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Einführung in die Ayurveda Philosophie - Teil I: Mann und Frau - 2. Teil

Einführung in die Ayurveda Philosophie - Teil I: Mann und Frau - 2. Teil

03.08.2011 | Fortsetzung 2. Teil von Dr. Sajan Kumar S. (B.A.M.S.). Der Unterschied zwischen den beiden Geschlechtern tritt am deutlichsten bei den Geschlechtsorganen selbst hervor. Aus diesem Grunde betrachtet die Thanthra-Philosophie das männliche und das weibliche Geschlechtsorgan, die durch Lingam und Yoni repräsentiert werden, als ideales Symbol für die dualistische Natur der Welt.


Mann und Frau- 2. Teil

Das männliche Geschlechtsorgan symbolisiert die lineare Achse, das Positive, die Expansion oder Divergenz oder auch Explosion, Auswurf und alles was mit Prabhavam, oder dem Urknall, von dem alles seinen Anfang nahm, in Verbindung steht. Yoni oder das weibliche Geschlechtsorgan steht für die Negativität; ein Hohlraum, der eine Achse benötigt, um seine perfekt ausgespannte nichtlineare Form zu erlangen und um indirekt Linearität zu erfahren. Lingam steht für die lineare Achse und Yoni für die Nichtlinearität, welche die Achse umgibt. Das weibliche Geschlechtsorgan ist seiner Natur nach konvergent und nimmt die männliche Form und Essenz in sich auf. Ein „Gammastrahlenknall“ beschreibt die letztendliche Polarisation, welche beide Teile, das Weibliche in Form eines Schwarzen Loches und das Männliche als Flut von Gammastrahlen, voneinander scheidet. Konvergenz vollzieht sich immer zu einem Mittelpunkt und damit zu einer Singularität hin, während Divergenz eine Ausdehnung in alle Richtungen darstellt und für Differenzierung steht. Die weibliche Essenz, das Ovum, steht repräsentativ für Singularität und Statik, vergleichbar mit einem Gravitationszentrum, das in seiner extremsten Ausprägung einem schwarzen Loch entspricht. Die hierzu äquivalente männliche Essenz tritt dagegen in Form von Millionen von Samenzellen in Erscheinung, die sich aktiv fortbewegen, vergleichbar mit den Photonen im Licht. In einer weiteren Analogie divergiert das männliche Prinzip in der Blüte einer Pflanze nach oben und kehrt damit zurück zu Aakaasam und der weibliche Teil, der eine vollständig konvergierte, schlafende Samenform annimmt, fällt hingegen nach unten zur Erde.

Die weibliche Kraft erreicht ihre perfekte Ausgestaltung in der Erlangung eines absolut kugelförmigen Zustandes. In seinem Buch, „ Eine kurze Geschichte der Zeit.“, schreibt der berühmte Wissenschaftler, Stephen Hawking: „Gemäß Roger Penrose und John Wheeler würde jeder nicht rotierende Stern, wie kompliziert seine Form und innere Struktur auch sein mag, nach dem Kollabieren seiner Schwerkraft, als ein perfekt kugelförmiges Schwarzes Loch enden, dessen Größe einzig und allein von seiner Masse abhängig ist.“ (frei aus dem Englischen übersetzt). Eine perfekt geformte Kugel erlangt indirekt auch eine vollkommene Linearität. Ein  exakter und in alle Richtungen gleichbleibender Radius, der maßgeblich ist für eine perfekte Kugelform, beweist gleichzeitig auch deren perfekte Linearität. Somit ergibt ein Querschnitt der Kugel durch den Mittelpunkt hindurch, immer zwei symetrische Hälften. In einer perfekten Kugelform verbinden sich Divergenz und Konvergenz zu jenem einen und absoluten Zentrum, so dass auch das Männliche und das Weibliche nicht länger voneinander getrennt sind; Linearität und Nichtlinearität besitzen hier ihre absolute Perfektion. In diesem Zustand verlieren beide ihre eigene Identität. Die Interaktion zwischen beiden, welche die Vibration, Spandam, in all ihren Ausdrucksformen, wie Oszillation, Pulsation oder zyklischen Umwandlungen, erzeugt und aufrechterhält, kommt hiermit zu einem Ende. Damit beschreibt der Tod eines Sterns, bei dem dessen gesamte Energie in Form von Gammastrahlen freigesetzt wird und der in einem Schwarzen Loch endet, einen endgültigen Todesprozess oder die vollkommene Aufhebung der Dualitäten. In philosophischen und spirituellen Lehrsystemen wird ein ähnlicher Vorgang, der sich auf der geistigen Ebene ereignet, als das Ende aller Karmas oderHandlungen und damit der Zyklen von Geburt, Leben und Tod beschrieben. Die Realisierung des absuluten Zentrums, führt zur vollkommenen Freiheit von diesem Feld des Karma.  Stephen Hawking erklärt weiterhin: „Ein stillstehendes und rotierendes Schwarzes Loch würde in der Tat eine Symmetrieachse besitzen. Nach dem Kollabieren der Schwerkraft muss sich ein Schwarzes Loch in einen Zustand niederlassen, in welchem es zwar rotiert aber nicht pulsiert.“  Die Erlangung sowohl der perfekten Achse und im gleichen Zug auch der Kugelform, bezeichnet den vorletzten Schritt vor der Auflösung oder Anihilation, bei dem die Dualitäten zu einem vollkommenen Gleichgewicht finden (bei dem keine Abweichung in die Horizontalität vorhanden ist), was zur Formation einer Kugel führt. Eine Interaktion besteht lediglich zwischen den beiden Polen durch die Achse hindurch, welche sich nicht länger auf die Horizontalität audehnt. Rotationen können noch etwas länger fortbestehen, kommen aber dann nach und nach zu einem Ende. Im letzten Schritt wird auch die vertikale Polarität aufgelöst. Es braucht nicht erwähnt zu werden, dass im ganzen Universum weder eine perfekte Linearität noch Nichtlinearität vorhanden ist, sondern beide jeweils unter dem Einfluss des anderen existieren.

