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Osteoporose und Arthrose – grundlegende Gedanken aus der Sicht des Ayurveda Teil-2

Osteoporose und Arthrose – grundlegende Gedanken aus der Sicht des Ayurveda Teil-2

29.07.2012 | Hier die Fortsetzung des Artikels, der eine ganz andere und neue Sichtweise auf Arthrose und Osteoporose aus dem Blickwinkel der grundlegenden Prinzipien des Ayurveda ermöglicht. Teil 2Von Dr. Sajan Kumar S. (B.A.M.S.).

(Read also in English)


Die Eigenschaft 'snigdham' im Zusammenhang mit der Osteoporose und Arthrose:

    Snigdham (ölig oder fettig) ist eine Qualität, die mit kapha in Verbindung gebracht wird und die die trockene Qualität, rooksham, von vaatha ausgleicht. Öl weist diese Qualität in besonderem Maße auf. Snigdham wird auch als diejenige Eigenschaft bezeichnet, welche lose Staubteilchen und Erdpartikel zu geschmeidigem und fruchtbarem Schlamm zusammenfügt. Öle werden generell unter die Qualität sneham eingeordnet, was so viel bedeutet  wie, “ die Eigenschaft von snigdham aufweisend“. Sneham bedeutet auch “Liebe”. Liebe bringt Menschen zusammen, während Hass sie voneinander trennt. Liebe steht auch in Verbindung mit Fortpflanzung. Der Ursprung des Lebens, das Wachstum, die Aufrechterhaltung, die Fortpflanzung u. s. w. stehen alle in Beziehung zu dieser Qualität, sneham oder snigdham. Grobheit, Härte, Grausamkeit, Ärger, Aggression u. s. w. gelten als trockene oder raue Eigenschaften, die im Widerspruch zum Leben stehen.   

Jeder Mensch sehnt sich danach, zu lieben und geliebt zu werden. Der Mensch ist ein soziales Lebewesen. Bewusst oder unbewusst wünschen wir uns einen eigenen Platz innerhalb der Familie und in sozialen Kreisen, um im Bewusstsein, in der Aufmerksamkeit und Erinnerung von anderen Menschen gegenwärtig zu sein und möchten zumindest einige Momente unseres Lebens irgendwo für immer eingeprägt wissen. All dies ist nur möglich, durch eine beständige Interaktion mit den Mitmenschen und der Außenwelt. Sobald wir aus dieser Kette von Interaktionen herausgeraten, wird unser Leben „trocken“, und diese Trockenheit greift von der mentalen Ebene auf die körperliche Ebene über. Das Leben hat seinen Ursprung in Liebe, durch die es bestehen und den Tod überwinden kann. Liebe, Reproduktivität, Leistungen und Errungenschaften stehen direkt oder indirekt mit der Sehnsucht nach Unsterblichkeit in Verbindung. Der Mangel an Beziehungsfähigkeit und Anteilnahme am gemeinschaftlichen und sozialen Leben, sowie der Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit, stellen einen wichtigen Faktor in degenerativen Erkrankungen dar. Nach allgemeinem Verständnis beginnt der degenerative Prozess in den Knochen im Alter von 34 Jahren. Es ist anzunehmen, dass ab diesem Zeitpunkt die abbauenden über die aufbauenden Kräfte überwiegen. Dies markiert in gewisser Weise einen Endpunkt des Wachstums. Die Divergenz oder Expansion kommt zu einem Ende und es beginnt ein Abbau der Knochensubstanz. Viele Pflanzen sterben nach der Blüte und der anschließenden Fruchtbildung ab. Bis zu einem gewissen Grad ist dies auch auf das menschliche Leben übertragbar, da das Zusammenkommen mit dem Lebenspartner hier ebenfalls einen Gipfelpunkt darstellt. Von da an beginnt in der Regel bereits wieder ein Abstieg. Einsamkeit, Alleinsein, das Fehlen von Kindern (insbesondere bei Frauen), Depressionen und Stress sollten in diesem Zusammenhang ebenfalls eine Betrachtung erhalten. Die Fortpflanzungsfähigkeit ist ein Faktor, dem in der Natur ein hoher Stellenwert zukommt und der dem einzelnen Lebewesen eine Existenzberechtigung verleiht. Die Libido wird im Menschen stark, wenn er verliebt ist und wird noch stärker, wenn auch Kinder auf die Welt kommen. Die Großeltern sehen auch einen Sinn in ihrem Leben darin, auf die Geburt der Enkelkinder zu warten.  Menschen, die sich aus dieser Kette herausnehmen, verlieren ihre Bedeutung für die Natur und für die Fortpflanzung weshalb die Natur solche Lebewesen nicht unterstützt oder erhält. Das Aufkommen des Risikos zur Osteoporose nach der Menopause, kann ebenfalls aus diesem Blickwinkel heraus betrachtet werden. Menschen aber, die ihrem Leben einen anderen Sinn geben, wie z. B. durch künstlerisches Schaffen, geistige Aktivitäten und spirituelle Entwicklung, fallen nicht in diese Kategorie. Im Netzwerk der Interaktionen fließt der kühlende, nach unten gerichtete Strom der kosmischen Energie. Menschen, die also weder eine Partnerschaft, eine Familie und Kinder besitzen und auch keine anderen sinnvollen Lebensinhalte haben, welche diesen Leerraum ausfüllen, geraten in diese oben erwähnte Situation und unterliegen tendenziell stärker den von der Natur auferlegten Prozessen. Sie fallen aus diesem natürlichen Fluss des Lebens heraus, wie Zellen, die nicht ausreichend mit dem Blutkreislauf verbunden sind. Gerade bei degenerativen Erkrankungen, wie es die Osteoporose ist, sind höhere, spirituelle Ideale für das Leben notwendig.

