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Ayurveda und Yoga - ein gesundes und erfülltes Leben durch Balance (Teil II)

Ayurveda und Yoga - ein gesundes und erfülltes Leben durch Balance (Teil II)

28.06.2010 | Teil II des Beitrages von Klaus Wasmuht, Heilpraktiker, über die grundlegende Philosophie von Ayurveda und Yoga und Ihre Bedeutung in modernen Zeiten. (Teil I hier)

Teil II

Der Ansatz des Yoga

Nach  David Frawley  ermöglichen Yoga und Ayurveda  vollständiges Erlangen und Erhalten optimaler Gesundheit, Vitalität und höheren Bewußtseins (11).

Nun ist Yoga  nicht gleich Yoga. Auch hier gerät man leicht in Gefahr sich in einem „Milchstraßensystem“– dieses Mal – von Yogaangeboten zu verlieren: Hormon Yoga, Business Yoga, Slackline Yoga, Traum Yoga, Well-Aging Yoga, Akro Yoga, Lach Yoga, Nackt Yoga, Yogalethics sind moderne Catchbegriffe. Daneben gibt es zahlreiche Angebote für oder gegen etwas, wie: Yoga für die Schilddrüse, Yoga für den Rücken, Yoga für die Marmas, Yoga für die Gelenke; Yoga gegen Grippe, Yoga gegen Streß. Daneben drohen klassische Begriffe wie Hatha Yoga, Raja Yoga, Bhakti Yoga, Jnana Yoga, Kundalini Yoga, Chakra Yoga, Nada Yoga ( Klang Yoga), Mudra Yoga (Finger Yoga), Vipassana Yoga, Yoga Nidra und Kriya Yoga zu verblassen.

Jiddu Krishnamurti (12) sagt sehr treffend: “ Meditation ist nicht das, was überall auf der Welt  praktiziert wird, das Wiederholen von Wörtern, eine bestimmte Sitzhaltung einnehmen, auf eine bestimmte Weise atmen“, die Nasenlöcher zuzuhalten, immer wieder dasselbe Mantra aufsagen und sich  etwas zu suggerieren hat nichts mit Meditation zu tun, das ist Selbsthypnose. „ Das läßt den Geist natürlich abstumpfen, er wird auf Grund dieser Abgestumpftheit still, und sie glauben, sie hätten nun die Stille entdeckt. Aber das Leben zu verstehen, frei von Leid zu sein – und zwar nicht nur theoretisch, sondern tatsächlich – frei von Angst und Tod zu sein läßt den Geist vollkommen still werden. Und das ist Meditation.“

