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Stellungnahme der EUAA zur IAF-Fragebogenaktion

Stellungnahme der EUAA zur IAF-Fragebogenaktion

02.03.2010 | Dr. Matthias Schmidt, der Spezialist für Ayurveda Medizin in der EUAA (Europäische Ayurveda Association, hat im Folgenden ausführlich zur IAF Fragebogenaktion (Siehe Artikel vom VEAT) Stellung genommen. Grundsätzlich ist die EUAA mit einer Fragebogenaktion einverstanden, es wird jedoch befürchtet, dass die vorgeschlagene Initiative an den praktischen Realitäten vorbeigeht.       

Siehe Artikel vom VEAT

Offener Brief der EUAA vom 22.02.2010


Wir begrüßen ausdrücklich Initiativen, mit denen die zweifellos vorhandenen Lücken des Systems der traditionellen Registrierung pflanzlicher Arzneimittel auf Basis der Direktive 2001/83/EC (mit Ergänzungen) deutlich gemacht werden. Wir fürchten aber, dass die von Ihnen vorgeschlagene Initiative an den praktischen Realitäten vorbeigeht, und möglicherweise sogar bei einigen Protagonisten den gegenteiligen Effekt erzeugen könnte.

Lassen Sie uns zunächst die Regelung der THMP-Direktive im Umfeld betrachten: Die Notwendigkeit zur Harmonisierung der Märkte ergab sich aus der Tatsache, dass Produkte in verschiedenen EU-Ländern unter unterschiedlichem Status vermarktet werden und wurden. Die Präparate aus dem Umfeld der Ayurveda wurden zwar de facto als Arzneimittel angewandt, aber in der Regel als Nahrungsergänzungsmittel (NEM) deklariert. Unabhängig von der Frage der Registrierung wird dieser Weg ab jetzt verschlossen sein, weil Health Claims nunmehr über den Umweg der EFSA genehmigt werden müssen. Hierfür sind aber die4 Voraussetzungen bedeutend strenger als für die THMP, weil für die NEM ein Wirksamkeitsnachweis an Gesunden (!) verlangt wird. NEM sind per definitionem nicht für die Behandlung Kranker konzipiert.

Diese Regeln stehen primär nicht um Zusammenhang mit der Herkunft der Mittel. Sie gelten gleichermaßen für europäische wie indische Zubereitungen.

Um in diesem Zusammenhang Härten zu vermeiden, wurde die THMP-Direktive geschaffen - auch hier ohne Ansehen der Herkunft der Präparate. Selbstverständlich ist es richtig, auf die handwerklichen Mängel der Direktive hinzuweisen, und auch darauf hinzuarbeiten, dass die Direktive um weitere, nachgewiesen toxikologisch unbedenkliche Naturstoffe wie bestimmte Mineralien oder Honig, Propolis, Butter etc. ergänzt wird. Ihre Initiative vermittelt hier aber den Eindruck, dass diese Stoffe ausgeschlossen wurden, um die ayurvedischen Zubereitungen systematisch vom Markt fern zu halten. Das ist nach unseren Erfahrungen und Gesprächen auf Brüsseler Ebene und auf der Ebene der nationalen Zulassungsbehörden nicht der Fall. Wenn wir alle an einem Strang ziehen, können wir es erreichen, dass das EU-Parlament und die EU-Kommission dahingehend sensibilisiert werden, dass das THMP-Paket neu aufgeschnürt und ergänzt werden muss. Das wird aber nicht gehen, wenn wir den Betroffenen Kreisen indirekt böswillige Absicht unterstellen.

Damit kommen wir zum Kernpunkt: der Frage der übertriebenen Sicherheitsanforderungen. Hier gehen wir absolut konform: was hier in der EU auf verschiedensten Ebenen geboten wird, ist völlig überzogen und gefährdet weiter Bereiche der mittelständischen Wirtschaft. Das aber ist nicht die Schuld der THMP-Direktive: die Forderung nach mehr Verbrauchersicherheit und die Einführung des "Precautionary Principl" ist bereits in dem Amsterdamer EU-Verträgen festgeschrieben worden, und wird nun systematisch umgesetzt. Wir können aber nicht ernsthaft versuchen wollen, nur den gerade erst mühsam umgesetzten Lissabon-Vertrag in Frage zu stellen - da werden wir keinerlei Unterstützung bekommen.