Der Geschlechtsakt beschreibt eine Interaktion der Dualitäten und wird in der Bruhadaaranyaka Upanishath mit der reibenden Drehbewegung eines Stockes auf einem Stein verglichen, wie sie in früheren Zeiten dazu diente, Feuer zu machen. Feuer steht für Agni, das dynamische Prinzip, welches alles erschafft, transformiert und zerstört. Im weitesten Sinne ist alles, was existiert durch die Interaktion der Dualitäten geschaffen und aus dem daraus frei werdenden Agni. Ein Wirbeleffekt kann auf zweierlei Arten stattfinden, so dass entweder der von oben nach unten verlaufende, kühlende Fluss von Agni, der für die Formation der Materie verantwortlich ist, begünstigt wird oder im Gegensatz dazu, der von unten nach oben gerichtete, erhitzende Fluss, welcher eine Freisetzung von Energie bewirkt. Beide Seiten finden ihren gegenseitigen Ausgleich in der Interaktion. So entspricht beispielsweise das Pflanzenreich dem weiblichen Teil, da es statisch und konstruktiv ist, während das bewegte, dekonstruktive Tierreich dem männlichen Teil entspricht. Die Thaanthra-Philosophie erzählt von dem gemeinsamen Spiel von Shiva und Shakthi, welches in der ganzen Welt und allen Dingen wirksam ist. Aus einem anderen Blickwinkel heraus betrachtet, stellt Existenz allgemein einen Zustand, sowohl der Einheit, als auch der Trennung der grundlegenden Dualitäten dar, so dass beide für sich alleine gesehen niemals vollständig sind. Durch die Trennung bedürfen sie der Einheit und die Einheit zwingt sie unter Umständen wiederum zur Trennung. Ein absoluter Ausgleich der Dualitäten würde zu einer Aufhebung beider Partner führen.

Der Geschlechtsakt beschreibt den Moment, in dem die sexuellen Eigenheiten jeweils zu ihrer vollständigen Ausprägung gelangen. Auch hier wird die grundlegende Struktur der Interaktion in Form von Aktion und Reaktion, Konvergenz und Divergenz, Expansion und Kontraktion, Vereinigung und Trennung, bewahrt. In der Vaiseshika-Philosophie beschreibt deren Begründer, Kanaada, „Eintritt und Austritt“ als die Kennzeichen des ersten Elementes, Aakaasam (Kanaada Sutra – 2/1/10). Es ist in diesem Zusammenhang interessant, dass Aakaasam als das erste Element, aus dem sich alle anderen Elemente nacheinander entwickeln, den Beginn der Schöpfung der materiellen Welt repräsentiert.  Aakaasam sollte als das uranfängliche Energiefeld des Universums verstanden werden, bis zu dessen Grenzen die Grundvibration des Kosmos hinausschwingt oder hinreicht. Oder es kann auch als die äußerste Hülle des kosmischen Körpers, die im Einklang mit dem kosmischen Herzen pulsiert und den kosmischen Kreislauf der Energie aufnimmt, bezeichnet werden. Die Tharka Samgraha beschreibt Sabdam oder Klang als die Eigenschaft des Elementes Aakaasam. Mit Klang, ist hier mehr gemeint, als der gewöhnliche Klang, der im menschlichen Bereich der Wahrnehmung liegt. Es heißt, dass derjenige Teil der Veden, der als Sruthi bezeichnet wird, eine Wahrheit darstellt, die von Weisen „gehört“ wurde und aus einem Bereich stammt, der jenseits des sinnlich hörbaren Bereiches liegt. Eine weitere interessante Tatsache liegt darin, dass Klangwellen longitudinale Wellen sind, die einen senkrechten Verlauf besitzen. Sie werden auch als Druckwellen bezeichnet, da sie die Eigenschaft aufweisen, eine abwechselnde Kompression und Ausdehnung oder Streckung in dem Medium, in dem sie entstehen, zu erzeugen, was mit der Beschreibung des „Eintretens und Austretens“ korreliert. Dies stellt eine Ableitung der Pulsation selbst dar und daher ist Aakaasam das pulsierende Energiefeld des Universums. Jedes Wesen im Universum besitzt sein eigenes Aakaasam, einen Raum oder ein Umfeld, in das die gesamte Energie ausstrahlt.

