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Svedana, der therapeutische Schweiß

Svedana, der therapeutische Schweiß

17.03.2011 | „Vaya Sthapan“ lautet ein entscheidendes vedisches Gebot: „Bewahre dein Alter!“ Ayurveda lehrt den Menschen, wie er seine Lebenszeit optimiert und sich vor schädlichen Umwelteinflüssen und Zivilisationssünden bewahrt, die den Alterungsprozess beschleunigen oder Krankheiten Tür und Tor öffnen. Darum steht zu Beginn aller ayurvedischen Therapien die systematische Reinigung und Entgiftung. Von Vasant Lad, BAMS, MASc

Svedana, der therapeutische Schweiß
Baustein jeder Ayurvedakur

Wenn ein Dosha aus dem Gleichgewicht gerät, das heißt seinen angestammten Platz im Körper verlässt, kann das zu einer verminderten Immunreaktion oder vielen weiteren Störungen im Körper führen. Dringt zum Beispiel Vata in das Nervensystem ein, können daraus neuromuskuläre Probleme resultieren; Harnblasenentzündung können entstehen, wenn Pitta in das Harnwegsystem eindringt; und sollte sich Kapha in der Lunge niederlassen, kann man die Entstehung von Asthma beobachten.
Durch Svedana (therapeutischer Schweiß) und auch Snehana (innerliche und äußerliche Verabreichung öliger Substanzen, z. B. Ghee bzw. Ölmassage) werden die Doshas in ihrer Bewegung zentripetal ausgerichtet – und in den Magen-Darm-Trakt, ihr angestammtes „Zuhause“, zurückgeleitet.

ZB Die Doshas sind zwar auch im ganzen Körper verteilt, ihre therapeutisch relevante Hauptlokalisation sind jedoch der Magen (Kapha), der Dünndarm (Pitta) und das Colon (Vata).

Was ist Svedana?

Svedana ist eine vorbereitende Maßnahme, an die sich weitere ausleitende Anwendungen (z. B. einer Panchakarma-Kur) anschließen.

Snehana- und Svedana-Anwendungen wirken über die Haut, das heißt in den oberen und tiefen Faszien bis hin zu den Nervenenden. Hier entzünden sie Agni (das metabolische Feuer, den Stoffwechsel), stärken die verschiedenen Gewebe inklusive des Blutes (Dhatus) und bewirken die Freisetzung von Ama (fehlgeleitete Doshas und Toxine) aus diesen Geweben. Die gestärkten Gewebe versperren Ama den Zugang, so dass es nur noch über die Mukosa von Magen und Darm in den Verdauungstrakt wandern kann.
Wenn sich Ama dann im Darm befindet, ist die Ausleitung beispielsweise mit Panchakarma-Maßnahmen leicht. Vorzugsweise werden hierfür Basti (Einläufe) für Vata, Virechana (Abführen) für Pitta und Vamana (medizinisches Erbrechen) für Kapha verwendet.
Werden keine Panchakarma-Methoden angewendet, können die Doshas unter Umständen wieder aus der Balance geraten. Dies geschieht in der Regel nicht, wenn solche Maßnahmen zum Tragen kommen. Die meisten pathologischen Faktoren können durch dieses Vorgehen tatsächlich ohne Rückfälle eliminiert werden. Das ist auch der Grund, warum sich die Ayurveda-Medizin stark auf die Anwendung von Reinigungsverfahren konzentriert.

Die Anwendung von Svedana
Svedana kann auf zwei Arten durchgeführt werden:

  • Als Agni Svedana – gut für Kapha und Vata – über äußerliche Hitzeanwendung, z. B. ein heißes Bad, Sauna, Schwitzkasten, Packungen oder Sonnenbaden. Letzteres bringt dem Körper übrigens Leichtigkeit und stimuliert Bhuta Agni, die fünf Verdauungsfeuer der Leber.
  • Oder als Anagni Svedana – gut für Pitta – über innerliche Hitzeentwicklung, z. B. körperliche Aktivität, Sport, heißes, scharfes Essen, Ingwertee oder intensive Massagen.