Die Yogaweisheit des Patanjali (13), die  klassische Grundlage aller Yoga-Systeme, lehrt eine spirituelle Vervollkommnung des Menschen in acht Stufen (Ashtanga Yoga), wobei die ersten fünf Stufen eine psychosomatische Herangehensweise bedeuten. Auf dieser Ebene lehrt Yoga entsprechendes ethisches Verhalten in gesellschaftlicher (Yama) und persönlicher Hinsicht (Niyama), Disziplin des physischen Körpers (Asana), Kontrolle über die Energie durch Atmung (Pranayama) und Abstraktion der Sinne (Pratyahara).  Bereits die verschiedenen Aspekte, die allein das Verhalten den Mitmenschen gegenüber betreffen, zeigen ein hohes Maß ethischer Wertmaßstäbe, die nicht um ihrer selbst willen stehen, sondern Grundvoraussetzungen für ein erfülltes und harmonisches Leben bilden.
Die Vorgehensweise der ersten fünf Stufen ist als externes Yoga bekannt und wird  auch Hatha Yoga genannt. Die anschließenden Übungen  Konzentration (Dharana) , Meditation (Dhyana) und transzendiertes Bewußtsein (Samadhi) werden als internes Yoga (Raja Yoga) verstanden.
Schon der erste Aspekt  der  verschiedenen Regeln für das sozialen Verhalten ,,Ahimsa“ (die Gewaltfreiheit) kann als eine Analogie zum christlichen Gebot ,,Du sollst nicht töten" gesehen werden. Allerdings geht diese Form der Gewaltfreiheit noch ein Stück weiter und umfaßt auch Gewaltfreiheit in Gedanken, Worten und alltäglichen Handlungen. Für die Yoga Praxis bedeutet das zum Beispiel, daß bereits jede Körperübung (asana), die gewaltsam ausgeführt wird, nicht Yoga genannt werden kann.
Der  zweite Aspekt ,,satya“ - die Wahrhaftigkeit  - stellt eine weitere wichtige Basis der Yogapraxis dar. Es schließt die Ehrlichkeit anderen gegenüber gleichermaßen ein wie die Aufrichtigkeit sich selbst gegenüber. Dies hat eine tiefe Bedeutung, denn die Lüge bricht (wie weiter unten erwähnt) den Kontakt zur Realität und schafft schädigende Dissonanz im feinstofflichen Körper.
Der Aspekt ,,asteya“ (nicht Stehlen) steht wiederum in Analogie zu den zehn Geboten des Christentums. Hierunter fällt auch geistiger Diebstahl oder auch Übervorteilung.
Der nächste Aspekt „brahmacarya“ (Mäßigung in allen Dingen) meint den äußeren Freuden nicht anzuhängen, nicht verhaftet zu sein. Dieser Aspekt wird sehr kontrovers diskutiert. Manche Yogaschulen legen es als extreme Askese und als Verzicht auf alle weltlichen Freuden aus.
Auch der nächste Aspekt ,,aparigraha“ (Besitzlosigkeit) wird kontrovers beurteilt. Die asketischen Yoga Richtungen lehnen jeden Besitz ab. Die etwas weltoffeneren legen es so aus, daß unnötiges Ansammeln von weltlichen Gütern und die übermäßige Bindung daran den Yoga Übenden von seiner inneren Natur, seinem inneren Wesen ablenken. Man glaubt zu besitzen, wird aber von den Dingen besessen und verschließt sich somit vor der befreienden Erkenntnis.
Während die fünf Yamas Einschränkungen oder Disziplinen im Umgang mit anderen Menschen beschreiben, zeigen die fünf  Niyamas der zweiten Stufe des Ashtanga Yogas einen Verhaltenskodex im Yoga auf, der die individuelle Selbstdisziplin des Menschen in verschiedener Hinsicht anleiten will. Die Niyamas Reinheit ( Shauca), Zufriedenheit (Santosha), Selbstzucht (Tapas), Selbststudium (Svadhyaya) und Gottvertrauen (Ishvarapranidhana) unterscheiden sich von den Yamas in der größeren Nähe zur individuellen Persönlichkeit, die wiederum einen besonderen Bezug zum Verhalten oder die Beziehung zur äußeren Gesellschaft aufweist.                              
An dieser Stelle sei besonders darauf hingewiesen, daß eine Verletzung der erwähnten ethischen Aspekte  eine Schädigung des feinstofflichen Körpers (Aura) hervorruft, die in weiterer Folge gesundheitsschädigend auf den physischen Körper wirkt.
Auffallend ist, daß die beiden oben erwähnten Grundstufen des klassischen Yogas in der Praxis des westlichen Kulturkreises gern übersehen werden beziehungsweise kaum Erwähnung geschweige denn Beachtung finden. Das westliche Verständnis von Yoga ist  mehr auf den pragmatischen Nutzen für die körperliche Gesundheit gerichtet und  beschränkt daher Yoga auf  dynamisches Üben von Körperstellungen (Asanas), Atemübungen (Pranayama) und eine kostenpflichtige (transzendentale) Meditationstechnik  (TM Meditation).
Asanas, Pranayama und TM ohne gleichzeitiges Praktizieren ethischer Grundsätze wie Wahrhaftigkeit, Gewaltfreiheit, Mitgefühl sind nicht mehr als Leibesübungen oder Fitneßübungen.  Motivation ist eher Leistungssteigerung zur Erringung und Absicherung eines materiellen Wohlstandes als  spirituelle Erfüllung in Demut und Genügsamkeit.
Hier scheiden sich die Geister zwischen Ost und West.
So verweisen  zum Beispiel hierzulande Betreiber von Kraft- oder Fitneßtrainingsstätten auf die richtige Proportion von Leistungsgewicht und Körpermasse und propagieren ein entsprechend rigoroses Muskeltraining. Der beim Krafttraining einhergehende vermehrte Verschleiß und die Verletzungen von Muskelgewebe werden als willkommener Stimulus für Muskelwachstum gesehen und durch progressives Krafttraining unter Einhaltung der notwendigen Regenerationsphase gefördert. Angestrebt wird das Leistungsgewicht (Kraft pro Kilogramm Körpergewicht)  erheblich zu erhöhen. Der Vergleich Athlet als PKW und Dicker als PKW  soll dies veranschaulichen. Der Athlet hat viel Muskelmasse (viel PS) und wenig Fett und der Dicke hat extrem viel Fett und wenig Muskelmasse (wenig PS). Der Athlet hat ein sehr hohes Leistungsgewicht und der Dicke ein sehr niedriges. Der Muskeltrainer bewegt den Körper mit mehr PS, fühlt sich wohler, sein Körper wird attraktiver.
Ganz anders benutzt Swami Vishnu-devananda das Beispiel PKW und Mensch (14).  Ein Automobil benötigt außer einem Motor ein Schmiersystem, eine Batterie, ein Kühlsystem, das richtige Benzin und einen verantwortlichen Fahrer hinter dem Steuer.
Der Körper des Menschen wird als Tempel oder Vehikel für die Seele betrachtet.  