    Wie bereits erwähnt, beruhen Entstehung, Aufrechterhaltung und Wachstum der Materie und der physischen Körper auf einem geringfügigen Überwiegen des kühlenden abwärts gerichteten Energieflusses.  Aus der Sicht des Ayurveda drückt sich dies durch die Eigenschaften seetham (kalt), snigdham (ölig), guru (schwer), mandam (träge), slakshanam (glatt) und mruthsnam (klebrig) aus. Dies sind die Eigenschaften, die für das dosha, kapha, stehen. Zusammenfassend werden diese Eigenschaften von kapha mit dem Begriff soumyam benannt, was so viel heißt, wie beruhigend und besänftigend. Eine andere Bezeichnung, die in diesem Zusammenhang relevant ist, ist aardram, was übersetzt „nass“ bedeutet oder „Feuchtigkeit spendend“. Hierzu zählen auch Tugenden wie, Liebe, Mitgefühl, Gnade, Geduld, Großzügigkeit, Toleranz u. s. w.. Diese Eigenschaften wirken förderlich und begünstigend auf das Leben, das Wachstum und auf den Fortbestand des Lebens, indem sie die Fruchtbarkeit fördern. Charles Darwin machte die Beobachtung, dass nicht die stärksten oder intelligentesten Organismen die besten Voraussetzungen zum Überleben besitzen, sondern diejenigen, die in der Lage sind, sich in optimaler Weise an die Natur und deren ständigen Wandel anzupassen.  Ayurveda sieht das Geheimnis für ein gesundes und langes Leben in der Pflege eines Lebensstils, in dem diese weiblichen Qualitäten dominieren. Anstatt den Kampf mit den Lebensumständen aufzunehmen,  und zu versuchen, die Natur zu zähmen und zu manipulieren, ist es ratsamer, ein Verständnis für sie auszuprägen und nach Kompromissen und Möglichkeiten zu suchen, in Harmonie mit ihr zu leben. Personen oder Gesellschaften, in denen das männliche Prinzip stark dominiert, werten solche Eigenschaften in der Regel als dumm und als Zeichen von Schwäche ab. In Wirklichkeit aber sind dies gerade diejenigen Qualitäten, die zur Entwicklung von Stärke und Kraft beitragen, während einseitige Aktivität zur Aufzehrung dieser Kräfte führt. Nur in einem mehr oder weniger gesunden Individuum, kann eine Krankheit entstehen und sich ausbreiten. Wenn dieses Individuum stirbt, dann muss auch die Krankheit sterben. Somit entsteht Krankheit immer auf Kosten einer bestehenden Ordnung, dharma.