Im Ayurveda nimmt Agni Svedana (äußerliche Hitzeanwendung) eine zentrale Rolle ein und wird in fünf Hauptkategorien unterteilt:

1.Tapa Sveda (Strahlungswärme) wird bei Kapha-Störungen eingesetzt. Der Patient kann dazu am Feuer sitzen oder man behandelt ihn mit einem beliebigen heißen Gegenstand (z. B. ein Backstein oder ein mit Sand gefüllter Stempel), der in ein Handtuch gewickelt wird, sollte er allein zu heiß sein. Diese Form der Strahlungswärme dringt durch die oberen Hautschichten über die tiefen Faszien bis zu den Nervenenden durch.

2.Drava Sveda (heiße Bäder oder Duschen) kommen bei Vata- und Pitta-Störungen zum Einsatz. Der Therapeut kann auch heiße Flüssigkeiten direkt über der schmerzhaften Körperstelle auf die Haut auftragen.
Eine zur Entspannung geeignete Drava Sveda ist Avagaha Sveda, ein Wannenbad mit medizinischem Schwefelpulver. Bei generalisierten Schmerzen des Körpers ist ein Bad mit jeweils einer Drittel Tasse Ingwerpulver und Backpulver (Soda, Natron) pro Wanne besonders hilfreich. Bei hohem Pitta genügt das Backpulver. Bei Jucken, Psoriasis oder Ekzem verwendet man statt des Backpulvers Neem-Pulver.
Avagaha Sveda kann man wiederum in verschiedene Unterkategorien einteilen: So ist Hasta Avagaha ein Handbad, Pada Avagaha in der Regel ein Fußbad und Kati Avagaha ein Sitzbad (bis zur Hüfte), jeweils in heißem Wasser oder in einer Kräuterabkochung.

3.Upanaha Sveda (heiße Packungen) kommt bei Störungen von Mamsa (Muskelgewebe), vor allem bei Vata- und Pitta-Konstitutionen, zum Tragen. Für die Packung nimmt man etwa eine halbe Tasse Kichererbsenpulver oder Weizenmehl, fügt je einen halben Teelöffel der gewünschten Kräuterpulver zu und vermengt es mit ausreichend Wasser, um einen Teig zu erhalten, der noch mit Ghee und Gewürzen verfeinert wird. Diese Paste wird dann gekocht und anschließend gleichmäßig auf ein Tuch aufgetragen, das man auf die schmerzhafte Körperstelle auflegt. Diese Packungen sind hilfreich bei Muskelschmerzen, Krämpfen, Koliken, Bauchfellschmerzen und bei Eiterungen. Substanzen mit heißer und durchdringender Qualität, so z. B. Nelke, Zimt, Kardamom, Kalamus-Wurzel (Vacha), Senfsaat, Cayenne-Pfeffer, Knoblauch und Zwiebelbrei werden häufig verwendet, da sie bis in die tiefen Gewebe wirken können.

4.Bashpa oder Ushma Sveda (heiße Dämpfe) ist bei Störungen aller Doshas geeignet. Sie schließt Sauna, Dampfbad, Schwitzkasten und heiße, mit Wasser zu übergießende Lavasteine ein. Der Dampf verbessert die Atmung, fördert die Durchblutung und entspannt die Muskulatur. Verwendet man zusätzlich Kräuterabkochungen, so wirken deren Inhaltsstoffe im Dampf über die Haut. Ätherische Öle wie Sandelholz, Nirgundi, Vacha, Tulsi oder Eukalyptus sind beliebte Düfte.
Eine abgewandelte Form von Bashpa Sveda ist Nadi Sveda, wobei Dampf über eine Düse nur auf bestimmte Körperstellen gerichtet wird (Cave: Nicht zu nah an die Haut halten – Verbrühungsgefahr!). Die Methode wirkt entlastend bei Rückenschmerzen im unteren Bereich der Wirbelsäule, bei Ischiasbeschwerden, Arthritis, Gelenkschmerzen oder Knöchelschwellungen. Sie ist hilfreich bei Lähmungserscheinungen (selbst bei vollständiger Lähmung) und anderen Gegebenheiten, wie sie bei bettlägerigen Menschen vorkommen. In diesen Fällen bedeckt man die Person mit einer Decke und bedampft sie so, dass der ganze Körper – ausgenommen der Kopf – erwärmt wird.

