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Die geistige Konstitution

Die geistige Konstitution

07.10.2003 | von Dieter Scherer Auf der geistigen Ebene finden sich ebenfalls drei Grundenergien, die unsere mentalen und charakterlichen Fähigkeiten steuern. Es sind die drei universalen Eigenschaften (Gunas) Sattva, Rajas und Tamas, die bereits erwähnt wurden. Sattva, Rajas und Tamas sind die drei Wesenszüge, die jedem Lebewesen, auch Tieren und Pflanzen, zu Eigen sind. Diese drei mentalen Energien sind Teil unserer Identität und steuern unseren Antrieb, unser Verhalten, unsere Motivationen und unsere Emotionen.

Die geistige Konstitution ist im Gegensatz zur körperlichen jedoch beeinflussbar und kann durch eine entsprechende Lebensweise verändert werden. Laut dem Ayurveda ist es sogar erstrebenswert, seine geistigen Fähigkeiten zu erweitern und einen ausgeglichenen, erfüllten Geisteszustand anzustreben.

Sattva: »Nicht von dieser Welt«
Sattva bedeutet Makellosigkeit und ist im Ayurveda der einzig reine Geisteszustand. Er umfasst alle Eigenschaften, die ein Mensch anstreben sollte. Ein Mensch mit hohem Sattva-Anteil ist wahrheitsliebend, mutig, friedfertig, glücklich, demütig, religiös, geduldig, sauber, ordentlich, reich und frei von Gier, Egoismus, Wut, Eifersucht, falschem Stolz und Intoleranz. Er kümmert sich um seine Mitmenschen und lebt ein erfülltes und glückliches Leben. Eine Unterhaltung mit einem Sattva-Menschen wird zu einem liebevollen, interessierten Austausch in gegenseitiger Anerkennung und Respekt. Er wird darum bemüht sein, sein Wissen weiterzugeben und nicht für sich zu behalten. Man fühlt sich von einem solchen Menschen bereichert.
Sattva-Menschen sind die Feingeister unter uns. Sie würden niemals einem Lebewesen ein Leid antun und streben nach höheren Bewusstseinssphären, in dem Versuch, ihrem Leben einen tieferen Sinn zu geben. Sie können aber auch lustig, beschwingt, gesellig und voller Freude sein. Musizieren etwa erhöht den Sattva Anteil in Ihnen (vorausgesetzt, es ist Musik, die fröhlich, heiter und erhebend ist). Sattva-Menschen müssen also nicht unbedingt Heilige sein, die wie Yogis asketisch in ihren Höhlen hausen. Und trotzdem hat man bei ihnen das Gefühl, dass es besondere Menschen mit edlem Charakter sind. Nächstenliebe, Verzeihen und Mitgefühl sind bei ihnen besonders ausgeprägt.
Es gibt viele Tätigkeiten, die Sattva erhöhen. Neben dem Musizieren ist es das Tanzen, das Dichten, das Praktizieren von Yoga und Meditation, das Wandern in einer schönen Landschaft, die Beschäftigung mit Kunst und schönen Dingen wie Blumen, Düften (Räucherwerk, ätherische Öle), Stoffen oder Farben, soziale Arbeit, selbstloses Dienen, (nicht-fanatische) Religiosität, Heilen, Lachen und anderen eine Freude bereiten.
Auch durch unsere Ernährung können wir zur Erhöhung unseres sattvischen Anteils beitragen. Empfohlen wird vor allem frische Kost, am besten gekocht auf dem Gasofen oder über dem offenen Feuer, da dies die natürlichste Form der Zubereitung ist und die meiste Energie in der Nahrung belässt. Auch einzelne Nahrungsmittel werden als sattvisch eingestuft, beispielsweise: warme Milch (Milch sollte ohnehin immer warm getrunken werden), Ghee (geklärtes Butterschmalz), Honig (niemals erwärmen oder in heißen Tee geben) und viele Gewürze wie Kreuzkümmel, Kurkuma, Lorbeerblätter, Ingwer sowie ayurvedische Heilpflanzen wie Ashwagandha, Gokshura, Shatavari, Arjuna, Brahmi, Kalmus, langer Pfeffer, Lotus und viele andere.

Merkmale von Sattva:
Freude
Heiterkeit
Toleranz
Intelligenz
Kreativität
Moral und Ethik
Reinheit
Spiritualität
Mitgefühl
auf den Rat anderer hören
auf eine gesunde Lebensweise achten