Transversalwellen können als die weibliche Entsprechung zu den longitudinalen Wellen betrachtet werden. Geht man lediglich von Klangwellen aus, so können diese erneut unterteilt werden. In der Musik ist es der Rhythmus, der im Vergleich zur Melodie einen eher männlichen Charakter trägt. Rhythmus breitet sich naturgemäß in linearer Weise aus und klingt wie eine Aufeinanderfolge von Explosionen, während die Melodie einen gekrümmten Verlauf besitzt. Gott Siva hält als eines seiner Attribute eine Trommel in der einen Hand, aus deren Klang, wie es heißt, das gesamte Alphabet der Sanskrit-Sprache hervorgegangen ist. Die ursprüngiche und einfachste Form der Musik besteht in Percussions-Rhythmen und diese einfachen Rhythmen sind in ihrer Struktur höchst linear (und damit maskulin in ihrem Charakter). So ist es sicherlich kein Zufall, dass mit sehr wenigen Ausnahmen, Trommler und Schlagzeuger immer männlich sind. In der maskulinen Form der Musik dominieren immer Rhythmus und Trommelschläge, während melodiöse Klänge eher beruhigend wirken und damit dem weiblichen Charakter nahe kommen. In gleicher Weise können auch die Transversalwellen nochmals in vertikale und horizontale Wellen unterteilt werden, die jeweils wieder dem männlichen oder dem weiblichen Charakter zugeordnet werden können, wobei die Wellenberg männlicher und die -täler weiblicher Art sind. In einem Photon beschreibt der Teilchenzustand die weibliche Phase und die Wellenform die männliche. In Bezug auf den Tanz, ist es der Thandavam, der kosmische Tanz Sivas, in dem die vertikalen Bewegungen dominieren und lange, mehr senkrecht veraufende Wellen erzeugen. Die extremste Form dieses Tanzes manifestiert sich im Pralayam, der Auflösung des Universums. Der Tanz von Sakthi entspricht dem Laasyam, der einen mehr horizontalen und nichtlinearen Verlauf nimmt. So wie Rhythmus und Melodie in der Musik zu einer harmonischen Verbindung finden, so sind es gleichermaßen der Tanz des Kosmischen Paares, Siva, und Sakthi, die zusammen in Synchronisation die große Sinfonie des dynamischen Universums kreieren. In der Sushrutha Samhita heißt es, dass Aakaasam extensiv mit Sathwam angefüllt ist. Mit Sathwam ist hier die feinste Form der Energie oder Strahlung gemeint. Aakaasam ist das männliche, divergierende und Bhoomi das weibliche, konvergierende Ende in der Anordnung der Elemente ein, und alle anderen Elemente haben ihren Ursprung in der Interaktion dieser beiden.

Was all den bisherigen Ausführungen als gemeinsamer Faktor zugrundeliegt, ist eine bestehende wechselweise Konvergenz und Divergenz oder Vibrationen unterschiedlicher Art. „Eintritt und Austritt“ und der Akt der sexuellen Vereinigung sind bezeichnend für Pulsation. Diese drückt sich in einer einzigen Dimension aus und beschreibt eine Oszillation, die auf die vertikale Achse begrenzt ist. Nach dem Verständnis des Ayurveda, entspricht die universale Struktur, der eines pulsierenden Universums. Abwechselnde Konvergenz und Divergenz stellt die grundlegendste Natur des gesamten Universums von der Mikro- bis in die weiteste Makro-Ebene hinein dar. Wenn einer der dualen Partner zu seiner stärksten Ausprägung kommt, bedeutet dies gleichzeitig eine maximale Unterdrückung seines Gegenspielers. Von diesem Stadium ausgehend kehrt sich das dynamische Gleichgewicht der Kräfte um, so wie beispielsweise auf die Einatmung die Ausatmung folgt und auf den Tag die Nacht.

 

Übersetzt von Christine Hein

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© Dr. Sajan Kumar Somarajan 2011

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Kontakt:

 

Dr. Sajan Kumar Somarajan
Pappelweg 33
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E- Mail: vedayurkerala@gmail.com
Web: www.ayurvaidya.de

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