5.Ruksha Sveda (trockener Schweiß) wird bei geschwollenen Händen oder Füßen sowie bei Ama Vata eingesetzt. Sonnenbaden erzeugt trockene Hitze und auch die direkte Hitze durch heiße Wickel zählt man zu den Ruksha Sveda-Maßnahmen.

Generell bringt Svedana (und auch Snehana) folgende Vorteile mit sich:

  • verbessert die Atmung
  • Temperaturausgleich, z. B. bei Durchblutungsstörungen, Unterkühlung
  • stimuliert Dhatu Agni (Gewebestoffwechsel) und stärkt die Kraft und Spannung der Gewebe
  • reinigt die Körperkanäle
  • klärt Unreinheiten und führt überflüssiges Wasser ab
  • fördert weiche und jugendliche Haut
  • verflüssigt Kapha (Schleim) und setzt Toxine frei
  • vermindert Schwellungen und Stauungen
  • fördert Stressabbau und Entspannung
  • fördert Muskelentspannung
  • reduziert Schweregefühl von Körper und Geist
  • entfaltet Klarheit
  • hilft Vata, in die richtige Richtung zu fließen
  • bringt die natürlichen Reflexe ins Gleichgewicht, verbessert die Kontrolle der Sphinkter-Muskulatur
  • fördert Ojas (die feinstoffliche Essenz der Gewebe) und damit die Ausstrahlung
  • steigert Tejas (das metabolische Feuer) und fördert damit die natürliche Widerstandskraft
  • steigert die Lebenskräfte durch Prana-Unterstützung
  • unterstützt den „inneren Arzt“ (Selbsheilungskräfte) durch Förderung der körpereigenen Regulationsmechanismen


Anmerkungen aus der Praxis

Prinzipiell ist die Durchführung einer Ölmassage vor dem Schwitzen zu bevorzugen, da sie hilft, toxische Ausscheidungen und entsprechenden Schweiß loszuwerden – für eine Pitta-Konstitution die Krönung.
Bei umgekehrtem Vorgehen (zuerst Schwitzen, danach Ölmassage) wird die Haut trocken. Die ohnehin schon trockene Haut von Vata-Menschen wird hierdurch noch kraftloser, und für Pitta-Typen bedeutet dies eine ernste Verschlechterung.
Nur Kapha-Menschen mit kalter, klammer Haut profitieren von einer trockenen Sauna. Bei ihnen kann man oft beobachten, dass das Schwitzen die Harnbildung fördert und durch die diuretische Wirkung überflüssiges Wasser ausgeschieden wird.
Vata-Typen, die häufig unter kalten Händen und Füßen, nicht-balanciertem Agni, schlechtem Appetit, ständigen Muskelspannungen, einem Schweregefühl im Körper, trockener, rauer und schuppiger Haut oder gestörtem Schlaf leiden, schwitzen meistens schlecht und unzureichend. Ihnen hilft nicht nur die Ölmassage, sondern bei Anzeichen zu schlechten Schwitzens vor einer erneuten Schwitzanwendung zusätzlich Trikatu (Ingwer, schwarzer Pfeffer und Pippali) oder manchmal auch ein Öl-Einlauf, da übersteigerte Trockenheit auch durch ein zu trockenes Colon verursacht sein kann.

Die angemessene Anwendungszeit variiert individuell.

Für Pitta-Typen genügen in der Regel fünf bis sieben Minuten, während Vata- Typen das Schwitzen eine halbe Stunde lang genießen können und Kapha-Typen wiederum 15 bis 20 Minuten genügen.
Beachtet werden sollte generell, dass man bei akutem Fieber keine schweißtreibenden Anwendungen oder heiße Wannenbäder durchführen sollte. In diesen Fällen eignet sich Anagni Sveda (innerliche Hitzeentwicklung) besser: Man wickelt ein bis zwei Decken um die Person, um sie zum Schwitzen zu bringen, was den Körper kühlen wird. Wenn es sich um ein Fieber von verstärktem Pitta handelt, dann sollte die Körpertemperatur durch kühlende Schwämme gesenkt werden.