Wenn der erhitzende und aufsteigende männliche Energiefluss über den weiblichen, nach unten gerichteten Fluss dominiert, dann kommt es zu einem Vorherrschen der vaatha-Qualitäten, wie rooksham (trocken), lagkhu (leicht), seetham (kalt), kharam (rau), sookshmam (fein) und chalam (dynamisch).  All diese Eigenschaften sind divergent. Ein Maiskorn beispielsweise, entweder roh oder gekocht (nicht überkocht), offenbart kapha-artige Eigenschaften, wie ölig, schwer, träge (in Bezug auf seine Verdauung und Absorbtion), glatt, klebrig u. s. w.. Wenn aber dieses Maiskorn zu Popcorn verarbeitet wird, so kehrt sich die Konvergenz in eine Divergenz um, so wie sich eine Blütenknospe zu einer Blüte öffnet. Die Qualitäten, die dann zum Ausdruck kommen, passen mehr zu vaatha und zeigen sich als Trockenheit, Leichtigkeit, Rauheit, Feinheit (aufgrund der Trennung der Teilchen und der darin entstandenen Poren) und als Dynamik (aufgrund der Leichtigkeit). Die Integrität, in der alle Moleküle mit einem Zentrum oder einer Achse verbunden waren, hat sich in diesem Zustand sozusagen umgekehrt.

    Eine Gesellschaft, Zivilisation oder Nation, die den erhitzenden, aufsteigenden Fluss der Energie als Leitprinzip besitzt, wird Krankheiten wie Arthrose und Osteoporose in höherem Maße hervorbringen. Dort wo ein harter Wettbewerb in allen Bereichen vorherrscht, sind Stress und Ängste sehr verbreitet und viele Menschen leiden unter Depressionen, Einsamkeit und Isolation. In einer solchen Gesellschaft nehmen vaatha-Eigenschaften die führende Rolle ein und schaffen Bedingungen, die eher lebensfeindlich sind. Mehr oder weniger bewegt sich mittlerweile die ganze Welt in diese Richtung. Die Pflanzenwelt, die mehr von den soumyam-Qualitäten bestimmt ist, leidet unter dieser Entwicklung. Die Menschheit strebt nach immer mehr Dynamik und erschöpft dabei die Energieressourcen, deren Entstehungsprozess eine sehr lange Zeitspanne einnimmt. Die zunehmende Abschwächung der kühlenden Seite und die Zunahme der erhitzenden Seite, ist die Grundursache vieler Probleme, denen wir heute gegenüberstehen.

    Alle energetisierenden und stimulierenden Mittel fördern die erhitzende Seite. Sie brechen die Materie auf und entfesseln Energie. Tee, Kaffee, Alkohol, Nikotin, um deren dehydrierende Wirkung man mittlerweile weiß, zählen unter anderem zu dieser Kategorie. Aus ayurvedischer Sicht besitzen sie erhitzende Eigenschaften und sollten daher gemieden oder zumindest eingeschränkt werden, so dass ihr Gebrauch allenfalls wie eine Art Luxus gehandhabt wird, den man sich ab und zu gönnt. Ähnlich wie man durch das ständige Feiern von Festen all sein Geld verprasst, so führt auch der regelmäßige und exzessive Gebrauch von stimulierenden und energetisierenden Mitteln zu einem Verlust der Kräfte und der Stärke des Immunsystems und birgt das Risiko von degenerativen Erkrankungen in sich.

So wie diese Getränke zwar meist Wasser enthalten aber dennoch heiß in ihrer Qualität sind, so unterscheiden sich auch die Qualitäten snigdham (ölig) und seetham (kühlend), je nachdem welche weiteren Inhaltsstoffe im Wasser enthalten und welche anderen Faktoren gegeben sind. Abgekochtes Wasser ist in seiner Qualität heiß. Es behält diese Eigenschaft noch zwei bis drei Tage lang nach dem Abkochen bei, selbst wenn es abgekühlt ist. Das Wasser von Flüssen und Bächen, die aus den Bergen kommen, ist leichter als das Wasser aus den unteren Regionen in Höhe des Meeresspiegels. Wasser aus tiefen Brunnen verfügt über diese obigen Qualitäten in besonders hohem Maße. Brunnenwasser, das zu viele Sedimente enthält, macht die Haut jedoch trocken. Solches Wasser hat seine snigdham-Qualität verloren. Die kühle Qualität, wie sie im Ayurveda verstanden wird, bezieht sich nicht auf die fühlbare und messbare Temperatur, sondern stellt eine erfahrbare oder angenommene Wirkung dar. Wenn man sich beispielsweise verbrennt, dann helfen kühlende Auflagen mit Eis, kaltem Wasser, Buttermilch oder frischem Pflanzensaft von Aloe Vera. Dabei erscheint Eis mit Sicherheit kälter als Buttermilch oder Aloe-Vera-Saft. In der tatsächlichen Wirkung aber, erweisen sich Buttermilch und Aloe-Vera-Saft als kühlender.

