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Die ayurvedischen Wirkungen der Asanas

Die ayurvedischen Wirkungen der Asanas

07.05.2003 | von Dr. David Frawley/Sandra Summerfield Kozak Jedes Asana hat eine spezifische Wirkung auf die drei Doshas, ähnlich wie die Nahrungsmittel, die je nach ihrem Geschmack und ihrer Zusammensetzung Vata, Pitta und Kapha günstig oder ungünstig beeinflussen. Asanas können die Doshas also stärken oder dämpfen. Das ist jedoch keine starre Regel, denn die pranische Wirkung eines Asana kann die strukturelle Wirkung überlagern: Die Form des Asana ist nicht der Hauptfaktor.

Mithilfe der Atmung können wir die Wirkung eines Asana auf die Doshas modifizieren oder sogar verändern. Auch das Denken und die Absicht sind wichtig. Die Atmung und der Geist beeinflussen die spezifische Wirkung eines bestimmten Asana oder einer ganzen Übungsfolge auf die Doshas. Wenn wir bestimmte Asanas mit Pranayama und Meditation verbinden, sind wir in der Lage, ein inneres Gleichgewicht herbeizuführen und aufrechtzuerhalten.

Wir unterscheiden also zwei unterschiedliche Wirkungen der Asanas:
• Eine Wirkung, die sich nach dem Dosha-Typ (Vata, Pitta oder Kapha und Mischtypen) richtet.
• Eine Wirkung auf die Doshas als allgemeine physiologische Funktionen. Jedes Dosha hat seinen Platz und seine Funktionen im Körper, und die Asanas wirken entsprechend ihrer Ausrichtung darauf ein.

Die Wirkungen der Asanas auf die Konstitution
Ein Vata-Typ hat eine andere Körperstruktur als ein Pitta- oder Kapha-Typ und bewegt sich auch anders. Pittas und Kaphas haben ebenfalls ihre speziellen Bewegungen und Haltungen, weil das Dosha den Körper und den Geist prägt. Dieser Unterschied zwischen den Doshas spiegelt sich im Puls wider:

• Der Vata-Typ hat einen schlangenähnlichen Puls und bewegt sich wie eine Schlange: mit raschen, plötzlichen, unvorhersehbaren und unregelmäßigen Bewegungen. Die innere Energie und das Denken sind ebenfalls flink, brillant, unberechenbar und abrupt.
• Der Pitta Typ hat einen Puls wie ein Frosch: drahtig, gespannt oder federnd. Er bewegt sich auch wie ein Frosch, denn er hüpft ständig umher, bis er sein Ziel erreicht hat, ähnlich wie ein Feuer, das aufflammt, sobald es neue Nahrung findet. Pittas handeln konzentriert und entschlossen und tun einen Schritt nach dem anderen. Ihre innere Energie und ihr Denken sind ebenso federnd und entschlossen.
• Der Kapha-Typ hat einen Puls wie ein Schwan: breit und fließend. Entsprechend bewegt er sich auch wie ein Schwan: langsam, würdevoll und elegant. Er nimmt sich Zeit, und seine Energie fließt wie ein geruhsam sich windender Fluss, der weiß, dass er sein Ziel erreichen wird. Wenn sich Kapha jedoch ansammelt, ähneln die Bewegungen einem Fluss, der durch Marschland fließt, wo er immer wieder aufgehalten wird und zu Stagnation neigt. Die innere Energie und das Denken des Kapha-Typs sind ebenso wässrig und manchmal träge.

Die Wirkungen der Asanas auf die Doshas
Jeder Dosha-Typ hat seine eigene Lebensstruktur und seine spezielle Lebensenergie. Das muss bei der Asana-Praxis berücksichtigt werden, damit sie wirklich effektiv sein kann.
• Die Vata-Energie ist impulsiv und launisch wie der Wind, der zwar heftig, aber nicht lange bläst. Wenn wir uns gegen diese Energie wehren, flieht sie oder wird gebrochen. Vata sollte man sanft bändigen und fördern, erden und stabilisieren. Wir müssen Vata harmonisieren und ihm ständig und entschlossen Kontinuität verleihen.
• Die Pitta-Energie ist gebündelt und durchdringend; sie kann schneidend wirken und schaden. Darum müssen wir sie behutsam entspannen und zerstreuen. Sie gleicht einem Lichtstrahl, der den Augen wehtut, aber auch erleuchten kann, wenn man ihn breiter macht.
• Die Kapha-Energie ist widerspenstig und selbstgefällig. Wir müssen sie nach und nach in Bewegung versetzen und anregen, so wie man Eis langsam schmilzt, damit es flüssig wird. Der Kapha-Typ braucht ständig neue Energie und Anregung, damit er aktiv bleibt.

