Sind asiatische Heilmethoden in Europa noch authentisch
16.06.2009 | (psa) Experten diskutierten an der Universität Heidelberg über asiatische Heilmethoden wie Ayurveda, Tibetische oder Traditionelle Chinesische Medizin. Sie gingen Fragen nach der Bedeutung von Authentizität und dem Einfluss von Standardisierungsprozessen in den Ursprungsländer und den Auswirkungen von Anpassungen und rechtlichen Rahmenbedingungen in den europäischen Ländern nach.
Zu der Veranstaltung hatte das Cluster „Asien und Europa in globalem Kontext“
mit Sitz im Karl-Jaspers Zentrum der Universität Heidelberg eingeladen.
Gastgeber Prof. William Sax hob in seiner Begrüßungsansprache die große
Nachfrage der Bevölkerung nach den asiatischen Medizinsystemen hervor. Die Frage
der Authentizität möge für den Patienten vor dem Hintergrund der Wirksamkeit der
Methoden jedoch eine untergeordnete Rolle spielen. Es zeichne sich zudem eine
gegenseitige Variabilität ab. Asiatische Medizin verändere sich außerhalb der
Herkunftsländer und die Veränderungen würden dort teilweise übernommen, so Sax
weiter, und rechtliche Rahmenbedingungen in Europa, Import- und
Exportbestimmungen oder neue Kategorien wirkten sich auf die Systeme sowohl in
den Ursprungsländern, als auch in Europa aus. Zugleich stehen Marktinteressen
hinter den Systemen. Allein der Gesundheitstourismus wird auf 3 Milliarden Euro
beziffert. Verbraucherinteressen würden berücksichtigt und mancher Experte sieht
hier Gefahr, dass durch den neuen Kontext und die Anpassung an diesen die
jeweilige Heilmethode nicht mehr als Teil des gemeinsamen Systems betrachtete
werden könne.
Dr. Vivienne Lo, Medizingeschichtlerin mit Schwerpunkt
Chinesische Medizin am University College London zeigte in ihrem Beitrag die
Anpassung der Traditionellen Chinesischen Medizin in Kuba auf. Dort wird im
Volksmund von „small needles“ gesprochen, von den kleinen Nadeln, die jeder
kennt. Die Wissenschaftlerin befragte nicht nur Ärzte und medizinisches
Personal, sondern auch Taxifahrer, Köche und Hotelpersonal. Jeder auf Kuba
kannte „die kleinen Nadeln“. Gefördert wurde der Bekanntheitsgrad nicht zuletzt
durch die kostenfreie Behandlung der Kubaner mit Methoden der traditionellen
Medizin. Das System wurde stark durch politisch befreundete Länder, wie China,
gefördert, das Ärzte entsandte. Praktiziert wurde in Militärkrankenhäusern. Die
Integration ist so stark, dass von einer Verbindung der traditionellen
kubanischen Medizin mit der chinesischen gesprochen werden kann.
Dr.
Mona Schrempf Ethnologin an der Humboldt Universität Berlin gab weniger
Antworten, als sie vielmehr Fragen aufwerfen wollte und zunächst hinterfragt,
was authentisch denn überhaupt bedeutet? Traditionelle Tibetische Medizin
verarbeitet bei der Medikamentenherstellung Mineralien, Blut, Kräuter, wie auch
tierische Stoffe. Die Traditionelle Tibetische Medizin ist keine
wissenschaftlich basierte Medizin. In Tibet ist sie mit der Biomedizin
konfrontiert. In Indien steht sie im Schatten des Ayurveda. Global muss sie sich
der Herausforderung einer eigenen Authentizitätsfindung stellen. Wie kann
traditionelle Medizin, die auch in den Ursprungsländern sich mit Biomedizin
konfrontiert sieht überhaupt authentisch sein? Export- und Importvorschriften
haben einen großen Einfluss auf die traditionelle Medizin und damit auf ihre
Tibetische Medizin wird aus wild wachsenden Pflanzen auf den Himalayaplateaus
hergestellt. Es gibt bedrohte Pflanzen, wie sieht es mit Substituten aus? In
England darf nur kräuterbasierte Medikamente eingeführt werden. Was bedeutet
dies für die tibetischen Ärzte in England? Wie sieht es mit dem traditionellen
Wissen, in Familien weitergegeben, aus? Die Firma Padma in der Schweiz ist das
einzige Pharmaunternehmen, das Medikamente nach den Rezepturen der
Traditionellen Ttibetischen Medizin in Europa herstellt. Die Medikamente werden
ohne die Wildkräuter aus dem Himalaya hergestellt. Es werden Substitute
verwendet. Edelsteinpillen oder tibetischen Medizin, die auch Quecksilber
beinhaltet stellen in Europa die Traditionelle Tibetische Medizin vor Probleme
oder an Grenzen. Nach Schrempf beruht die Authentizität traditioneller
Medizinsysteme sehr stark auf der Beziehung zwischen Arzt und Patient.
