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Chronisches Erschöpfungs-Syndrom (CFS)

Chronisches Erschöpfungs-Syndrom (CFS)

14.07.2011 | Eine Annäherung aus ayurvedischer Sicht Das Chronische Erschöpfungs-Syndrom (chronic fatigue syndrom, CFS) ist eine Krankheit, bei der der Patient extrem erschöpft ist. Diese Erschöpfung verschwindet auch nicht, wenn man sich ausruht. Mit kurzem Fallbeispiel. Von Dr. E.P. Jeevan, B.A.M.S

Die Erschöpfung hält lange an und schränkt die Fähigkeit ein, alltägliche Tätigkeiten auszuführen. Das Chronische Erschöpfungs-Syndrom wird auch als myalgische Enzephalomyelitis bezeichnet.
Hier die Beschreibung eines Patienten, der an CFS leidet: Ich leide seit ungefähr fünf Jahren an CFS. Ich kann nicht arbeiten. Manche Tage sind ein einziger Kampf, doch die Gesellschaft scheint das nicht als eine wirkliche Krankheit zu akzeptieren. Mein Arzt schickte mich erst einmal zu einem Psychiater, aber ich wusste, dass ich nicht depressiv war, ich fühlte mich einfach nur schrecklich. Ich habe meinen Job verloren, und jetzt schlafe ich jeden Tag 16 Stunden. Ich kriege nichts hin und hoffe, dass niemand von mir denkt, ich sei faul. Ich bin so frustriert und so wütend! Ich bin zu verschiedenen Ärzten gegangen, und alle haben das gleiche gesagt: „Sie sind depressiv!“ Ich kenne meinen Körper und ich kenne meinen Geist, und ich bin nicht depressiv! Wenn ich mich fühle, als hätte mir jemand den Stecker rausgezogen und als würde jeder Tropfen Energie abgesaugt, so dass ich noch nicht mal die Kraft habe, aufrecht zu sitzen – das ist keine Depression!

Grundlage: Die Doshas
Vata, Pitta und Kapha sind die Grundlage der ayurvedischen Medizin. In Sanskrit werden sie als „Doshas“ bezeichnet. Vata ist die Bewegung der Kraft (Element Luft). Pitta ist die Hitze, die durch unsere Bewegungen erzeugt wird (Element Feuer), und Kapha ist die Struktur, in der Hitze und Bewegung erzeugt werden (Element Wasser). Alles kann in diese drei Kategorien oder Doshas eingeordnet werden. Sind die drei Doshas im Gleichgewicht, sind wir gesund; liegt eines im Übermaß vor, sprechen wir von Vata-, Pitta- oder Kapha-Krankheiten.

CFS aus ayurvedischer Sicht
Im Fall des Chronischen Erschöpfungs-Syndroms sind Vata (Luft) und Kapha (Wasser) verstärkt im System vorhanden. Ihr Anteil ist in ungesunder Weise vermehrt. Krankheiten, die im Zusammenhang mit Vata stehen, verursachen Schmerzen, Müdigkeit und Depressionen. Sie betreffen vor allem das Skelett, die Knochen und die Gelenke. Arthrose, Cervikalische Spondylose, Migräne, Koliken, Hexenschuss, Schlaflosigkeit und psychische Erkrankungen sind einige Beispiele für Vata-Krankheiten. Knochen und Nerven sind das Hauptgewebe von Vata. Das Vata-Haus oder der Sitz von Vata im Körper ist unterhalb des Nabels angesiedelt, vor allem die Gebärmutter, die Wirbelsäule, das Kreuzbein und auch die unteren Extremitäten. Die Sinnesorgane, die Vata zugeordnet sind, sind die Ohren und die Haut. Vata-Qualitäten sind Trockenheit und Kälte.
Wenn der Körper also große Mengen von Trockenheit und Kälte empfängt, sei es durchs Klima, durch Arbeitsbedingungen, durch Essen oder durch Übungen, kann Vata ansteigen und Probleme im Vata-Sitz (Wirbelsäule, Gebärmutter und Beine), an den Sinnesorganen (Ohren und Haut) und am entsprechenden Gewebe (Knochen, Gelenke, Nerven) verursachen. Jetzt können wir leicht verstehen, warum das Chronische Erschöpfungs-Syndrom Symptome in diesen Regionen sowie Schmerzen in den Knochen und Gelenken, Blähungen, Tinnitus, Trockenheit und Kälte der Haut usw. verursacht. Vor allem aber ist Vata Leere (Äther und Luft). Deshalb entsteht im Geist ein Gefühl der Leere, und Lethargie überfällt einen.