Weitere Praxis-Tipps:

  • immer bei der zu behandelnden Person im Raum bleiben
  • die Temperaturen mit dem Kunden absprechen
  • die Temperaturen regelmäßig kontrollieren
  • niemals überhitzen (!): Kopf, Herz, Hoden oder Vagina sind lebenswichtige Prana-Spender
  • bei Schwitzkasten-Anwendung den Kopf immer außerhalb des Schwitzkastens belassen
  • bei Bedarf ein kühles Handtuch auf die Stirn oder den gesamten Kopf legen
  • auch für die Genitalien kühle Handtücher bereithalten


Ayurveda für Körper und Geist

Aus dem Gleichgewicht geratene Doshas können nicht nur im Körper, sondern auch im Geist Folgen haben: So kommt es beispielsweise zu Angst, Ängstlichkeit, Traurigkeit und Einsamkeit, wenn sich Vata im Geist befindet. Pitta im Geist hingegen bewirkt Wut, Hass, Vorurteile, Kritik und Perfektionismus. Und Kapha schließlich begünstigt Festhalten und Gier, wenn es im Geist feststeckt.
Alle diese Gefühle, aus denen Depressionen entstehen können, sind Formen von Egoismus. Ein solcher Geist kann als ungesund und toxisch bezeichnet werden.
Im Ayurveda wird der Geist nicht vom Körper getrennt, sondern es wird immer umfassend behandelt. Regelmäßiges Svedana (und Snehana) fördert daher ebenso das Loslassen von Emotionen und reinigt neben dem Körper auch den Geist und das Bewusstsein. Durch anschließendes Panchakarma werden Wahrnehmung und Verständnis gefördert – Liebe, Mitgefühl und Klarheit im Geist können sich entfalten.
Der vormals von Erwartungshaltungen, Interpretationen, Beurteilungen, Sympathie und Antipathie blockierte Geist findet hierdurch wieder sein angestammtes „Zuhause“ im bewussten Gewahrsein des ewigen Augenblicks, wir leben dann vollständig und erfüllt im Hier und Jetzt.

Tab. 1: Wie sich Vata- und Kapha- sowie Pitta-Störungen äußern können

Vata und Kapha-Störungen Pitta-Störungen
  • Schmerzen am ganzen Körper
  • Erkältung, Stauungen, Husten, Grippe
  • Fieber vom Vata- oder Kapha-Typ
  • Atemnot oder Asthma
  • Rippenfellentzündung
  • Schluckauf
  • heisere Stimme
  • lymphatische Stauungen
  • Bauch-Dehnungen oder Bauchkrämpfe
  • Rücken-, Nacken-, Kopfschmerzen
  • Verstauchungen
  • Muskelschmerzen
  • Tremor und Spasmen
  • Lähmungen
  • Multiple Sklerose
  • Fazialislähmung
  • Morbus Parkinson
  • Ohrenschmerzen
  • Kiefersperre
  • Divertikulose
  • Kribbeln oder Taubheiten
  • Ischias-Beschwerden
  • Arthritis oder Rheuma
  • trockenes Ekzem oder Psoriasis
  • Schwellungen oder Ödeme
  • Toxine (Schlacken im Gewebe durch mangelndes Verdauungsfeuer entstanden)
  • hoher oder extrem niedriger Blutdruck
  • Dehydrierung oder extremer Durst
  • extreme Schwächung
  • schwerer Durchfall
  • Insulin-abhängiger Diabetes Typ 2 (Altersdiabetes) oder Unterzuckerung
  • akutes peptisches Geschwür
  • Colitis ulcerosa
  • Prolaps des Enddarms
  • Lebensmittelvergiftung
  • Störungen der Blutgerinnung
  • Alkohol-Toxizität
  • Synkopen (Bewusstlosigkeit)
  • Schwindel, Gleichgewichtsstörungen
  • Übelkeit, Erbrechen
  • Klaustrophobie
  • intensive Trauer oder Ärger
  • Erschöpfung
  • Tuberkulose, verzehrende Krankheiten
  • Gelbsucht
  • Grand-Mal-Epilepsie
  • Akuter Herzanfall
  • exzessive Adipositas
  • AIDS
  • Krebs
Unterstützt wird dies durch Stress Unterstützt wird dies durch heiße Sommer, Schwangerschaft, während der Periode

 

Die Erstveröffentlichung dieses Artikels erschien in der CO’MED 12/2010.
http://www.comed-online.de/


Anwendungen dieser Art und weitere Informationen erhalten Sie bei:

Euroved Klinik, Panchakarma Kuren und ärztliche Behandlungen
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