Wenn ein Asana für einen bestimmten Dosha-Typ ungünstig ist, bedeutet dies jedoch nicht, dass er darauf verzichten muss. Er sollte es vielmehr so üben, dass er vor möglichen Disharmonien geschützt ist. Nehmen wir Rückwärtsbeugungen als Beispiel. Schnelle oder energische volle Beugungen nach hinten erzeugen möglicherweise zu viel Vata und belasten das Nervensystem mehr als alle anderen Asanas. Sanfte partielle Rückwärtsbeugungen sind dagegen vorzüglich geeignet, um Vata zu verringern, das sich im oberen Rücken und in den Schultern angesammelt hat.

Jede Asana-Familie - wie zum Beispiel Übungen im Stehen, Vorwärtsbeugungen oder Kopfstände - hat allgemeine Vorteile für den Körper und sein Bewegungspotenzial. Jede Asana-Familie stärkt bestimmte Muskeln und Organe, die wir als Teil der gesamten Körperstruktur nicht vernachlässigen dürfen. Um der Gefahr eines Ungleichgewichts entgegenzuwirken, sollten Sie aus jeder Asana-Familie diejenigen Übungen auswählen, die für Sie besser geeignet sind als die anderen. Achten Sie darauf, dass Sie mindestens an mehreren Wochentagen jede Hauptmuskelgruppe in Ihre Praxis einbeziehen.

Dass ein Asana für ein bestimmtes Dosha günstig ist, heißt ebenfalls nicht, dass jeder, der diesem Typ angehört, es üben sollte. Es bedeutet vielmehr, dass das Asana gut für ihn ist, wenn er es richtig macht und körperlich dazu in der Lage ist. Jedes Asana hat seinen Schwierigkeitsgrad, der manchmal aufwärmende oder vorbereitende Übungen voraussetzt. Auf einen Kopfstand bereiten wir uns beispielsweise durch ein Training der Arm- und Schultermuskeln vor, damit wir das Gleichgewicht sicher halten können. Dass ein Kopfstand für Ihren Dosha-Typ gut ist, bedeutet aber nicht, dass Sie ihn jetzt sofort probieren müssen oder ohne jegliche Nebenwirkungen ausführen können.

Die Wirkungen verschiedener Asanas richten sich auch nach der Reihenfolge der Übungen. Darum sollten wir das Training immer als Ganzes betrachten und nicht nur als aneinander gereihte Stellungen. Wichtig sind auch der Fluss und die Beziehungen zwischen allen Asanas. Die Asana-Praxis - womit die Reihenfolge, die Art der Durchführung und die Auswahl der Asanas gemeint ist - sollte die Doshas harmonisieren und dabei die Konstitution und Kondition des Übenden berücksichtigen.

Wir können die Reihenfolge der Asanas mit einer Kräutermischung vergleichen. Eine ayurvedische Kräuterrezeptur besteht aus mehreren Kräutern, die jeweils verschiedenen Zwecken dienen, aber zur Gesamtwirkung beitragen. Die Gesamtwirkung auf die Doshas hängt also von der ganzen Mischung ab, nicht von einem einzelnen Kraut. Wenn wir nun diese ayurvedische Betrachtungsweise mit den oben genannten Faktoren verbinden, muss ein Lehrer, der wirksame Asanas verordnen will, Folgendes einschätzen lernen:

• den ayurvedischen Typ und Disharmonien • den strukturellen Zustand einschließlich der Haltung, des Alters und der Kondition • den pranischen Zustand, die Herrschaft über die Atmung und die Sinne, die Vitalität und die Begeisterung • den mentalen Zustand, die Aufmerksamkeit, den Willen, die Motivation und die Gefühlslage.

Ein Vata-Typ führt ein bestimmtes Asana anders aus als ein Pitta- oder KaphaTyp. Außerdem hängt die Durchführung vom Alter, vom Geschlecht, vom körperlichen Zustand und von der Vitalität ab. Wichtig ist auch, ob der Übende wütend ist oder an Kummer, Stress oder Depressionen leidet. Eine ayurvedische Asana-Praxis hat demnach vier Ziele:

1. die Doshas zu harmonisieren
2. die Körperstruktur zu verbessern
3. den Fluss und die Entwicklung von Prana zu fördern
4. den Geist zu beruhigen und mit Energie zu versorgen.

Aus "Yoga für Ihren Typ" von Dr. David Frawley/Sandra Summerfield Kozak, mit freundlicher Genehmigung des Windpferd Verlags, Copyright beim Windpferd Verlag.
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