Ayurvedische Behandlung von CFS
Aus ayurvedischer Sicht resultiert chronische Erschöpfung aus reduzierten Ojas. Ojas (= Immunität oder Vitalität) entstehen, wenn Körper und Geist ausgeglichen sind. Bei CFS ist der Körper ausgelaugt, weil er einen endlosen Kampf gegen unverdautes geistiges oder physisches Gift oder gegen nicht abgeklungene Infektionen führt. Jemand, der an chronischer Erschöpfung leidet, ist nicht in der Lage, alltägliche Herausforderungen zu meistern, da ihm die Energiereserven selbst für normale körperliche oder geistige Prozesse fehlen. Da CFS meist im Zusammenhang mit einem Vata- oder Kapha-Ungleichgewicht steht, kann man generell sagen, dass diese Doshas ausgeglichen werden sollten. Der ganzheitliche Ansatz des Ayurveda würde im Fall von CFS all die angesprochenen Bereiche (Ohren, Haut, Wirbelsäule, Beine, Knochen, Gelenke, Nerven und auch den Geist) behandeln. Für die Behandlung wird warmes Öl verwendet – das Gegenteil der Vata- Energie –, wodurch die ungesund hohe Menge von Vata reduziert wird. Die Anwendungen bestehen aus Massagen mit warmen Pflanzenextrakten und Kräuterölen, innerlichen und äußerlichen Anwendungen von ayurvedischen Ölen und therapeutischen Anwendungen von Ölen in der Region der Wirbelsäule (Vasthi). Die Anwendungen sollten von einem erfahrenen Ayurveda-Therapeuten durchgeführt werden. Da chronische Erschöpfung viele nicht-spezifische Symptome mit sich bringt, variiert die Behandlung von Patient zu Patient.

Reinigungskur
Am Anfang werden bei einer Vata und Kapha reduzierenden Diät Kräuter verschrieben, die die Organe reinigen, z.B. Aswagandha, Brahmi, Bala, Sankupuspi, Asoka, Kapikachu, Holy basil, Satavari usw. Panchakarma, eine reinigende Anwendung, ist das Herzstück der Behandlung bei Vata-Krankheiten. Dabei werden medizinische Extrakte in Form von Ölen oder als Abkochungen in den Anus, den Hauptsitz von Vata, eingeführt. Das wird mindestens 7, höchstens 21 Tage lang stationär durchgeführt. Alle Ölanwendungen, innere Reinigungen wie z.B. Vasthi und eine spezielle Diät werden in dieser Zeit durchgeführt. Nach der Panchakarma-Kur wird eine ayurvedische Diät eingehalten, um die Verdauung und das Immunsystem wieder in einen guten Zustand zu bringen.

Ayurvedische Psychotherapie
Das Ziel dieser Therapie (Satavajaya) ist es, Denk-, Verhaltens- und emotionale Muster zu verändern. Im Gespräch mit einem Therapeuten ist es eventuell möglich, Gedanken und Gefühle zu erkennen, die ein bestimmtes Verhalten nach sich ziehen. Satavajaya kann dabei helfen, den emotionalen Einfluss auf die Gesundheit zu regulieren. Hierbei werden Techniken aus dem Yoga angewandt. Das Entwickeln von Geduld, Mut und richtigem Verhalten sowie das Kontrollieren von geistigen Mustern wie Stolz, Ärger usw. führen zu sozialer und geistiger Gesundheit. Ayurvedische Therapie ist pädagogischer Natur. Der Arzt vermittelt dem Patienten, wie Körper und Geist funktionieren, so dass wir sie richtig nutzen können. Der Patient ist Schüler. Die Therapie ist eine Kombination von Ayurveda, Astrologie und Spiritualität.

Fallbeispiel
Frau Schmidt hat eine Vata-Konstitution. Sie ist Mutter zweier Kinder, Krankenschwester und Marathon-Läuferin. Sie hatte Pfeiffersches Drüsenfieber. Trotzdem führte sie ihr Leben weiter wie bisher, bis sie zusammenbrach. In einem verzweifelten Akt der Selbstverteidigung zwang ihr Körper sie dazu, ihre Aktivitäten auf ein minimales Maß zu reduzieren. Frau Schmidt sollte eine ayurvedische Reinigung durchführen und eine Panchakarma-Kur machen. Im Zusammenhang mit täglichen Ölanwendungen wurde sie mit Vata-reduzierenden Kräutern behandelt. Sanfte Yoga-Übungen und Spaziergänge gehörten zu ihrem Tagesablauf. Sie hielt sich strikt an ihren Ernährungsplan. Die Verdauung normalisierte sich, das Fieber verschwand und die Kraft kehrte zurück. Ihr wurden nervenstärkende Kräuter verschrieben. Nach fünfmonatiger Behandlung konnte Frau Schmidt wieder normal leben, wenn auch mit etwas reduziertem Programm. Um ihr Immunsystem stabil zu halten, nimmt sie täglich Chyavanaprash und macht regelmäßig ihre Übungen.

Der Autor:

Jeevan_01

Dr. E.P. Jeevan, B.A.M.S (– Bachelor of Ayurvedic Medicine and Surgery, Bharathiyar University, India) ist ein qualifizierter, praktizierender Ayurveda-Arzt mit 20 Jahren klinischer Erfahrung in traditioneller Kerala Ayurveda, hiervon 10 Jahre in Deutschland. Dr. Jeevan‘s Wissen basiert auf seiner Zeit als Student, Dozent und praktizierender Arzt an der prestigeträchtigen Universität von Coimbator Ayurveda College in Kerala, Indien.

 

Titelbild: Foto von Engin Akyurt von Pexels


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