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Ayurveda für Männer

Ayurveda für Männer

30.03.2004 | von Hans H. Rhyner, Naturarzt für Ayurveda MD Statistiken sind nicht immer verlässlich, doch wenn seit über einem Dutzend Jahren von zehn meiner Klienten nur einer ein Mann ist, dann haben Männer wirklich Probleme. Dass Männer heute eine geringere Lebenserwartung haben, soll angeblich in der genetischen Veranlagung liegen, ist aber meiner Ansicht nach eher mit ihrem Verhalten betreffend der eigenen Gesundheit zu erklären.

Entsprechend Ayurveda haben sowohl Männer wie Frauen das gleiche Recht, ihre Lebensspanne vollständig und gesund zu erleben. Selbst bei einem Gebrauchsgegenstand wie einem Automobil, dem Lieblingskind der meisten Männer, kann die volle Lebenserwartung nur erreicht werden, wenn es regelmässig gepflegt wird und nicht missbraucht wird. Missbrauch geschieht, wenn das Auto überlastet wird oder auch, wenn es zu wenig gebraucht wird.

Auf die Frage hin "Treiben Sie regelmässig Sport?" antwortet ein männlicher Patient "Im Moment gerade nicht, aber ich habe vorher intensiv Spitzensport getrieben." Worauf ich hinterfrage "Bis wann haben Sie denn diesen Spitzensport gemacht?" Die Antwort ist niederschmetternd: "Bis vor 15 Jahren." Wenn ich die Ernährungsgewohnheiten wissen möchte, erfahre ich, dass dieser Mann statt einer Mittagsmahlzeit sehr oft ein paar Kaffees trinkt. Bei der Untersuchung des Pulses, sowohl nach ayurvedischen wie auch nach modernen medizinischen Kriterien, stelle ich eine Pulsrate um die 100 und weit überhöhte Blutdruckwerte fest. Eine besorgniserregende Situation, die Grund zum Nachdenken gäbe! Die Reaktion des Betroffenen: "Ich bin jetzt ein wenig aufgeregt. Das wird schon wieder." Das tut es sicher nicht. Solche Tatsachen herunterzuspielen ist unehrlich und eine Vogel Strauss Politik.

Aber wenn Männer gesundheitsbewusst werden, dann wird es erst recht gefährlich, denn Sie übernehmen dabei ihre geradezu religiösen Prinzipien wie Leistung bis zum geht nicht mehr oder "Du kannst alles erreichen, wenn du nur willst oder bleibe für immer jung." Das führt zum Kollaps, wie leider auch im Fall des berühmten Arztes und Gesundheitsguru, obige Thesen erfolgreich in seinen Büchern propagiert und der mit schwerem Herzinfarkt in der Intensivstation liegt. Solche Programme führen dazu, dass die letzten Reserven kurzfristig noch einmal aufpoliert werden. Dank dem erhöhten Adrenalin entsteht ein Super-Gefühl dabei und die Lemminge hopsen jauchzend und "ich fühl mich grossartig" rufend über die Klippen ins Nichts.

Ja, sind die Männer denn noch zu retten? Ich denke schon. Die Chancen stehen besonders gut, wenn eine umsichtige Frau hinter ihnen steht. Dazu gibt es auch ein indisches Sprichwort, welches besagt, dass die Frau zu 50 % verantwortlich für die Intelligenz des Mannes und zu 100 % für sein körperliches Wohl zeichnet. Alleine schaffen sie es kaum. Wir spielen uns zwar gerne als grosse Beschützer und Ernährer auf, ziehen in Schlachten, um die Interessen des Clans zu vertreten, aber eigentlich sind wir recht hilflos, was unser eigenes Wohlbefinden anbetrifft. Damit ein Mann überhaupt gesund bleibt und lange lebt, braucht er eine Frau. Im ersten Lebensabschnitt übernimmt diese Rolle natürlicherweise die Mutter, später seine Lebensgefährtin. Ohne Frau sinkt die Lebenserwartung und Qualität.