Dieses Körper –Vehikel benötigt:                                                                                                                                  

 

  • angemessenes Training: Dieses agiert als Schmiermittel für die Gelenke, Muskeln, Sehnen und Bänder und verbessert die Beweglichkeit und      Biegsamkeit.
  • korrekte Atmung: unterstützt den Körper im Zusammenhang mit der „Batterie“, dem Solar Plexus
  • sachgerechte Entspannung: kühlt den Körper, natürliche Form der Regeneration
  • gesunde Diät: versorgt den Körper mit dem richtigen Brennstoff
  • positives Denken und Meditation: ermöglicht die Kontrolle


Den tieferen Sinn des Yoga erläutert sehr schön Paramahansa Yogananda (15) anhand der Yogaweisheit der Baghvad Gita, nämlich die eigene Persönlichkeit durch Selbsterforschung und Innenschau mit Methoden weiter zu entwickeln, die zu Frieden und innerer Harmonie führen und seelische Kräfte entwickeln, die erkennen was den geistigen Fortschritt fördert oder behindert. Weiterhin besteht der Sinn des Yoga darin, einen  idealen Ausgleich zwischen materiellen und geistigen Zielen anzustreben und Wege aufzuzeigen wie man die tieferen Stadien der Meditation und der göttlichen Erleuchtung erlangt.
Ähnlich vertritt Aurobindo in Anlehnung an das Tätigseins Krishnas in dem von ihm gelebten Yoga ein Tätigsein in der Welt - ohne Anhaften an den Erfolg - in vollkommener Gelassenheit. Dazu müssen alle Wesensteile des Menschen, wie die Kräfte des Egos umgewandelt und von der göttlichen Urkraft erfüllt werden.

Dieser Umwandlung stellen sich verschiedene Hindernisse entgegen, die es zu überwinden gilt.

Harish Johari (16)  beschreibt drei wesentliche Hindernisse, die beim Aufstieg der spirituellen Kraft (Kundalini) zu überwinden sind. Diese Hindernisse werden in Form von Knoten (Granthi) in verschiedenen Chakren (feinstoffliche Energiewirbel zwischen physischen Körper und Astralleib) gebildet und nach den drei großen indischen Gottheiten  Brahma (Schöpfer), Vishnu (Erhalter)  und Shiva (Zerstörer) benannt. Der Brahma Knoten ist dem physischen Körper und der Welt der Namen und Formen zugehörig. Der Vishnu Knoten ist dem astralen Körper und der Welt der Emotionen zugehörig. Der Shiva (Rudra) Knoten ist dem kausalen Körper  und der Gedankenwelt, der Welt der Ideen, Visionen und Intuition zugehörig.

Hier sei nur kurz auf Brahma Granthi eingegangen um die Schwierigkeit der Überwindung dieser Hindernisse anzudeuten.

Der nach dem Schöpfer der Welt benannte Brahma Granthi ist im ersten Chakra (Muladhara –Wurzelchakra) lokalisiert. Die Welt der Namen und der Formen bildet das erste Hindernis in der Entwicklung spirituellen Wachstums. Diese Welt, die uns durch fünf Fenster (fünf Sinne) zugänglich ist, hält unser Bewußtsein in großem Maße beschäftigt, es schafft Ambitionen und Wünsche und hält den Geist gefangen. Auflösung dieses Knoten befreit von den Fesseln, die durch Anhaftung verursacht werden. Solange diese Auflösung nicht gelingt, kann nicht wirksam meditiert werden. Die Yamas und Niyamas und Asanas sollten regelmäßig und hingebungsvoll geübt werden um schließlich durch  anhaltendes Praktizieren von pratyahara (Zurückziehen der fünf Sinne) den Geist zu befreien und über ihn zu herrschen.
Die Weisheit und die Stimme der Natur zu erkennen, das Alphabet der Elemente zu verstehen und danach zu leben ist nach David Frawley die wertvollste Erfahrung  menschlichen Lebens. Ayurveda und Yoga liefern  dieses Alphabet. Ayurveda zeigt den Weg, Gesundheit durch ein harmonisches Gleichgewicht von Körper, Geist und Seele zu erhalten und Yoga zeigt den Weg jenseits des Körperbewußtseins zu transzendieren. Diese geistige Transformation gleicht einem unmittelbaren Erwachen, das die Illusion unseres Lebens (Maya) durchschaut und die Tür zu einer neuen Sichtweite und beglückenden Lebensführung öffnet. Das heißt nicht, daß die Welt eine Illusion ist, die nun durchschaubar wird. Die Illusion besteht vielmehr in unserer Anschauung von der Welt, wenn wir die Formen und Strukturen, Dinge und Ereignisse um uns herum als Realität annehmen, anstatt zu erkennen, daß sie Konzepte unseres kategorisierenden Intellekts sind.
Warum sind wir keine Zauberer mehr? Eine Antwort lautet: weil wir durch Lügen die Verbindung zur Realität unterbrechen. „Heute scheinen alle zu lügen. Chefs lügen, Reporter lügen, Politiker lügen, Liebhaber und Geliebte lügen, Religionsführer lügen. Es erscheint akzeptabel, weil niemand großes Aufsehen darum macht“(17). Und weiter, wenn wir unsere Lügen, Unwahrheiten und unsere Opferhaltung „nicht mit der Wurzel ausreißen, sondern mit einer spirituellen Fassade überdecken, dann können Wissenschaft und Religion sich bis in alle Ewigkeit vereinigen, und kein bißchen wird sich ändern“.  