Dr. Ananda Samir Chopra, leitender Arzt der Ayurveda-Klinik an der
Habichtswald-Klinik Kassel unterscheidet heute vier Varianten des Ayurveda.
Demzufolge beziehe sich Ayurveda auf eine traditionelle gelehrte Heilkunde der
indischen Kultur und es entwickelte sich in den letzten beiden Jahrhunderten
orientiert an der westlichen Medizin zu einer professionalisierten Heilkunde,
die an Hochschulen gelehrt und in Kliniken und Praxen ausgeübt wird und Teil des
indischen Gesundheitssystems sei. In der dritten Begrifflichkeit bedeute es ein
New Age Ayurveda, als eine amerikanische und europäische Entwicklung, die sich
in alten Quellen nicht auffinden ließe und durch die Verbindung von Ayurveda und
Spiritualität gekennzeichnet sei, und in einer weiteren Bedeutung entwickelte
es, wieder von Nordamerika und Europa ausgehend, in den letzten Jahren eine Form
zur Steigerung des Wohlbefindens, die als Wellness-Ayurveda bekannt wurde.
Ayurveda ist ein Erfahrungsmedizin, basiert auf Sanskrittexten, tiefem
Wissen über Basics, Philosophie zwischen Lehrer und Student, Wissenschaft und
Wissen ist im indischen Kontext unterschiedlich zu unserem Verständnis,
zahlreiche Änderungen bis heute, Ayurveda ändert sich immer Ayurveda wird heute
auf dem Model der Biomedizin in Indien unterrichtet. B.A.M.S. studieren dieselbe
Anatomie, wie Studenten der Biomedizin. Dieses Studium verändert Ayurveda durch
eine Standardisierung.
New Age Ayurveda als Verbindung mit der
spirituellem Aspekt ist nicht in den ursprünglichen Texten. Ayurveda ist ein
gewaltvolles System, das die New Age Ayurveda ablehnt. Zum Beispiel die Therapie
durch Erbrechen. Wellness Ayurveda ist eine europäische Entwicklung, die heute
auf Indien zurück wirkt. Der Ayurveda Tourismus geht auf diese Entwicklung
zurück. Die indischen Ayurveda Wellness Einrichtungen nehmen für sich nicht
Authentiziät in Anspruch und wenn, dann nur weil es gut wirkt. Was authentisch
ist, hängt vom Fragesteller ab. Authentizität ist anders zu verstehen unter
Ärzten oder wenn ein Patient danach fragt oder ein Interessent, der ein
Ausbildungsinstitut sucht.
Prof. Sujarta: Authentizität ist eine
kulturell essentielle Frage, beachtete man, dass Wissende und Wissenschaftler
schon immer reisten und sich ein System immer verändert. Ayurveda ist ein
Lebensstil, den auf die reine Möglichkeit der Therapie zu reduzieren, fraglich
ist. Wenn es gelänge Informationen, zum Beispiel über Ernährungsgewohnheiten und
ihren Einfluss auf den eigenen Körper den Menschen zu vermitteln, dann würde es
in die andere Kultur einfließen. Authentizität ist eine Frage der Hörerschaft
(audience).
Professor Harish Naraindas von der Jawaharial Nehru
University in New Delhi geht den Prinzipien und der Grammatik nach. Zwei Drittel
der indischen Pharamakopaia bestand aus englischen Worten. Erst jetzt werden in
Indien eigene Pharmakopaien erarbeitet. Authentizität bedeutet auch die
Prinzipien zu kennen und auf der Grundlage der Prinzipien das System zu
praktizieren, das an einem anderen Ort möglich ist. Wellness Ayurveda ist
beispielsweise eine Fusion zwischen einem medizinischen System und einem
Wellness System.. In den Texten steht über die Pulsdiagnose wenig, wohl ein
Grund weshalb heute Deutsche meinen sie indischen Ärzten beibringen zu können.
Naraindas wirft die Frage auf, ob das Christentum nicht mehr authentisch ist,
weil der Ort an dem es praktiziert wird, in Indien liege? Im Diskurs der
Authentizität müssen vergleichbare Elemente verglichen werden, Praktiken mit
Praktiken, Philosophie mit Philosophie, etc.
Einem Schlusswort gleich
konstatiert der indische Ayurveda-Arzt Dr. Harikumar Nair dass die Grundlage für
einen authentischen Ayurveda mit vier bezeichneten Wissensstufen in den Texten
gegeben ist. Diese Stufen sind Erahnung, wirkliches Wissen, Verstehen und
Verifizierung.
Eine Pressemeldung von Presse Service Ayurveda (psa)