Zum 1. Teil

Zum 3. Teil

‌©Dr. Sajan Kumar Somarajan (Juli 2012)

Übersetzung aus dem Englischen: Christine Hein


Kontakt:

Dr. Sajan Kumar Somarajan
Pappelweg 33
63741-Aschaffenburg
E- Mail: vedayurkerala@gmail.com
Web: www.ayurvaidya.de

Yanthra

 

Osteoporose und Arthrose –

grundlegende Gedanken aus der Sicht des Ayurveda

Teil-2

 

Die Eigenschaft 'snigdham' im Zusammenhang mit der Osteoporose und Arthrose:

 

Snigdham (ölig oder fettig) ist eine Qualität, die mit kapha in Verbindung gebracht wird und die die trockene Qualität, rooksham, von vaatha ausgleicht. Öl weist diese Qualität in besonderem Maße auf. Snigdham wird auch als diejenige Eigenschaft bezeichnet, welche lose Staubteilchen und Erdpartikel zu geschmeidigem und fruchtbarem Schlamm zusammenfügt. Öle werden generell unter die Qualität sneham eingeordnet, was so viel bedeutet wie, “ die Eigenschaft von snigdham aufweisend“. Sneham bedeutet auch “Liebe”. Liebe bringt Menschen zusammen, während Hass sie voneinander trennt. Liebe steht auch in Verbindung mit Fortpflanzung. Der Ursprung des Lebens, das Wachstum, die Aufrechterhaltung, die Fortpflanzung u. s. w. stehen alle in Beziehung zu dieser Qualität, sneham oder snigdham. Grobheit, Härte, Grausamkeit, Ärger, Aggression u. s. w. gelten als trockene oder raue Eigenschaften, die im Widerspruch zum Leben stehen.

 

Jeder Mensch sehnt sich danach, zu lieben und geliebt zu werden. Der Mensch ist ein soziales Lebewesen. Bewusst oder unbewusst wünschen wir uns einen eigenen Platz innerhalb der Familie und in sozialen Kreisen, um im Bewusstsein, in der Aufmerksamkeit und Erinnerung von anderen Menschen gegenwärtig zu sein und möchten zumindest einige Momente unseres Lebens irgendwo für immer eingeprägt wissen. All dies ist nur möglich, durch eine beständige Interaktion mit den Mitmenschen und der Außenwelt. Sobald wir aus dieser Kette von Interaktionen herausgeraten, wird unser Leben „trocken“, und diese Trockenheit greift von der mentalen Ebene auf die körperliche Ebene über. Das Leben hat seinen Ursprung in Liebe, durch die es bestehen und den Tod überwinden kann. Liebe, Reproduktivität, Leistungen und Errungenschaften stehen direkt oder indirekt mit der Sehnsucht nach Unsterblichkeit in Verbindung. Der Mangel an Beziehungsfähigkeit und Anteilnahme am gemeinschaftlichen und sozialen Leben, sowie der Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit, stellen einen wichtigen Faktor in degenerativen Erkrankungen dar. Nach allgemeinem Verständnis beginnt der degenerative Prozess in den Knochen im Alter von 34 Jahren. Es ist anzunehmen, dass ab diesem Zeitpunkt die abbauenden über die aufbauenden Kräfte überwiegen. Dies markiert in gewisser Weise einen Endpunkt des Wachstums. Die Divergenz oder Expansion kommt zu einem Ende und es beginnt ein Abbau der Knochensubstanz. Viele Pflanzen sterben nach der Blüte und der anschließenden Fruchtbildung ab. Bis zu einem gewissen Grad ist dies auch auf das menschliche Leben übertragbar, da das Zusammenkommen mit dem Lebenspartner hier ebenfalls einen Gipfelpunkt darstellt. Von da an beginnt in der Regel bereits wieder ein Abstieg. Einsamkeit, Alleinsein, das Fehlen von Kindern (insbesondere bei Frauen), Depressionen und Stress sollten in diesem Zusammenhang ebenfalls eine Betrachtung erhalten. Die Fortpflanzungsfähigkeit ist ein Faktor, dem in der Natur ein hoher Stellenwert zukommt und der dem einzelnen Lebewesen eine Existenzberechtigung verleiht. Die Libido wird im Menschen stark, wenn er verliebt ist und wird noch stärker, wenn auch Kinder auf die Welt kommen. Die Großeltern sehen auch einen Sinn in ihrem Leben darin, auf die Geburt der Enkelkinder zu warten. Menschen, die sich aus dieser Kette herausnehmen, verlieren ihre Bedeutung für die Natur und für die Fortpflanzung weshalb die Natur solche Lebewesen nicht unterstützt oder erhält. Das Aufkommen des Risikos zur Osteoporose nach der Menopause, kann ebenfalls aus diesem Blickwinkel heraus betrachtet werden. Menschen aber, die ihrem Leben einen anderen Sinn geben, wie z. B. durch künstlerisches Schaffen, geistige Aktivitäten und spirituelle Entwicklung, fallen nicht in diese Kategorie. Im Netzwerk der Interaktionen fließt der kühlende, nach unten gerichtete Strom der kosmischen Energie. Menschen, die also weder eine Partnerschaft, eine Familie und Kinder besitzen und auch keine anderen sinnvollen Lebensinhalte haben, welche diesen Leerraum ausfüllen, geraten in diese oben erwähnte Situation und unterliegen tendenziell stärker den von der Natur auferlegten Prozessen. Sie fallen aus diesem natürlichen Fluss des Lebens heraus, wie Zellen, die nicht ausreichend mit dem Blutkreislauf verbunden sind. Gerade bei degenerativen Erkrankungen, wie es die Osteoporose ist, sind höhere, spirituelle Ideale für das Leben notwendig.