Zusammenfassung:
Die Gesundheit ist die normale Daseinsform des Menschen. Die Herausforderung im Leben besteht darin zwischen den sich bedingenden polaren Gegensätzlichkeiten  –  in der chinesischen Philosophie als Yin und Yang bezeichnet   – ein dynamisches Gleichgewicht zu halten. Im Osten gilt eine Person als tugendhaft, die sich nicht für das Gute krumm macht, sondern die eher fähig ist, ein dynamisches Gleichgewicht zwischen gut und böse zu bewahren (18). Ayurveda und Yoga zeigen einen Weg, ein gesundes und erfülltes Leben durch Balance zu erhalten, indem man von innen nach außen lebt und sich nicht von außen manipulieren läßt. „Jedes Anlehnen, an wen auch immer, führt zu nichts. Wichtig ist die eigene, persönliche Intuition, die Arbeit an sich selbst“(19). Diese Arbeit an sich selbst erfordert innere Disziplin und das bedeutet "Reinheit, Bescheidenheit und Zufriedenheit, Selbststudium und das Erkennen der eigenen Grenzen“ (Yoga Sutra 2, 32).

Schlußbemerkung:

"Beständiges Nichtbegehren schaut das Geheimste. Beständiges Begehren schaut nur das Begrenzte." (Laotse, Tao te king, übertragen von Zensho W. Kopp, Schirner Verlag, Darmstadt, 2005, Kap.1)
KRW
08.05.10

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© Klaus-Rupprecht Wasmuht, Heilpraktiker, Lübeck
15.05.2010

 


Quellen:


(11)  David Frawley (Vamadevi Shastri), Yoga & Ayurveda, Self-Healing and Self-Realization, Lotus Press,  Wisconsin, 1999, ISBN 0-914955-81-0
(12) Jiddu Krishnamurti, Wie willst Du leben? ( Original: What are you doing with your Life?), Ojai,  Kalifornien, 2001, ISBN 3-936855-27-7
(13)  Sukaddev Volker Bretz,  Die Yogaweisheit des Patanjali für Menschen von heute,  3.Auflage 2008, Verlag Via Nova, ISBN 978-3-928632-81-2, S.101
(14) Swami Vishnu–devananda, The Sivananda Yoga Training Manual , published by: The Sivananda Yoga Vedanta Centre, London, 1991,und auch (9)
15) Yogananda, Paramahansa, Der Yoga der Bhagavad-Gita, Eine Einführung in die universale indische         Wissenschaft der Gottverwirklichung, Self-Realization Fellowship, 2008. 224 S,.ISBN: 978-0-87612-034-7
(16) Harish Johari, Chakras - Energy Centers of Transformation, India Traditions India Home Office, Vermont, Copyright © 1987 Harish Johari, ISBN 0-89281-677-5 IT India
(17) William Arntz, Betsy Chasse, Mark Vicente: Bleep, An der Schnittstelle von Spiritualität und Wissenschaft, VAK Verlags GmbH, Kirchzarten, 3.Aufl. 2006, ISBN-13:978-3-935767-84-2
(18) Fritjof Capra:  The Tao of Physics - an exploration of the parallels between modern physics and eastern mysticism, Harper Collins Publisher, London , third edition 1982, ISBN 0 00 654489 4
(19)  Chögyam Trungpa, Die Insel des Jetzt im Strom der Zeit, Fischer Verlag, Frankfurt/M, 1998, S. 202,
ISBN 3-596-13823X

 

Titelbild: Photo by kike vega on Unsplash


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