärung mit Pancakarma

Ayurveda, die alt-indische Heilkunde, ist zur Zeit in jedermanns Munde. In Indien, Sri Lanka und Deutschland werden eine Vielzahl von Ayurveda-Kuren angeboten, viele Menschen haben bereits einmal die köstliche Ayurveda-Küche probiert, eine ayurvedische Synchronmassage genossen oder einen gesunden Ayurveda-Kräutertee gekauft. Doch die wenigsten wissen, was sich wirklich dahinter verbirgt und wie dieses ganzheitliche Medizinsystem arbeitet.

Ayurveda bedeutet übersetzt „das Wissen vom Leben“ und lehrt uns, wie jeder Mensch entsprechend seiner persönlichen Anlagen und  Konstitution erfüllt, gesund und glücklich sein kann. Um Körper, Geist und Seele immer wieder in ihr ursprüngliches Gleichgewicht zurückzubringen, werden die tägliche Ernährung, Körperpflege und Verhaltensregeln individuell auf die Bedürfnisse und Lebensweise des Einzelnen abgestimmt. Körperliche Beschwerden und psychische Überlastung finden Abhilfe in der ayurvedischen Therapie, die auf Reinigung und Ölung beruht. So dienen die wunderbaren ayurvedischen Ölmassagen, bei denen wir von zwei Therapeuten gleichzeitig mit warmem Öl massiert, gesalbt und liebevoll verwöhnt werden, der Regeneration und Vitalisierung von Leib und Seele und ergänzen die klassischen Panchakarma-Reingungskuren des Ayurveda.

Von jeher sind Reinigungskuren - die so genannten Panchakarma-Kuren - das Herzstück der ayurvedischen Medizin.  Durch die intensiven Ausleitungstechniken des Panchakarma, eine speziell abgestimmte Diät und die täglichen Ölmassagen wird der Körper von seinen abgelagerten Giften, überschüssigen Körpersäften und anderen Krankheitsfaktoren befreit. Entgegen der weit verbreiteten Meinung, Panchakarma-Kuren  seien  ein erholsamer Wellness-Urlaub mit Reinigungseffekt , stellt Panchakarma tatsächlich eine äußerst wirkungsvolle, aber auch anstrengende Therapieform dar, die vor allem zur Behandlung von schweren Erkrankungen eingesetzt wird. Durch die intensiven Massagetherapien, Ausleitungsverfahren und Kräutertherapien wird ein tiefer Erneuerungsprozess auf körperlicher und psychischer Ebene ausgelöst. Nicht nur die oft über Jahrzehnte angesammelten Toxine und Stoffwechselschlacken werden ausgeleitet, sondern auch emotionale Verletzungen und traumatische Erfahrungen aus der Vergangenheit können an die Oberfläche kommen. Damit können im Rahmen einer Panchakarma-Kur die grob- und feinstofflichen Ursachen der individuellen Beschwerdebilder erkannt, verändert und geheilt werden.

Doch dies erfordert höchste Disziplin und Anstrengung vom Patienten und den behandelnden Ärzten und Therapeuten. Immer wieder erlebe ich in den Panchakarma-Kuren, dass unsere Patenten vollkommen überrascht sind von der tiefen emotionalen Wirkung der Panchakarma-Behandlungen. Sie suchen im Ayurveda ganzheitliche Hilfe für ihre körperlichen Beschwerden, wie z.B. Arthrose, Asthma, Hautkrankheiten, Herzerkrankungen, Migräne oder Magengeschwüre, und sind dann ganz überrascht, wenn sie im Laufe der Behandlung damit konfrontiert werden, dass sie sich für ihre langfristige Heilung nicht nur mit neuen Lebens- und Ernährungsgewohnheiten anfreunden müssen, sondern oft auch eine tiefe emotionale Prozessarbeit durchleben, in der sie mit unverarbeiteten Kindheitserfahrungen, familiären Konfliktsituationen und spirituellen Blockaden konfrontiert werden. Um dies zu verstehen, sollten wir uns den  psychosomatischen Therapieansatz der ayurvedischen Heilkunde nochmals etwas genauer anschauen.