Entsprechend ist unsere Erfahrung, dass beim Thema Sicherheit sofort die Gegenreaktion kommt: Qualität und Sicherheit sind nicht verhandelbar. Das gilt für europäische Arzneipflanzen ebenso wie für indische - leider stehen aufgrund schlechter Erfahrungen mit der Qualität asiatischer (vor allem chinesischer) Drogenherkünfte die ayurvedischen Pflanzenimporte unter besonders kritischer Beobachtung. Grundsätzlich sehen wir das aber nicht als Problem, sondern als Herausforderung an. Die Qualitätsvorgaben für die Registrierung sind klar definiert und erfüllbar, vor allem in Bezug auf Kontaminanten. Ein Freifahrschein wird niemand bekommen, und alle Versuche, die Qualitätskriterien aufzuweichen, werden mit Sicherheit abgeblocket werden. Unserer Ansicht nach sind solche Ansinnen auch dahingehend gefährlich, weil sie der Presse, die vorrangig auf Skandale aus ist, nur unnötig Munition liefern wird, wenn wieder einmal interessierte Kreise Laboruntersuchungen veröffentlichen.

Aber auch ansonsten haben wir Schwierigkeiten mit einigen Tendenzen, die aus dem Fragebogen abgeleitet werden könnten:

•    Der Hinweis, dass nur definierte Formen und Wirkstärken registrierungsfähig sind, ist aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar. Eine Zulassung oder Registrierung eines Arzneimittels ist immer fallbezogen und präparatespezifisch. Dieser Hinweis klingt so, als könnte man bei Zulassungen Wirkstärke und Anwendungsform variieren - das ist nie der Fall gewesen. Wir verstehen, dass damit zum Ausdruck gebracht wird, dass bei NEM mehr Flexibilität besteht - aber auch nicht mehr lang. Bereits heute sind die Anforderungen der EFSA an die Wirksamkeit höher als bei THMP, und es wird im Moment an einer Angleichung der Qualitätskriterien gearbeitet. Die Flexibilität wird also auch hier bald ein Ding der Vergangenheit sein.

•    Man gewinnt den Eindruck, dass die EU die Direktiven ohne Konsultationen im stillen Kämmerlein erstellt und verabschiedet. Tatsache ist aber, dass die Papier im Entwurfsstadium grundsätzlich zur Diskussion gestellt werden, und interessierte Kreise die Möglichkeit haben, ihre Meinung dazu zu äußern. Meinungsäußerungen sind bei der THMP-Direktive aber erstaunlicherweise weitgehend unterblieben. Man kann der EU nicht retrospektiv den Vorwurf machen, interessierte Kreise nicht konsultiert zu haben - das wäre eine Bringschuld von uns allen gewesen. Entsprechende Andeutungen sind kontraproduktiv, weil sie von der EU leicht und nachvollziehbar entkräftet werden können.

•    Fragen nach der Sicherheit der Produkte sind gefährlich. Was machen Sie, wenn hier jemand dahingehend antwortet, dass sie/er die Produkte als "unsicher" betrachtet? In diesem Fall dürfte nach den geltenden Regeln mit den Produkten gar kein Handel betrieben werden! Sowohl für NEM als auch für THMP gilt die Voraussetzung der Sicherheit.

•    Fragen nach der Qualität der Produkte sind noch gefährlicher: Während Sicherheit immer eine recht subjektive Angelegenheit ist, sind die Qualitätsanforderungen genormt. Sie könnten also nur dann mit "ja" antworten, wenn Sie gegen diese Qualitätsanforderungen verstoßen, und damit wäre das Produkt nicht verkehrsfähig. Wir können hier auch keinen Zusammenhang mit Ayurveda erkennen.

•    Frage 23 ist geeignet, die Regulatoren kräftig vor den Kopf zu stoßen. Für die Zulassung wird grundsätzlich keine Unterscheidung gemacht, ob das Präparat nun aus der europäischen oder ayurvedischen Tradition stammt. Die Behörden können Arzneimittel nicht anders behandeln, wenn sie aus Europa oder aus Indien stammen.