 

Wie bereits erwähnt, beruhen Entstehung, Aufrechterhaltung und Wachstum der Materie und der physischen Körper auf einem geringfügigen Überwiegen des kühlenden abwärts gerichteten Energieflusses. Aus der Sicht des Ayurveda drückt sich dies durch die Eigenschaften seetham (kalt), snigdham (ölig), guru (schwer), mandam (träge), slakshanam (glatt) und mruthsnam (klebrig) aus. Dies sind die Eigenschaften, die für das dosha, kapha, stehen. Zusammenfassend werden diese Eigenschaften von kapha mit dem Begriff soumyam benannt, was so viel heißt, wie beruhigend und besänftigend. Eine andere Bezeichnung, die in diesem Zusammenhang relevant ist, ist aardram, was übersetzt „nass“ bedeutet oder „Feuchtigkeit spendend“. Hierzu zählen auch Tugenden wie, Liebe, Mitgefühl, Gnade, Geduld, Großzügigkeit, Toleranz u. s. w.. Diese Eigenschaften wirken förderlich und begünstigend auf das Leben, das Wachstum und auf den Fortbestand des Lebens, indem sie die Fruchtbarkeit fördern. Charles Darwin machte die Beobachtung, dass nicht die stärksten oder intelligentesten Organismen die besten Voraussetzungen zum Überleben besitzen, sondern diejenigen, die in der Lage sind, sich in optimaler Weise an die Natur und deren ständigen Wandel anzupassen. Ayurveda sieht das Geheimnis für ein gesundes und langes Leben in der Pflege eines Lebensstils, in dem diese weiblichen Qualitäten dominieren. Anstatt den Kampf mit den Lebensumständen aufzunehmen, und zu versuchen, die Natur zu zähmen und zu manipulieren, ist es ratsamer, ein Verständnis für sie auszuprägen und nach Kompromissen und Möglichkeiten zu suchen, in Harmonie mit ihr zu leben. Personen oder Gesellschaften, in denen das männliche Prinzip stark dominiert, werten solche Eigenschaften in der Regel als dumm und als Zeichen von Schwäche ab. In Wirklichkeit aber sind dies gerade diejenigen Qualitäten, die zur Entwicklung von Stärke und Kraft beitragen, während einseitige Aktivität zur Aufzehrung dieser Kräfte führt. Nur in einem mehr oder weniger gesunden Individuum, kann eine Krankheit entstehen und sich ausbreiten. Wenn dieses Individuum stirbt, dann muss auch die Krankheit sterben. Somit entsteht Krankheit immer auf Kosten einer bestehenden Ordnung, dharma.

 

Wenn der erhitzende und aufsteigende männliche Energiefluss über den weiblichen, nach unten gerichteten Fluss dominiert, dann kommt es zu einem Vorherrschen der vaatha-Qualitäten, wie rooksham (trocken), lagkhu (leicht), seetham (kalt), kharam (rau), sookshmam (fein) und chalam (dynamisch). All diese Eigenschaften sind divergent. Ein Maiskorn beispielsweise, entweder roh oder gekocht (nicht überkocht), offenbart kapha-artige Eigenschaften, wie ölig, schwer, träge (in Bezug auf seine Verdauung und Absorbtion), glatt, klebrig u. s. w.. Wenn aber dieses Maiskorn zu Popcorn verarbeitet wird, so kehrt sich die Konvergenz in eine Divergenz um, so wie sich eine Blütenknospe zu einer Blüte öffnet. Die Qualitäten, die dann zum Ausdruck kommen, passen mehr zu vaatha und zeigen sich als Trockenheit, Leichtigkeit, Rauheit, Feinheit (aufgrund der Trennung der Teilchen und der darin entstandenen Poren) und als Dynamik (aufgrund der Leichtigkeit). Die Integrität, in der alle Moleküle mit einem Zentrum oder einer Achse verbunden waren, hat sich in diesem Zustand sozusagen umgekehrt.