Psychosomatische Wirkung und spirituelle Transformation des Panchakarma

Nach ayurvedischer Auffassung manifestieren sich alle Störungen des körperlichen, geistigen und seelischen Gleichgewichts in den Körpergeweben (Dhatus). Die hier gespeicherten Störfaktoren werden durch schädliche Umweltbelastungen und Lebensgewohnheiten hervorgerufen, aber auch durch  eine Unterdrückung von eigenen Charaktereigenschaften, Gefühlen und Potentialen. Das eigene Weltbild, die positiven und negativen Gedanken, verdrängte Gefühle und ungelebte Persönlichkeitsanteile werden nun in der Zellintelligenz der verschiedenen Körpergewebe gespeichert und warten auf Erlösung.
Durch die intensiven Ausleitungstherapien des Panchakarma werden die verschütteten Gefühle und verdrängten emotionalen Verletzungen aus den Gewebsspeichern gelöst und an die Oberfläche gebracht. So können z.B. Menschen, die durch eine sehr strenge Erziehung und Unterdrückung in der Kindheit niemals gelernt haben, ihr Feuer zu leben, während einer Panchakarma-Kur einen Hitzeschub nach dem anderen, Wutausbrüche und Hautausschläge erleben. Übergewichtige, die nun einige Kilo Fettgewebe (Mamsa) abbauen, werden häufig von einem inneren Sog der Einsamkeit, Traurigkeit und  Sehnsucht nach Liebe überschwemmt.

Um all diese intensiven Eindrücke aufzufangen und zu verarbeiten, benötigen wir in dem ganzheitlichen Kurgeschehen eine sehr persönliche Betreuung und therapeutische Begleitung. Der Ayurveda-Arzt und seine Therapeuten leiten gleichzeitig eine medizinische Reinigungskur und ein spirituelles Retreat. Der Patient erhält tägliche Behandlungen in der Dauer von 2-3 Stunden, die oft von zwei Therapeuten gleichzeitig ausgeführt werden, hat mehrmals Gespräche und Konsultationen mit seinem Ayurveda-Arzt, und seine Kräuterpräparate, Massageöle und Speisen werden speziell für seine Konstitution hergestellt und verabreicht. Oft ist es während einer Panchakarma-Kur untersagt, laut zu sprechen, sich zuviel oder zuwenig zu bewegen, am Tage zu schlafen, sich sexuell zu betätigen oder seine Ernährungsregeln nicht zu befolgen.

Entscheidend für den positiven Erfolg einer Panchakarma-Kur ist, dass man sich genügend Zeit dafür nimmt. So dauern gute Panchakarma-Kuren, die einen medizinischen Anspruch erheben, mindestens zwei Wochen (besser noch länger). Ayurveda-Wellness-Kuren, die vor allem mit Ölbehandlungen, Massagen sowie individueller Ernährungsberatung arbeiten, bewirken eine beachtliche Erholung und Regeneration bereits nach fünf intensiven Kurtagen. Auch nach der Kur sollte man sich zu Hause noch Zeit zur Regeneration einplanen und die Gelegenheit nutzen, einige der alten Lebensgewohnheiten durch neue, „ayurvedische“ zu ersetzen.

Der tatsächliche Erfolg einer Ayurveda-Kur zeigt sich jedoch erst zu Hause, wenn es uns gelingt, das persönliche Verhalten auf die individuellen Bedürfnisse abzustimmen. Schon die kleinste Ernährungsänderung, wie z.B. zum Frühstück keinen Joghurt mehr essen, statt Kaffee Ingwerwasser zu trinken oder übermäßige Rohkost am Abend zu vermeiden, kann wahre Wunder bewirken. Und auch auf der psychischen Ebene können sich große Veränderungen nach einer Panchakarma-Kur einstellen: So erinnere ich mich noch gut an einen Patienten, der sich direkt nach der Kur von seiner Ehefrau trennte, mit der er bereits seit  38 Jahren verheiratet war. Er erkannte nach seiner Reinigungskur, dass seine Herzrhythmusstörungen nichts mit beruflichem Stress  oder dem gelegentlichen Alkoholgenuss zu tun hatten, sondern einzig durch seine unglückliche Ehe und innere Vereinsamung hervorgerufen wurden. Mit der aus der Kur gewonnenen körperlichen Kraft und inneren Klarheit gelang es ihm, sich von alten Banden zu befreien und ein völlig neues, gesundes Leben  zu beginnen.