•    Frage 24 geht an den aktuellen Bestimmungen vorbei:
- So ist eine Registrierung inzwischen auch denn möglich, wenn keine 15 Jahre in der EU nachgewiesen werden können.
- Es ist zudem eindeutig falsch, dass nur Monopräparate registriert werden können, und Kombinationen ausgeschlossen sind. Die Frage der Applikationswege hat mit Ayurveda nichts gemein - sie gilt generell für alle traditionellen Registrierungen.
- Ebenso gilt für alle Registrierungen, dass die Präparate nicht verschreibungspflichtig sein dürfen - hier ist wieder kein Zusammenhang mit Ayurveda zu sehen. Wenn hier der Eindruck entstünde, die ayurvedischen Anbieter wollten verschreibungspflichtige Mittel in den OTC-Markt bringen, wäre dies ein gefundenes Fressen für die Presse. Im Übrigen steht es den Verordnern nach wie vor frei, im Sinne einer Rezeptur auch verschreibungspflichtige Bestandteile zu verordnen.
- Für die Behauptung, traditionelle Präparate aus dem Bereich der Ayurveda würden generell in Europa benachteiligt, gibt es keinerlei Hinweis. Im Gegenteil: bislang wurde noch nicht einmal ein Versuch eines Antrags gemacht. Eine solche Behauptung müsste auf Fakten basieren, und die müssten erst einmal geschaffen werden. Die EUAA plädiert bereits seit Langem dafür, diesbezüglich Versuche mit Einreichungen zu starten.
- Definitiv falsch ist die Behauptung, die THMP-Direktive sei geschaffen worden, um außereuropäische Traditionen auszugrenzen. Hier würden wir uns stark angreifbar machen, und letztlich stiftet eine derartige Behauptung nur Unfrieden. Damit schlagen wir nur die Türen zu, die von der EU (!) für uns geöffnet wurden.

Zusammenfassend halten wir diesen Fragebogen in der jetzigen Fassung nicht für zielführend.

Lassen Sie uns noch ein Wort zu den Zulassungsregeln verlieren: Niemand in der EU hält einen ayurvedischen Hersteller, der gern eine andere Indikation oder gar ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel in den Handel bringen möchte, davon ab, einen der anderen Zulassungswege zu beschreiten (z.B. bibliographische Zulassung/mixed applications). Die Voraussetzungen hierfür sind ungleich schwerer und teuerer als bei der traditionellen Registrierung - das gilt aber unabhängig von der Herkunft des Präparates. Gerade das aber sollte uns allen zeigen, dass die THMP-Direktive bei all ihren Schwächen tatsächlich einen enormen Fortschritt in Richtung einer Erleichterung gebracht hat!

Wir dürfen einen Fehler nicht machen: Wir dürfen nicht die alte und völlig unreglementierte Vermarktung von Nahrungsergänzungsmitteln vor der Zeit der Health Claim Regulation mit den Regeln der Registrierung als traditionelles Arzneimittel vergleichen. Dieser Vergleich ist völlig irreführend. Wenn Sie schon vergleichen, dann mit den neuen Regeln der NEM, bzw. mit den vorherigen Regeln der Arzneimittelzulassung – und dann zeichnet sich ein völlig anderes Bild ab.

Wir stimmen darin überein, dass die Schaffung einer Datenbasis mit wirtschaftlichen Zahlen für die Debatten auf EU-Ebene sehr nützlich wären. Sinnvoll ist, wie bereits zum Ausdruck gebracht, ebenfalls, die EU hinsichtlich der Schwächen der THMP-Direktive zu sensibilisieren. Wir dürfen dabei aber keinesfalls Klischees bedienen, die nachweislich falsch und unbegründet sind.Unser Aufruf gilt daher den ayurvedischen Herstellern: Machen Sie den Versuch einer Einreichung nach den in der EU geltenden Regeln der Registrierung! Nur dann kann auf Augenhöhe über die Erfahrungen diskutiert werden. Wir sind überzeugt davon, dass eine ganze Reihe ayurvedischer Präparate für eine traditionelle Registrierung in Frage kommt.

Mit freundlichen Grüßen

Mathias Schmidt

Director of Medicine EUAA

In den Forstwiesen 27
56745 Bell

www.euroayurveda.com

 

Sie können hier diese Stellungnahme auch in Englisch lesen.


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