 

Eine Gesellschaft, Zivilisation oder Nation, die den erhitzenden, aufsteigenden Fluss der Energie als Leitprinzip besitzt, wird Krankheiten wie Arthrose und Osteoporose in höherem Maße hervorbringen. Dort wo ein harter Wettbewerb in allen Bereichen vorherrscht, sind Stress und Ängste sehr verbreitet und viele Menschen leiden unter Depressionen, Einsamkeit und Isolation. In einer solchen Gesellschaft nehmen vaatha-Eigenschaften die führende Rolle ein und schaffen Bedingungen, die eher lebensfeindlich sind. Mehr oder weniger bewegt sich mittlerweile die ganze Welt in diese Richtung. Die Pflanzenwelt, die mehr von den soumyam-Qualitäten bestimmt ist, leidet unter dieser Entwicklung. Die Menschheit strebt nach immer mehr Dynamik und erschöpft dabei die Energieressourcen, deren Entstehungsprozess eine sehr lange Zeitspanne einnimmt. Die zunehmende Abschwächung der kühlenden Seite und die Zunahme der erhitzenden Seite, ist die Grundursache vieler Probleme, denen wir heute gegenüberstehen.

 

Alle energetisierenden und stimulierenden Mittel fördern die erhitzende Seite. Sie brechen die Materie auf und entfesseln Energie. Tee, Kaffee, Alkohol, Nikotin, um deren dehydrierende Wirkung man mittlerweile weiß, zählen unter anderem zu dieser Kategorie. Aus ayurvedischer Sicht besitzen sie erhitzende Eigenschaften und sollten daher gemieden oder zumindest eingeschränkt werden, so dass ihr Gebrauch allenfalls wie eine Art Luxus gehandhabt wird, den man sich ab und zu gönnt. Ähnlich wie man durch das ständige Feiern von Festen all sein Geld verprasst, so führt auch der regelmäßige und exzessive Gebrauch von stimulierenden und energetisierenden Mitteln zu einem Verlust der Kräfte und der Stärke des Immunsystems und birgt das Risiko von degenerativen Erkrankungen in sich.

 

So wie diese Getränke zwar meist Wasser enthalten aber dennoch heiß in ihrer Qualität sind, so unterscheiden sich auch die Qualitäten snigdham (ölig) und seetham (kühlend), je nachdem welche weiteren Inhaltsstoffe im Wasser enthalten und welche anderen Faktoren gegeben sind. Abgekochtes Wasser ist in seiner Qualität heiß. Es behält diese Eigenschaft noch zwei bis drei Tage lang nach dem Abkochen bei, selbst wenn es abgekühlt ist. Das Wasser von Flüssen und Bächen, die aus den Bergen kommen, ist leichter als das Wasser aus den unteren Regionen in Höhe des Meeresspiegels. Wasser aus tiefen Brunnen verfügt über diese obigen Qualitäten in besonders hohem Maße. Brunnenwasser, das zu viele Sedimente enthält, macht die Haut jedoch trocken. Solches Wasser hat seine snigdham-Qualität verloren. Die kühle Qualität, wie sie im Ayurveda verstanden wird, bezieht sich nicht auf die fühlbare und messbare Temperatur, sondern stellt eine erfahrbare oder angenommene Wirkung dar. Wenn man sich beispielsweise verbrennt, dann helfen kühlende Auflagen mit Eis, kaltem Wasser, Buttermilch oder frischem Pflanzensaft von Aloe Vera. Dabei erscheint Eis mit Sicherheit kälter als Buttermilch oder Aloe-Vera-Saft. In der tatsächlichen Wirkung aber, erweisen sich Buttermilch und Aloe-Vera-Saft als kühlender.

 

 

 

©Dr. Sajan Kumar Somarajan (Juli 2012)

 

Übersetzung aus dem Englischen: Christine Hein

 


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