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Ernährungsberatung und ayurvedische Psychologie

Ernährungsberatung und ayurvedische Psychologie

Jean-Pierre Crittin | Die Ernährung eines Menschen hat viel mit Psychologie, mit persönlichen Bedürfnissen, Gewohnheiten, Süchten, Ängsten und Werten zu tun. Eine Ernährungsumstellung konfrontiert die KlientInnen direkt mit diesen starken inneren Kräften.

Dieser Artikel wurde aktualisiert am 27.08.2019 von ayurveda-portal.de

Also verlangt eine professionelle Beratung in diesem Bereich – auch wenn wir hier nicht einmal von fundamentalen Essstörungen, wie Magersucht, Bulimie usw. sprechen – von den Ernährungsberaterinnen eine grosse psychologische Kompetenz.

Ernährung hat viel mit situativ gewachsenen und vorgegebenen Verhältnissen, Gewohnheiten und gesellschaftlichen Gegebenheiten zu tun

  • Gewachsene Verhältnisse sind beispielsweise berufliche Gegebenheiten, wie beispielsweise ein Ehepaar, wo beide berufstätig sind, kurze Mittagspausen haben, in denen der eine in der Kantine und der andere eingepackte Sandwiches isst, und dass abends, nach 19 Uhr, der erste gemütliche Moment im Tag kommt, an dem man zusammen sitzen, essen und austauschen kann. So wird das Abendessen zur ersten gemütlichen und zumindest für den einen Partner zum ersten warmen Mahlzeit am Tag, bei der man dann auch die Tendenz hat, lange zu sitzen, zu viel zu essen und zu trinken.
  • Gewohnheiten bestehen zum Beispiel darin, dass die bei jemandem die Vorstellung da ist, dass das Fleisch im Zentrum einer guten Mahlzeit steht und dass ein Essen ohne Fleisch einfach nicht als vollständig, und damit nicht als gutes Essen wahrgenommen wird.
  • In unserer Gesellschaft ist gemütliches Zusammensein sehr oft mit Essen und Alkohol verbunden und jemand der sich beim Essen und beim Alkohol zurückhalten will, isoliert sich damit automatisch. Hier sprechen wir von gesellschaftlichen Gegebenheiten, die eine enorme Willenskraft und Anstrengung erfordern, wenn man ihnen trotzen will oder muss.

Die Ernährung umstellen bedeutet, das man sehr viel "muss" und wenig "darf"

Drei Hindernisse der Ernährungsumstellung

In allen drei Situationen muss sich eine Person, die zu einer gesunden – in unserem Fall ayurvedischen – Ernährung kommen will, mit enormen Hindernissen, nicht zuletzt eigenen, tief sitzenden Lüsten und Süchten auseinandersetzen.
Die Ernährung umstellen zu müssen bedeutet also, dass man sehr viel „muss“ und wenig „darf“, was in der Regel mit mehr Unlust als Lust verbunden ist. Vor allem „müssen“ drei Hindernisse bewältigt werden:

  1. Das eigene Leben und damit sein Berufsleben und das eigene Verhalten mehr oder weniger stark verändern, was automatisch auch die Bezugspersonen (Partner, Kinder...) betrifft
  2. Alte, gewachsene, liebgewonnene Gewohnheiten und damit verbundene Lustgefühle und Süchte müssen losgelassen und durch Intelligenzverhalten ersetzt werden
  3. Man muss für sich geeignete gesellschaftliche Bedingungen schaffen, die eine andersartige Ernährungsweise ertragen und unter denen man den Anschluss an die Mitmenschen behalten kann.


Eine Ernährungsumstellung ist also von vielen sozialen und psychologischen Aspekten begleitet

Vieles hat mit Loslassen, Umwerten, mit Suchtverhalten, mit dem „auf die eigene innere Stimme zu hören“, sich selbst ernst nehmen... zu tun und weil das Ganze so stark von psychologischen Aspekten unterlegt ist, scheitern leider gut gemeinte und fachmännisch begleitete Ernährungsumstellungen mit einer hohen Regelmässigkeit.
Menschen, die in die Ernährungsberatung kommen, brauchen also viel mehr als nur die Informationen, was für sie – beispielsweise aus ayurvedischer Sicht - gesund wäre und wie man lustvolle, schmackhafte ayurvedische Mahlzeiten zubereitet und anrichtet. Sie brauchen auch mehr als die Erfahrung wie gut ayurvedisches Essen schmecken kann, wie schön es aussieht und wie gut es einem tut. Alle diese Erlebnisse geraten ins Wanken und werden oftmals zunichte gemacht, wenn alltägliche Widerstände auftauchen.

Die ayurvedische Psychologie leistet einen wichtigen Beitrag zur Ernährungsumstellung

Sicher nehmen fachlich gut ausgebildete Ernährungsberaterinnen Rücksicht auf viele der obgenannten Aspekte. Was jedoch oftmals fehlt, ist die ebenso fachmännisch psychologische Unterstützung, die es unseres Erachtens unbedingt braucht, um mit diesen starken und fundamentalen Mächten konstruktiver und erfolgreicher umzugehen.
Hier hat die ayurvedische Psychologie einen wichtigen Beitrag zu leisten, denn sie hilft u.a. mit spirituellen Methoden, beispielsweise mit dem „Körperdialog“, den KlientInnen ihrem wahren Selbst näher zu kommen, die eigene Stimme der Intelligenz (Buddhi), die Botschaften des Körpers besser wahrzunehmen, auf sie zuhören, sie zu verstehen und sie vor allem auch ernst zu nehmen. Daneben erfahren die KlientInnen in begleitenden ayurvedisch-psychologischen Gesprächen Unterstützung für ihren oft schwierigen, hindernisreichen Weg, Motivation zum Durchalten und Kraft für eine dauerhafte Veränderung.

Aus diesem Grund ist eine Zusammenarbeit zwischen ayurvedischen ErnährungsberaterInnen und ayurvedischen PsychologInnen ganz im Sinne der ganzheitlichen Sicht des Ayurveda. Noch besser wäre es, wenn ErnährungsberaterInnen selbst eine fundierte ayurvedisch-psychologische Ausbildung hätten, damit sie von Anfang an eine „Psychologische Ernährungsberatung“ anbieten könnten. Wenn in der Ernährungsberatungsausbildung „ein bisschen Psychologie“ angeboten wird, ist das zu wenig. Psychologie und insbesondere die ayurvedische Psychologie, müsste hier ein Schwerpunkt für eine erfolgreiche Tätigkeit einer Ernährungsberaterin oder eines Ernährungsberaters sein!


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© Jean-Pierre Crittin

 

Kontaktadresse:

Jean-Pierre Crittin
Fluhstrasse 10
8645 Jona
E-Mail:  jp@crittin.ch
www.crittin.ch

 

Titelbild: Photo by Artem Beliaikin on Unsplash


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