Rajas: »Immer auf der Suche«
Rajas bedeutet Veränderung und Rewegung. Unser Rajas-Anteil sorgt dafür, dass wir nach etwas streben, uns weiterbewegen und entwickeln. Ein übermäßiges Ansteigen dieser geistigen Energie führt jedoch zu übertriebenen Ehrgeiz, zu Konflikten, Neid, Konkurrenzdenken und Aggression. Ein Rajas-Typ ist meist ein unruhiger, sprunghafter Zeitgenosse. Er ist mit nichts lange zufrieden und braucht ständige Abwechslung und Anregung. Er lebt in Extremen und fühlt sich angetrieben, etwas zu tun oder zu erreichen. Eine Unterhaltung mit solchen Menschen führt meist zu sehr emotionalen Auseinandersetzungen, da der Rajas-Typ immer darauf besteht, es doch besser zu wissen. Es fällt ihm schwer, sich unterzuordnen oder zuzugeben, dass er etwas nicht weiß oder kann. Rajas-Menschen sind zwar intelligent und scharfsinnig, werden jedoch ihr Wissen nie weitergeben, wenn sie sich dadurch keine Vorteile für sich selbst versprechen. Ein Rajas-Lebensmotto heißt »Wie du mir, so ich dir«.
Sie kennen sicher Menschen, bei denen immer etwas in Bewegung ist. Entweder zappeln sie mit den Händen, wippen mit den Füßen, rutschen auf dem Stuhl herum oder rennen die ganze Zeit umher. Besonders bei Kindern kann man diese Unruhe von Rajas beobachten. Rajas scheint ohnehin die momentan dominierende Energie unserer Gesellschaft zu sein: Alles wird schneller, hektischer und kurzlebiger. Der Wettlauf um neue Trends, neue Erfindungen, neue Technologien prägt unseren Alltag. Niemand hat mehr Zeit, und Langeweile gilt als »tödlich«. Die Suche nach Ablenkung, riskante Hobbys und die Erfüllung immer neuer Wünsche und Begierden zeigt die Präsenz von Rajas.
Rajas wird besonders erhöht durch aufputschende Nahrung und Getränke: Dazu zählen säurehaltige Getränke mit weißem Zucker wie Cola oder so genannte »Energy Drinks«, Kaffee und andere koffeinhaltige Getränke, Alkohol, Fleisch (besonders rotes Fleisch), Meeresfisch. Auch Speisen mit durchdringendem, intensivem und irritierendem Geschmack, wie Kartoffelchips, Chili und Meerrettich, haben eine starke Wirkung auf Rajas. Allgemein wird das Kochen auf dem Elektroherd als Rajas erhöhend eingestuft. Aufputschende Drogen wie Amphetamine, Kokain oder LSD wirken extrem Rajas steigernd. Auch intensive Gerüche von heißenden Chemikalien (Klebstoffe, Formaldehyd, Aceton, Säuren), schrille Geräusche oder elektromagnetische Strahlen (Handy, Mikrowelle, Funkmasten) führen zu einer Erhöhung von Rajas.

Merkmale von Rajas:
Unruhe
Hyperaktivität
übertriebener Ehrgeiz
Konkurrenzdenken
Egoismus
Streitsucht
Übertreibungen
Arroganz
Grausamkeit
gibt sein Wissen nur aus Eigennutz weiter

Tamas: »Keine Lust zu gar nichts «
Tamas bedeutet Passivität und Trägheit. Es hat eine bremsende Wirkung auf Rajas. Tamas ist die geistige Energie, die uns zum Beispiel abends müde werden lässt und in den Schlaf versetzt. Wenn sich der Tamas-Anteil jedoch stark erhöht, wird der Mensch faul, eigensinnig, sehr auf sich bezogen und hat nur noch die Erfüllung seiner primären Bedürfnisse im Sinn. Er widmet sich keinerlei geistigen oder höheren Zielen, ist feige, träge, uninteressiert, gierig, ungepflegt und legt oft ein abstoßendes Verhalten an den Tag. Moralisch-ethische Grundwerte sind bei ihm kaum vorhanden. Er kann sogar kriminell, pervers, grausam und skrupellos werden. Um sich Vorteile zu verschaffen, ist er bereit, alles zu tun. Tamas in Reinkultur ist einfach widerwärtig: Dies sind kranke Seelen, die sich in eine eigene Welt voller Schmutz und Chaos zurückziehen. Nicht selten enden sie in Geisteskrankheiten.
Sie können so träge werden, dass sie ihre Wohnung überhaupt nicht mehr verlassen und die Welt nur noch über das Fernsehen und den Pizza-Service wahrnehmen. Sie lesen nicht, bilden sich nicht weiter und dämmern nur noch dahin. Niemand würde sich gern mit einem Tamas-Menschen identifizieren, aber jeder von uns weiß wohl aus eigener Erfahrung, was diese Energie manchmal kurzzeitig in uns bewirkt. Gegen Faulenzen ist im Grunde nichts einzuwenden; wenn es aber zur Gewohnheit wird, hemmt es unsere Entwicklung und unsere Fähigkeiten.
Auch die Art und Weise, wie Sie sich ernähren, entscheidet über den Grad von Tamas. Mikrowellennahrung, mehrmals aufgewärmtes Essen, Tiefkühlkost, Fastfood, H-Milch, verdorbene oder alte Nahrung und das Fleisch von kranken oder nicht artgerecht gehaltenen Tieren werden Ihren Tamas-Anteil steigern - von abstumpfenden Drogen wie Haschisch, Ecstasy oder Heroin ganz zu schweigen. Auch das Verschlingen von großen Mahlzeiten und die Einnahme von gegensätzlichen Nahrungsmitteln macht schwer und träge und verstärkt Tamas. Nahrungsmittel, die Tamas ebenfalls erhöhen, sind beispielsweise Avocados, Pilze, Knoblauch, Zwiebeln, Hartkäse oder alter Käse.

Merkmale von Tamas:
Interesselos
lethargisch
ängstlich
unterwürfig
unintelligent
niedergeschlagen
unmoralisch
unsauber
nicht religiös
eigennützig
nimmt den Rat anderer nicht an
kümmert sich nicht um die eigene Gesundheit

Aus: "Das große Ayurveda Buch" von Dieter Scherer, erschienen bei Irisiana im Heinrich Hugendubel Verlag Kreuzlingen/München, mit freundlicher Genehmigung von Verlag Hugendubel


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