Was sind weitere Massnahmen, die ich aus ayurvedischer Sicht empfehlen kann:

* Ein Paradigmawechsel ist die erste und wichtigste Voraussetzung, denn wer sich nicht ändern will oder wenigstens den Wunsch pflegt, sich zu verändern, hat keine Chance. Auf der Ebene des Bewusstseins muss der Wechsel zuerst stattfinden. Die Intention, warum ich etwas mache, ist immer wichtiger, als das, was ich letztlich mache. Ansonsten sind die Änderungen von kurzer Dauer, weil sie nur künstlich aufgepfropft sind.

* Symptome genau beobachten und danach handeln. Wenn sich Hunger, Durst, Müdigkeit, Druck im Dickdarm oder Blase melden, dann soll man diese Funktionen nicht verschieben oder unterdrücken. Lernen Sie, auf die Körperintelligenz zu hören. Ein liebevoller Umgang mit sich selbst ist angezeigt.

* Klassifizieren Sie Ihren Organismus nicht in Körper und Psyche. Die Folge ist dann meistens, dass der Körper zweitrangig behandelt wird und das ist nicht gut.

* Die Sinnesfunktionen sollen angemessen sein und bewusst wahrgenommen werden. Tauchen Sie in die Welt der Sinne ein. Sie sind die Messinstrumente, welche Ihnen die Natur zur Verfügung stellt und mittels derer Sie feststellen können ob etwas gut oder schlecht für Sie ist. Diese Instrumente sind viel genauer als irgendwelche von Wissenschaftlern angebotenen Tabellen mit sogenannten objektiven Werten.

* Ihr Libido zeigt Ihre momentane psychosomatische Verfassung an. Ein vermindertes Libido soll nicht als schicksalhaft hingenommen werden, etwas, worüber man nicht spricht. Angeblich soll in Österreich jeder fünfte Mann über 40 darunter leiden. Die Kur dafür ist nicht Viagra. Das kann gefährlich werden. Ein vermindertes Libido zeigt nämlich an, dass die Körpergewebe oder die Immunität vermindert sind. Das geschieht meistens, wenn über längere Zeit mehr Energie verbraucht als produziert werden. Die Antwort sind gezielte regenerative Massnahmen, eine konstitutionsspezifische Ernährung und spezielle aphrodisierende Therapien wie Ölmassagen und entsprechende Präparate.

* Regelmässige ausgleichende sportliche Betätigung oder Yoga. Selbst wenn Sie harte körperliche Arbeit während des Tages leisten, kann das nicht als Ersatz von Sport oder Yoga gelten, denn die Bewegung während der Arbeit ist nicht harmonisch oder ausgleichend.

* Vermeiden Sie Gewohnheiten, die Ihre Gesundheit bedrohen wie Nikotinsucht, Konsum von alkoholischen Getränken ausser bei den Mahlzeiten, fettige oder in Fett gebackenen Speisen.

* Verlassen Sie Sich nicht auf chemische Krücken wie Betablocker, oder Mittel gegen Übersäuerung oder hohe Cholesterinwerte. Passen Sie Ihren Lebensstil der jeweiligen Situation an. Nur weil Sie als Kleinkind Griessbrei schrecklich gern gegessen haben, mögen Sie das heute vielleicht auch nicht mehr.

Meine Erfahrung ist, dass Kuren oder Therapien bei Männern überhaupt nichts bringen, wenn sie nicht selbst davon überzeugt sind. Oft fahren sie der Gattin zu Liebe zu einer Kur,  finden aber, dass sie das eigentlich gar nicht brauchen. Ohne die volle Kooperation eines Patienten kann man bei sämtlichen Therapien keinen befriedigenden Erfolg erzielen. Dann ist es besser, man lässt den Mann zu Hause. Dort wird er ohne die Unterstützung seiner Lebensgefährtin eine schwierige Zeit verbringen. Noch schwieriger wird*s dann, wenn die Frau voller Lebensfreude und sichtlich verjüngt von einer Ayurveda-Kur zurückkehrt und die bewundernden Blicke anderer Männer auf sich zieht....

 

Autor:

 

 

Hans H. Rhyner war Seminar- und Ausbildungsleiter am Mahindra-Institut - The European Academy of Ayurveda und gilt als führender und international anerkannter Experte und Pionier der Ayurveda-Medizin.

Außerdem leitete er das allvedya Ayurveda Gesundheitszentrum in Loosdorf bei Wien.

Kontakt: www.ayurveda-rhyner.com

Titelbild: Photo by Matheus Ferrero on Unsplash


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