Eine andere Patientin hingegen hatte während der Kur sensationelle Behandlungserfolge in ihrer Rheumatherapie zu verzeichnen. Bereits nach einer Woche war sie nahezu schmerzfrei und konnte sich von Tag zu Tag besser bewegen. Doch kaum war sie zu Hause angekommen, nahmen die Beschwerden wieder zu. Nun erkannte sie, dass die Beschwerden ihres Bewegungsapparats nicht allein von der falschen Ernährung herrührten, sondern sie sich in ihrem voll durchorganisierten und sehr engagierten Leben  aller inneren Bewegungsfreiheit beraubt hatte. Der mangelnde Raum für eigene Bedürfnisse und persönliche Entwicklung ließ sie auch körperlich wieder erstarren. Glücklicherweise nahm sie nun Kontakt zu ihrem behandelnden Ayurveda-Arzt auf und konnte in einer langfristig angelegten Ayurveda-Therapie sowohl ihre körperlichen als auch ihre psychischen Hindernisse und Beschwerden auf ganzheitliche Weise beheben.
 
Unter all diesen Gesichtspunkten sollte man genau prüfen, wo der geeignete Platz ist, um eine auf die persönlichen Bedürfnisse abgestimmte Ayurveda-Kur zu machen. Häufig werden die psychischen Aspekte in einer Panchakarma-Kur zu wenig oder gar nicht berücksichtigt. Oder man hat anschließend keine Möglichkeit, mit den Ayurveda-Ärzten und -Theraeuten wieder in Kontakt zu treten und die Behandlung fortzusetzen. Wichtig ist auch, zu erfahren, wie häufig und von welcher Qualität die Behandlungen, Kosultationen und Therapeutika im Kur-Angebot sind. Denn die vielen Sonderangebote auf dem Wellness-Markt sind leider oft von so unqualifizierter Natur, dass die ganze Mühe umsonst war.

Zur Autorin
Kerstin Rosenberg gehört zu den bekanntesten Ayurveda-Spezialistinnen in Deutschland und hat bereits mehrere Bücher zu diesem Thema veröffentlicht. Sie leitet Ayurveda-Seminare in verschiedenen Ländern Europas und bildet seit 10 Jahren Ayurveda Gesundheits- und Ernährungsberater, Ayurveda-Therapeuten und -Spezialisten aus. Gemeinsam mit ihrem Mann leitet sie das Mahindra-Institut – The European Academy of Ayurveda – in Birstein (südlicher Vogelsberg). Hier bietet sie mit einem renommierten Ärzte- und Therapeutenteam ein umfassendes Seminar-, Ausbildungs- und Kurprogramm auf höchstem Niveau an und vermittelt  die traditionellen Techniken des Ayurveda in einer für Europäer verständlichen und umsetzbaren Form. Kontakt: www.mahindra-institut.de

Hilfe bei der Suche nach qualifizierten Therapeuten und Kurangeboten bietet auch der Verband Europäischer Ayurveda-Therapeuten (VEAT), ein freier Zusammenschluss von mehr als 350 qualifiziert ausgebildeten Ayurveda-Ärzten und -Therapeuten. Über die Geschäftsstelle in Deutschland wird eine aktuelle Adressenliste der im Verband assoziierten Therapeuten und Ärzte verschickt. Weitere Informationen hierzu im Internet unter: www.ayurveda-forum.de